Erdogan in Berlin: Empfang mit Rabbia-Gruß und Wolfsgruß

Recep Tayyip Erdoğan (im Yıldız Palast in Istanbul). Foto: Shehbaz Sharif / CC BY 2.0

Der türkische Präsident ist zu seinem Staatsbesuch eingetroffen. Kritik am Besuch gab es parteiübergreifend

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Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen ist der türkische Präsident zu seinem umstrittenen Staatsbesuch eingetroffen. Schon am Flughafen wurde er nicht willkommen geheißen. Auf dem Weg zum Hotel durften ihn aber trotz des Sperrbezirks Jubel-Türken mit Wolfsgruß willkommen heißen. Erdogan dankte mit dem Rabbia-Gruß der Muslimbrüder.

"Herr Erdogan landet in Berlin, in der Türkei landen Journalisten im Gefängnis", prangte in großen Lettern unübersehbar am Ausgang des Flughafen Tegels. Mitglieder der Organisation Reporter ohne Grenzen präsentierten Schilder mit Aufschriften wie "Wer Presse verbietet, hat Angst vor der Wahrheit" oder "Demokratie braucht Pressefreiheit".

Für Menschenrechte und Freilassungen von Gefangenen

Die Organisation setzt sich für die Freilassung der zu Hunderten inhaftierten Journalisten, Fotografen und Filmemacher ein. Der Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, wies darauf hin, dass es nicht darum ginge, Erdogan das Gespräch zu verweigern. Vielmehr müsse von der Bundesregierung in Gesprächen klargemacht werden, dass alle zu Unrecht inhaftierten Journalisten, nicht nur die Deutschen, freigelassen werden müssen.

Auch Amnesty International forderte die Bundesregierung - wie auch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier - dazu auf, die dramatische Menschenrechtssituation in der Türkei zu thematisieren und zwar vorrangig, vor allen anderen Themen.

Kritik am Besuch gab es parteiübergreifend: Die FDP forderte die Freilassung aller politischen Gefangenen. Die Linke fordert, eine Normalisierung der Beziehungen könne es nur geben, wenn die Verhältnisse in der Türkei sich normalisieren. Der SPD-Menschenrechtsexperte Frank Schwabe forderte: "Beim Thema Demokratie und Rechtsstaatlichkeit darf es keine Kompromisse geben."

Der Sprecher der Unionsfraktion für Außenpolitik, Jürgen Hardt, forderte ebenfalls die Freilassung der politischen Gefangenen. Die Hand bleibe ausgestreckt - für eine freie demokratische Türkei. Cem Özdemir von den Grünen bekräftigte, dass es in der Türkei keine Pressefreiheit mehr gebe.

Es ist aber kaum zu erwarten, dass Angela Merkel und Frank Walter Steinmeier sich all diese Forderungen zu eigen machen. Man ist um die gute Laune des Despoten besorgt.

Spitzel für die Türkei unter Berliner Polizisten

Für die am Staatsempfang beteiligten Politiker und Politikerinnen kam gestern eine Meldung des Tagesspiegel zur Unzeit: In der Berliner Polizei spitzeln Beamte für die Türkei und geben Daten von Exil-Oppositionellen weiter.

Nach Informationen der Zeitung versucht der türkische Geheimdienst (MIT) Spitzel unter deutschen Staatsbediensteten zu rekrutieren. Und nicht nur das: Ein Polizist des gehobenen Dienstes soll die Meldedaten von Exil-Oppositionellen an türkische Behörden weitergegeben haben.

Die Ermittlungen halten an, die Berliner Polizei äußerte sich zu diesem Fall wie folgt: : "Wenn sich der Verdacht der Übermittlung sensibler Daten an die türkische Botschaft gegen einen unserer Kollegen im Zuge der bereits laufenden Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft und das LKA bestätigen sollte, wurde hier nicht nur ein Diensteid gebrochen, sondern eine schwere Straftat begangen. Ein solcher, durch einen Einzelnen verursachter Schaden, könnte nicht rückgängig gemacht werden."

Berliner Politiker aller Parteien empörten sich über diese erneuten Spionagevorwürfe der Türkei in der Hauptstadt. "Sollten sich diese Vorwürfe als wahr erweisen, ist das erneut ein deutlicher Vertrauensverlust und macht deutlich, wie zerrüttet die Partnerschaft zwischen Deutschland und der Türkei ist", sagte der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai.

Die SPD-Abgeordnete im Abgeordnetenhaus meinte, dies zeige erneut den "Kontrollwahn eines Autokraten". Die Abgeordnete Kiziltepe (SPD) hält es für sehr wahrscheinlich, dass es sich nicht um einen Einzelfall handele sondern um ein ganzes Spionage-Netzwerk. Dieser Auffassung sind mittlerweile viele Journalisten.

Es häufen sich die Berichte über "Einzelfälle". Über illegale und legale Bespitzelung von Oppositionellen Menschen aus der Türkei in Deutschland berichtete Telepolis kürzlich, siehe: Türkei: Smartphone-App für Denunzianten in Deutschland. Ob man heute vor dem Eintreffen des Despoten schnell den roten Teppich gehoben hat, und diese ungemütlichen Details darunter gekehrt hat?