Können Nato und Pentagon einen diplomatischen Ausweg in der Ukraine finden?

US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin und der Stabschef der US-Streitkräfte, General Mark Milley, bei einer Pressekonferenz zur Ukraine auf der Air Base Ramstein in Deutschland im September 2022. Bild: Chad J. McNeeley / CC BY 2.0

Die US-Politik in der Ukraine befindet sich in der Sackgasse. Man befürchtet, nicht mehr ernst genommen zu werden. Daher die Logik: Gegner einschüchtern, trotz der unvorstellbar realen Gefahr einer Eskalation. Was tun?

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der für seine entschiedene Unterstützung der Ukraine bekannt ist, hat kürzlich in einem Fernsehinterview in seinem Heimatland Norwegen seine größte Befürchtung für diesen Winter geäußert: dass die Kämpfe in der Ukraine außer Kontrolle geraten und zu einem großen Krieg zwischen der Nato und Russland führen könnten. "Wenn die Dinge schief gehen", warnte er gravitätisch, "können sie furchtbar schief gehen".

Das war ein seltenes Eingeständnis von jemandem, der sehr stark in den Krieg involviert ist. Es spiegelt den Zwiespalt wider zwischen den jüngsten Erklärungen der politischen Führer der USA und der Nato auf der einen und denen der Militärs auf der anderen Seite.

Medea Benjamin ist die Mitbegründerin der US-Friedensorganisation CODEPINK und Buchautorin.

Die politisch Verantwortlichen scheinen immer noch an einem langen, unbefristeten Krieg in der Ukraine festhalten zu wollen, während militärische Führer wie der Stabschef der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, General Mark Milley, sich zu Wort gemeldet und die Ukraine aufgefordert haben, "die Gunst der Stunde zu nutzen" und Friedensgespräche zu führen.

Admiral im Ruhestand Michael Mullen, ein ehemaliger Stabschef, meldete sich als erster zu Wort, vielleicht um Milley auf die Sprünge zu helfen, indem er dem Sender ABC News sagte, die Vereinigten Staaten sollten "alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu versuchen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, um diese Sache zu lösen".

Die Asia Times berichtete, dass andere führende Militärs der Nato Milleys Ansicht teilen, dass weder Russland noch die Ukraine einen eindeutigen militärischen Sieg erringen können, während französische und deutsche Militärs zu dem Schluss kommen, dass die stärkere Verhandlungsposition, die die Ukraine durch ihre jüngsten militärischen Erfolge erlangt habe, nur von kurzer Dauer sein werde, wenn man Milleys Rat nicht beherzigt.

Nicolas J. S. Davies ist Buchautor und recherchiert für CODEPINK.

Warum also sprechen sich die militärischen Spitzen der USA und der Nato so eindringlich gegen die Aufrechterhaltung ihrer eigenen zentralen Rolle im Krieg in der Ukraine aus? Und warum sehen sie eine solche Gefahr auf sich zukommen, wenn ihre politischen Vorgesetzten ihre Hinweise, auf Diplomatie zu setzen, ignorieren?

Eine vom Pentagon in Auftrag gegebene Studie der Rand Corporation mit dem Titel "Responding to a Russian Attack on Nato During the Ukraine War" ("Wie auf einen russischen Angriff auf die Nato während des Ukraine-Krieges geantwortet werden könne") gibt Aufschluss darüber, was Milley und seine Militärkollegen so alarmierend finden.

In der Studie werden die Möglichkeiten der USA untersucht, auf vier Szenarien zu reagieren, in denen Russland eine Reihe von Nato-Zielen angreift. Das reicht von Angriffen auf US-Geheimdienstsatelliten oder einem Nato-Waffendepot in Polen bis hin zu größeren Raketenangriffen auf Nato-Luftwaffenstützpunkte und Häfen, darunter der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland und der Hafen von Rotterdam.

Diese vier Szenarien sind allesamt hypothetisch und setzen eine russische Eskalation über die Grenzen der Ukraine voraus. Die Analyse der Autoren zeigt jedoch, wie schmal und brüchig der Grat ist zwischen begrenzten sowie angemessenen militärischen Reaktionen auf eine russische Eskalation und einer Eskalationsspirale, die außer Kontrolle geraten und zu einem Atomkrieg führen kann.

Der letzte Satz der Schlussfolgerung der Studie lautet:

Der mögliche Einsatz von Atomwaffen verleiht dem Ziel der USA zusätzliche Dringlichkeit, eine weitere Eskalation zu vermeiden – ein Ziel, das nach einem begrenzten konventionellen Angriff Russlands immer wichtiger erscheint.

Andere Teile der Studie sprechen sich jedoch gegen eine Deeskalation oder gemäßigte Reaktionen auf russische Eskalationen aus. Sie stützen sich dabei auf dieselben Bedenken hinsichtlich der "Glaubwürdigkeit" der USA, die für verheerende und letztlich sinnlose Eskalationsrunden in Vietnam, Irak, Afghanistan und anderen Kriegen, die verloren wurden, verantwortlich gewesen sind.

Die politische Führung der USA fürchtet stets, dass ihre Feinde (zu denen inzwischen auch China gehört) zu dem Schluss kommen könnten, dass es möglich sei, mit militärischen Mitteln die US-Politik entscheidend zu beeinflussen und die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten zum Rückzug zu zwingen, wenn sie nicht energisch genug auf sie reagieren. Eskalationen, die von solchen Befürchtungen angetrieben werden, haben jedoch stets nur zu noch weitergehenden und demütigenden Niederlagen der USA geführt.

In der Ukraine werden die Bedenken Washingtons hinsichtlich der "Glaubwürdigkeit" dadurch noch verstärkt, dass die USA ihren Verbündeten beweisen müssen, dass der Artikel 5 der Nato – der besagt, dass ein Angriff auf ein Nato-Mitglied als ein Angriff auf alle angesehen wird – eine wirklich wasserdichte Verteidigungspflicht darstellt.

Die US-Politik in der Ukraine befindet sich also in einem Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis nach Feind-Einschüchterung sowie Unterstützung von Verbündeten einerseits und den unvorstellbaren realen Gefahren einer Eskalation andererseits. Wenn die US-Führung weiterhin so handelt wie in der Vergangenheit und auf Eskalation setzt, um nicht an "Glaubwürdigkeit" zu verlieren, wird sie weiter mit dem Atomkrieg flirten. Die Gefahr wird mit jeder Drehung der Eskalationsspirale zunehmen.