Steht Indien ein religiöser Konflikt bevor?

Indien wird zur drittstärksten Wirtschaftsmacht. Doch religiöse Konflikte nehmen massiv zu. Was das mit dem Besuch der Außenministerin in Delhi zu tun hat.

Indien ist im Begriff, wirtschaftlich nach und nach wieder in die Rolle hineinzuwachsen, die dem Land historisch zusteht: In vorkolonialer Zeit bestritt der Subkontinent 20, zeitweise sogar 30 Prozent der weltwirtschaftlichen Produktion.

Nun macht sich das Land auf, zur drittstärksten Wirtschaftsmacht weltweit zu werden. Denn die vergangenen acht Jahre hindunationalistischer Regierungen in Delhi und in derzeit 16 von 28 Bundesstaaten haben dem Subkontinent einen neoliberal geprägten Wachstumsschub gebracht.

Solche Wachstumsaussichten wecken auch in Deutschland Begehrlichkeiten. Hinzu kommt die chinafeindliche Einstellung von Teilen der Medien- und Parteienlandschaft – einschließlich einer erheblichen Fraktion in der Regierungskoalition.

Statt China will man nun Indien zur verlängerten Werkbank der deutschen Industrie machen. Zusammengenommen sorgen beide Faktoren dafür, dass Indien zu einem großen Hoffnungsträger und "natürlichem Partner" für die Bundesregierung geworden ist.

Doch der politische Preis für Indiens wirtschaftliche Erfolge ist hoch. Denn der Aufstieg von Indiens regierender Partei, der Bharatiya Janata Party (BJP) und von Premierminister Narendra Modi ist untrennbar mit heftiger Polarisierung und spaltenden Politiken verbunden. Um ihre Macht auszubauen und zu sichern, greift die BJP auf Ressentiments der hinduistischen Bevölkerungsmehrheit zurück und schürt diese aktiv.

Die Partei leistet hindunationalistischen und hinduchauvinistischen Gruppen Vorschub und rekrutiert ihre Kader aus entsprechenden Organisationen. Deren bekannteste ist sicher die Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), eine paramilitärische, rechte und hindunationalistische Organisation mit schätzungsweise fünf Millionen Mitgliedern.

Gelegenheit für Machtproben

Obwohl Hinduchauvinisten sich gegen so ziemlich alles ereifern, was nicht der Safranfahne folgt, gelten ihnen die rund 172 indischen Millionen Muslime als Hauptfeind. Dabei gehören Hassreden und Aufrufe zum Völkermord ebenso zum politischen Geschäft wie die brutale Assimilierungspolitik Delhis in Regionen, wo Muslime die Mehrheit stellen.

Besonders problematisch wird es, wenn sich religiöse Animositäten an konkreten Orten festmachen lassen und Gelegenheit für Machtproben bieten. So haben gläubige Hindus zum Beispiel angeblich hinduistische Heiligtümer in einer Moschee in Varanasi gefunden.

Die Gyanvapi Moschee steht zudem noch direkt neben einem Hindutempel, was den Fall noch brisanter macht. Jetzt wird erst einmal prozessiert, obwohl 1991 eigens ein Gesetz erlassen wurde, das die Umwirdmung heiliger Stätten verhindern soll.

Zwei weitere Beispiele aus dem Bundesstaat Uttar Pradesh sind der Streit um eine Moschee in Mathura, die ebenfalls direkt neben einem Hindutempel steht. Seit 2020 läuft hier ein Prozess, der letztlich darauf abzielt, die Moschee abzureißen.

Jama Masjid Shamsi. Bild: The noorfatima / CC-BY-SA-4.0

Noch spektakulärer ist der Fall der Jama Masjid Shamsi in der Altstadt von Badaun. Das jetzt genau 800 Jahre alte Bauwerk ist als "Monument von nationalem Rang" registriert und gilt als bedeutendes Beispiel für persische und afghanische Baukunst.

Beobachter:innen und natürlich besonders Muslime in aller Welt befürchten einen Trend, der von der BJP in Delhi und in den Bundesstaaten noch begünstigt wird. Mittlerweile gibt es sogar eine Debatte um den aus der Mogulzeit stammenden Qutab Minar, Weltkulturerbe in Delhi.

Qutab Minar. Bild: Pankaj Purohit / CC-BY-SA-4.0

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