Mehr Kohle: Zertrümmerte Knochen und Hoffnungen

Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler II. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009. Heute sieht es dort ganz anders aus. Bild: Arcticbear1 / CC BY-SA 3.0

Energie und Klima – kompakt: Nach dem Polizeieinsatz gegen Klimaschützer im Rheinland stellen sich ernsthafte Fragen nach dem Zustand dieser Gesellschaft. Ein Kommentar.

Sind wir eigentlich noch zu retten? Haben wir noch unsere fünf Sinne beisammen? Da halten wir uns für das Land der Ideen und kratzen gleichzeitig Braunkohle aus der Erde, als gäbe es kein Morgen, als hätten wir noch nie von Treibhauseffekt und Klimawandel gehört. Ausgerechnet Braunkohle, den problematischsten aller fossilen Brennstoffe.

Wir sind sogar Weltmeister in ihrem Verbrauch und setzen den Abbau und ihre Verbrennung – wie das Wochenende gezeigt hat – trotz eindringlicher Warnungen aus der Wissenschaft mit aller Gewalt gegen jene durch, die aus Sorge um die Zukunft protestieren.

Da werden Knochenbrüche und selbst Tote in Kauf genommen, wie seinerzeit bei der illegalen Räumung des Hambacher Forsts im September 2018, nur um noch mehr Braunkohle abzubaggern. Bewohner des Lützerather Protestcamps berichten unter anderem, dass von Polizisten blind mit einer Kettensäge durch den Boden eines Baumhauses gesägt worden sei, in dem sich Menschen befanden.

Und das alles für eine Technologie von vorgestern, die den Planeten zerstört, die ihn für künftige Generationen zur Hölle machen wird. Seit rund 200 Jahren wissen wir durch die Arbeiten des französischen Mathematikers Jean-Baptiste Joseph Fourier, dass da irgendwas in der Atmosphäre ist, das sehr viel Wärmenergie in den untersten Luftschichten hält, wesentlich mehr, als bei einer transparenten Atmosphäre zu erwarten wäre.

Seit etwas mehr als 150 Jahren wissen wir durch die Laborexperimente des irischen Naturforschers John Tyndall, dass dies unter anderem Kohlendioxid ist, dessen Konzentration in der Atmosphäre der Mensch gerade begonnen hatte, durch Entwaldung und vor allem die Verbrennung von Kohle zu erhöhen. Und wir wissen auch seit sehr langem, was dabei herauskommen kann. Vor rund 120 Jahren hat der spätere schwedische Nobelpreisträger Svante Arrhenius berechnet, dass sich die untersten Luftschichten um fünf bis sechs Grad Celsius erwärmen, wenn die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre verdoppelt wird.

Leider hatte Arrhenius, dessen Ansichten Jahrzehnte lang ziemlich umstritten waren, mit einem tatsächlich unrecht: Er ging davon aus, dass es drei Jahrtausende dauern würde, bis genug Kohle und Erdöl verbrannt ist, um die CO₂-Konzentration zu verdoppeln. Doch etwas mehr als den halben Weg haben wir im Jahre 2023 bereits zurückgelegt, und Arrhenius Ergebnisse werden inzwischen längst auch von modernen, wesentlich komplexeren Klimamodellen bestätigt.

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