Ukraine-Krieg: Neue "Achse des Bösen" bedroht Siegfrieden

USA verhandlungswillig, aber kompromisslos. "Demokratie-Gipfel" und Taiwan-Politik verhärten Fronten gegenüber Brics-Staaten. Was das mit der Allianz zwischen China und Russland zu tun hat – und welche Strategie Kiew verfolgt.

US-Außenminister Antony Blinken hat der Ukraine am Dienstag volle Unterstützung für den Zehn-Punkte-Plan zugesagt, den Präsident Wolodymyr Selenskyj im vergangenen Dezember erstmals vorgestellt hatte. Der Plan sieht eine Rückkehr zum Status quo ante vom 23. Februar 2022 vor und erklärt Gebietsabtretungen an Russland folglich für inakzeptabel.

Die Forderungen zur Übersicht:

  1. Strahlenschutz und nukleare Sicherheit
  2. Ernährungssicherheit
  3. Energieeinsparung
  4. Freilassung aller Gefangenen und Deportierten
  5. Umsetzung der UN-Charta: Wiederherstellung der territorialen Integrität und der Weltordnung
  6. Rückzug der russischen Armee und Einstellung der Feindseligkeiten
  7. Wiederherstellung der Gerechtigkeit
  8. Bekämpfung des Ökozids
  9. Verhinderung einer Eskalation
  10. Festlegung des Endes des Krieges

Mit dem erneuten Plädoyer für den Plan, den US-Präsident Joe Biden bereits zuvor abgesegnet hatte und der im Wesentlichen dem (geläuterten) Kissinger-Konzept entspricht, signalisieren die Vereinigten Staaten öffentlichkeitswirksam ihre Verhandlungsbereitschaft, ohne ihre kompromisslose Position gegenüber dem Feindstaat Russland zu untergraben. Scheinbar.

Denn, wie von Telepolis berichtet, legten die westlichen Bündnispartner dem ukrainischen Staatschef hinter den Kulissen bereits im Februar nahe, eine Verhandlungslösung anzuvisieren und seine Pläne zur Rückeroberung verlorener Gebiete – insbesondere der Krim – notfalls aufzugeben. Diese warmen Empfehlungen bestätigte zuletzt auch der ehemalige Umweltminister und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Jürgen Trittin (Grüne).

Wie das Online-Portal German Foreign Policy schreibt, habe es Trittin zufolge kürzlich Signale von Seiten der US-Administration gegeben, wonach der Westen im Herbst starken Druck auf die ukrainische Führung ausüben werde, den Krieg per Verhandlung zu beenden. Ursache seien nicht etwa die vielen Menschenopfer, die der Krieg fordert, sondern ein Stimmungsumschwung der US-Bevölkerung, der Joe Bidens Wiederwahl gefährde.

Dass Blinken öffentlich weiter "alles oder nichts" spielt, kann allerdings auch als ein Dominanz-Gebaren mit Blick auf eine alleinige Entscheidungshoheit gesehen werden, die die Volksrepublik China zuletzt mit ihrem Friedensplan, vor allem aber mit dem Bericht zur "US-Hegemonie und ihren Gefahren" in Frage gestellt und durch das vor kurzem unterzeichnete "historische" Abkommen mit Russland bekräftigt hatte.

Das schien auch in einer Passage Blinkens deutlich zu werden, die sich unmissverständlich auf entsprechende Bemühungen bezog:

Ein Waffenstillstand […] würde [im Gegensatz zum Zehn-Punkte-Plan] möglicherweise dazu führen, dass der Konflikt eingefroren wird und Russland die erzielten Gewinne konsolidieren und die Zeit nutzen kann, um sich auszuruhen und aufzurüsten und dann erneut anzugreifen.

Anthony Blinken

Russland und China werfen USA "Fassaden-Demokratie" vor

Blinkens Ausführungen stammen vom Summit for Democracy, den das US-Außenministerium in diesem Jahr zum zweiten Mal, vom 28. bis zum 30. März, in virtueller Form veranstaltet. Neben den USA laden Costa Rica, die Niederlande, Südkorea und Sambia als Co-Veranstalter insgesamt 121 Länder zu besagtem Gipfel ein. Als Redner treten unter anderem die Regierungschefs aus dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland auf. Welche Ziele der Gipfel verfolgt, ist für dessen Kritiker eindeutig.

US-Präsident Biden verkündete am zweiten Tag des Gipfels feierlich, dass die USA 690 Millionen Dollar aufwenden, um – ganz im Wilson'schen (Kriegs-)Duktus des "make the world safe for democracy" – weltweit Demokratieprogramme zu unterstützen. Langfristig soll der US-Kongress die stolze Summe von neun Milliarden Dollar bewilligen, so Biden.

Die außenpolitischen Sprecher der erklärten US-Gegner China und Russland sehen den Gipfel als "Fake"-Veranstaltung, die "das Streben nach (US-)Vorherrschaft hinter der Fassade der Demokratie" versteckt, weil sie voraussichtlich um Russlands Vorgehen im Ukraine-Konflikt sowie die aufstrebende Rolle Chinas zirkuliert.

Auf dem Gipfel wurde außerdem die Erweiterung der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID um eine People Centered Justice-Abteilung angekündigt, die gemeinsam mit "globalen Partnern" für "friedlichere, gerechtere und integrative Gesellschaften als Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung" sorgen soll.

USAID wurde mehrfach der Zusammenarbeit mit der CIA bezichtigt und durfte zuletzt auch im (ideologisch) umkämpften Gebiet Moldau ein Förder-Plus von 20 Millionen gegenüber dem Vorjahr einstreichen.1 All das ist Wasser auf die Mühlen der Skeptiker und Kritiker.

Dass die USA gerade erst weitere Waffenlieferungen in Höhe von 350 Millionen US-Dollar zugesagt haben, zeugt ebenfalls nicht gerade von Interesse an einer Deeskalation – auch, wenn die in ihrem Funktionsumfang eingeschränkten Lieferungen darauf hinzudeuten scheinen.

Gleiches gilt für die EU, die nach eigenen Angaben mittlerweile 67 Milliarden Unterstützungsgelder an die Ukraine gezahlt und deren Rat am 23. März den Beschluss gefasst hat, binnen eines Jahres eine Million Artilleriegeschosse zu liefern.

Doch der internationale Protest gegen die Eskalation wird immer lauter.

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