Acht Christendemokraten, acht Sozialdemokraten und sieben Sitzenbleiber
Ursula von der Leyen präsentiert die neue EU-Kommission
Am 1. November tritt die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr Amt an. Die Kommission, die sie führen wird, ist nicht ganz neu. Auf dem heute vorgestellte Personaltableau finden sich einige Landesvertreter, die bereits der aktuellen EU-Kommission von Jean-Claude Juncker angehören. Ob sie ihr Ressort behalten, oder ein anderes zugewiesen bekommen, will die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin erst morgen verraten.
Keine große Überraschung ist, dass der sozialdemokratische Niederländer Frans Timmermans und die dänische Liberale Margrethe Vestager von der Leyens Stellvertreter werden. Beide bereits amtierenden Kommissare galten ebenso wie der neue spanische EU-Außenbeauftragte Josep Borrell (vgl. Wird "Spionage-Chef" zum neuen EU-Außenbeauftragten?) als Teil des Kompromisspakets, das die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer bei ihrem Personalgipfel Anfang Juli aushandelten.
Auch Jourová, Dombrovskis, Šefčovič, Hogan, Gabriel und Hahn bleiben
Ebenfalls EU-Kommissare bleiben die liberale Tschechin Věra Jourová (die aktuell das Ressort Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung führt), der lettische Christdemokrat und Währungskommissar Valdis Dombrovskis, der slowakische Sozialdemokrat und Energiekommissar Maroš Šefčovič, der christdemokratische irische Landwirtschaftskommisar Phil Hogan und die bulgarische Christdemokratin Marija Gabriel, die als Digitalkommissarin eine etwas bessere Figur machte als ihr Vorgänger Günther Oettinger.
Eher mit dem überraschenden Regierungssturz in Wien als seiner Leistung lässt sich erklären, dass der christdemokratische österreichische Erweiterungskommissar Johannes Hahn erneut nominiert wurde (vgl. Ein Lobbyist, zwei Rekordschuldenmacher und ein fragwürdiger Doktor). Darauf, dass alles beim alten bleibt, konnten sich die nicht mehr einer Koalitionsdisziplin verpflichteten Parteien im österreichischen Nationalrat anscheinend am leichtesten einigen.
Viktor Orbáns ehemaliger Justizminister
Anders lief es in Griechenland, wo es ebenfalls einen Regierungswechsel gab: Hier bleibt der (Medienberichten nach vom alten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras bevorzugte) Christdemokrat Dimitris Avramopoulos nicht Migrationskommissar. Kyriakos Mitsotakis, der christdemokratische Nachfolger des SYRIZA-Politikers, hat stattdessen seinen Parteifreund Margaritis Schinas nominiert, der bereits seit 2009 in Brüssel sitzt und zuletzt Sprecher der EU-Kommission war.
Die restlichen Christdemokraten in der neuen EU-Kommission sind die kroatische EU-Parlamentsabgeordnete Dubravka Šuica, Viktor Orbáns ehemaliger Justizminister László Trócsányi und die zypriotische Psychologin Stella Kyryakidu.
Berühmt und berüchtigt
Sieht man von der Präsidentin ab, konnten die Sozialdemokraten in der neuen EU-Kommission genau so viele Politiker platzieren wie die Christdemokraten. Ihr bekanntester Vertreter ist neben Timmermanns der ehemalige italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni, der erst nach der Vereidigung der neuen italienischen Regierung am Donnerstag nominiert wurde (vgl. EU-Währungspolitiker Gualtieri ist neuer italienischer Finanzminister). Der Posten des Wettbewerbskommissars, den der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte im Juli für sein Land erhandelt hatte, sollte eigentlich von der aus der Regierung ausgeschiedenen Lega besetzt werden, weshalb unklar ist, ob der Sozialdemokrat diesen oder einen anderen Aufgabenbereich erhält (vgl. EU-Kommission: Wer kriegt was und für wen?).
Ebenfalls einen gewissen Bekanntheitsgrad genießt die neue rumänische EU-Kommissarin und alte rumänische Arbeitsministerin Rovana Plumb, der Amtsmissbrauch vorgeworfen wird. Ihre Nominierung verhinderten solche Vorwürfe ebenso wenig wie die des neuen polnischen EU-Kommissars Janusz Wojciechowski. Der Politiker der in Warschau regierenden konservativen PiS soll als EU-Abgeordneter bei der Abrechnung von Reisekosten rechtswidrig großzügig zu seinen Gunsten verfahren haben und ist für das Landwirtschaftsressort im Gespräch.
Weitere Sozialdemokraten sind die ehemalige finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen (die als Wirtschaftskommissarin gehandelt wird), die Schwedin Ylva Johansson (die ihre umstrittene Landsfrau Cecilia Malmström ablöst und sich Medienberichten nach mehr für das Ressort Beschäftigung, Soziales und Integration als für den Handel interessiert), der ehemalige Luxemburger Arbeitsminister Nicolas Schmit, Maltas ehemalige EU-Ministerin Helena Dalli und die portugiesische EU-Abgeordnete Elisa Ferreira.
Schwerpunkt Verteidigung?
Die drittgrößte Gruppe in der neuen EU-Kommission stellen die Liberalmacronisten, die ebenfalls Teil der neuen informellen Koalition im neuen EU-Parlament sind (vgl. Informelle Koalition aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalmacronisten steht). Ihre wichtigste Vertreterin dürfte neben Vestager die ehemalige französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard werden, die das Ressort Wettbewerb übernehmen könnte, wenn es nicht doch an Italien geht. Dass Frankreich für diesen Posten eine Verteidigungspolitikerin nominierte, deutet auf einen möglichen Schwerpunkt hin, den der französische Staatspräsident Emmanuel Macron (der sich auch sehr für die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin als Präsidentin eingesetzt haben soll) im Sinne haben könnte (vgl. Deutsch-französisch-spanisches "Luftkampfsystem der Zukunft"). Deshalb wird auch darüber spekuliert, dass es in der neuen Kommission erstmals einen Verteidigungskommissar geben wird.
Neben Vestager und Goular entstammen auch der belgische Ex-Außenminister Didier Reynders, die estnische Wirtschaftsministerin Kadri Simson und der slowenische OSZE-Funktionär Janez Lenarčič Parteien aus der liberalmacronistischen Renew-Fraktion. Der angekündigte Vertreter der Grünen in der neuen EU-Kommission wird der ehemalige litauische Wirtschaftsminister Virginijus Sinkevičius, der mit einer Ukrainerin verheiratet ist.
Ab dem Zeitpunkt der Verkündung ihrer Ressorts haben die Kommissionsmitglieder noch 20 Tage Zeit, sich auf die Befragungen im EU-Parlament vorzubereiten, die zwischen dem 30. September und dem 8. Oktober stattfinden. Nimmt man die Vergangenheit zum Maßstab, müssen sie dort jedoch keine sehr strenges Verhöre befürchten (vgl. Europaparlament vermeidet Eso-Gretchenfragen).
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