AfD-Spitzenkandidat vor Gericht: Bleibt Höcke rechtlich wählbar?

Björn Höcke hat die AfD geprägt.

Als unwählbar würden viele Björn Höcke schon aus inhaltlichen Gründen bezeichnen. Steht nun sein passives Wahlrecht auf der Kippe? Foto: Shutterstock.com

Verfahren wegen SA-Parole zieht sich seit drei Jahren hin. Im Thüringer Wahlkampf versucht die AfD, dies zu nutzen. Bleibt der Angeklagte wählbar?

Der Thüringer AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke gibt sich überzeugt, dass Strafverfahren gegen ihn mit Absicht in die Länge gezogen wurden, damit er sich "mitten im Wahlkampf gleich in drei Prozessen stellen" muss.

Auf der Plattform X und anderen Kanälen wirbt die AfD um Spenden, damit der Landesverband "diese finanziellen Herausforderungen" durchstehen kann. Tenor: Die AfD als Opfer eines Angriffs auf die Meinungsfreiheit.

Eine Hauptverhandlung begann am Donnerstag vor dem Landgericht Halle. Dort äußerte sich nicht zum Tatvorwurf, nachdem er sich eine Woche zuvor im TV-Duell mit dem CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt zur Landtagswahl dagegen verteidigt hatte.

Verbotene Nazi-Parole oder Allerweltsspruch?

Vor drei Jahren soll Höcke einer Wahlkampfrede in Merseburg und später bei einer Veranstaltung in Gera eine verbotene Parole der SA verwendet haben – und wäre er früher nicht als Geschichtslehrer tätig gewesen, stünden wohl die Chancen besser, dass ihm abgenommen wird, "Alles für Deutschland" für einen Allerweltsspruch gehalten zu haben.

Im Schlagabtausch mit Voigt bei Welt-TV hatte Höcke Parallelen zu Donald Trumps Wahlspruch "America first" gezogen, den er frei interpretierend ins Deutsche übertragen habe.

Höckes Verwechslung und der Spruch am KZ-Eingangstor

Zudem hatte Höcke der Telekom unterstellt, "Alles für Deutschland" als Werbespruch verwendet zu haben. Eine Verwechslung, die das Unternehmen nicht auf sich sitzen ließ.

"Ich habe da etwas verwechselt, tatsächlich hat die Telekom den Spruch 'Jedem das Seine', der über dem Eingangstor des KZ Buchenwald angebracht ist, benutzt", erklärte Höcke laut einem Bericht von Focus online, nachdem die Telekom ihre Anwälte in Stellung gebracht hatte.

Bild-Schlagzeile in Zeiten des Party-Patriotismus

Höcke hatte Parole neben der Telekom auch Franz Beckenbauer zugeschrieben. Der frühere Nationaltrainer und Sportfunktionär hatte anlässlich der Herrenfußball-WM 2006 in einem Gastbeitrag für die Bild geschrieben: "Ich erwarte: dass die Mannschaft alles gibt für Deutschland. Volle Pulle spielt!"

Der Artikel erschien mit der Überschrift "Gebt ALLES für Deutschland", wobei unklar blieb, ob sie von Beckenbauer oder die Redaktion gewählt worden war. Die damalige WM, bei der mit neuer Begeisterung Deutschlandfahnen geschwenkt wurden, galt als Geburtsstunde des deutschen "Party-Patriotismus", der Sozialwissenschaftler noch Jahre später beschäftigte.

AfD und Pegida als Folgen des WM-Fahnenmeers?

Viele plädierten für Gelassenheit, der Dramatiker Juri Sternburg befand später, dieser angeblich "unverkrampfte Patriotismus" habe Bewegungen wie Pegida, die später auf der Straße für AfD-Positionen warben, erst möglich gemacht.

Höcke wird nun vorgeworfen, zum Abschluss einer Rede den Dreiklang "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland" verwendet haben. Angeklagt ist er nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs.

Verbotene Parole war Gravur auf SA-Dolchen

Tatbestand: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. "Die Parole 'Alles für Deutschland‘ war im Nationalsozialismus öffentlich omnipräsent. Sie war überall zu sehen, auf den Straßen, auf Veranstaltungen der SA, sie war auf den Dolchen der SA-Mitglieder eingraviert", erklärte dazu kürzlich der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, in einem Interview.

Immer wieder wurde im Zusammenhang mit dem Aufstieg der AfD die Rolle der Medien diskutiert – und ob es Sinn macht, mit Faschisten öffentlich zu diskutieren.

Umfrage: TV-Duell schadete Höcke in Thüringen nicht

Höcke durfte nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen schon einmal als Faschist bezeichnet werden, dies sei ein zulässiges Werturteil. Seiner Popularität scheint aber das TV-Duell, in dem Voigt den AfD-Rechtsaußenpolitiker "inhaltlich stellen" wollte, nicht geschadet zu haben.

Eine Civey-Umfrage im Auftrag von Focus online ergab diese Woche, dass in Thüringen 41 Prozent der Menschen, die das TV-Duell verfolgt hatten, nun eher für die AfD stimmen würden. 40 Prozent gaben an, dass bei ihnen die Wahrscheinlichkeit abgenommen habe. 19 Prozent äußerten sich unentschieden.

Die genannten 41 Prozent sind natürlich bei dieser Fragestellung nicht mit dem AfD-Anteil in klassischen Wahlumfragen gleichzusetzen. In solchen hatte die AfD in Thüringen zuletzt bei 29 bis 30 Prozent gelegen.

Dennoch hält der Politikwissenschaftler Hajo Funke, der in Büchern und Vorträgen seit Jahren vor der AfD und insbesondere dem harten Kern um Höcke warnt, das Stimmungsbild nach dem TV-Duell für "katastrophal".

Höckes passives Wahlrecht: Verlust nicht unmöglich

Das Gerichtsverfahren gegen Höcke und die Öffentlichkeitsarbeit der AfD dazu dürften ihr allerdings keine zusätzlichen Wählerstimmen bringen, so Funke gegenüber Telepolis.

Wer bisher AfD gewählt habe, könne dadurch zwar kaum davon abgehalten werden, schwankende und von der Ampel-Regierung frustrierte Menschen ohne manifestes rechtes Weltbild aber durchaus. Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könne viele von ihnen auffangen, so Funkes Einschätzung. Zuletzt stand es in Thüringen bei 14 bis 15 Prozent.

Dass Höcke aufgrund einer Verurteilung sein passives Wahlrecht verliert, hält Funke dagegen für unwahrscheinlich. Ein solches Strafmaß werde das Gericht wohl nicht gegen ihn verhängen. Mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe wären dafür nötig.

Der Strafrahmen schließt das zumindest theoretisch nicht aus: Ein Schuldspruch nach Paragraf 86a ermöglicht ebenso reine Geldstrafen wie in schweren Fällen bis zu dreijährige Haftstrafen.


Redaktionelle Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, "Höcke darf gerichtsfest als Faschist bezeichnet werden". Das ist nicht richtig. An der Stelle heißt es nun: "Höcke durfte nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen schon einmal als Faschist bezeichnet werden, dies sei ein zulässiges Werturteil."

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