AfD als Arbeiterpartei? Wie eine neue Studie diese These entlarvt

AfD-Logo fesselt Arbeiterfaust

Bei Landtagswahlen punktet die AfD bei Arbeitnehmern. Fast jeder zweite Beschäftigte in Sachsen und Thüringen wählte sie. Warum sich das rächen könnte.

Die AfD in Sachsen und Thüringen habe sich als "Arbeiterpartei" etabliert, meldet die Süddeutsche Zeitung – und das mit Blick auf die Alternative für Deutschland (AfD).

Grund für die These: Bei den Landtagswahlen fiel der Stimmenanteil für die AfD unter abhängig Beschäftigten mit 45 Prozent in Sachsen und 49 Prozent in Thüringen besonders hoch aus. Die politische Zielsetzung dieser Partei ist jedoch kaum im Interesse der Arbeiter, wie eine aktuelle Untersuchung im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung offenlegt.

Start-up-Investoren offen für AfD-Regierungsbeteiligung

AfD-Programmatik und Äußerungen führender AfD-Vertreter hat der Sozialwissenschaftler Michael Barthel vom Verein zur Bewahrung der Demokratie analysiert. Für die Analyse nutzte er ausschließlich öffentliche Verlautbarungen.

Die Partei betrachtet Fragen des kollektiven Arbeitsrechts "primär unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Erfolgs der Unternehmen". Bei einer Regierungsbeteiligung sei mit Einschränkungen des Streikrechts, Aufweichungen der Tarifautonomie und erschwerten Bedingungen für Gewerkschaften zu rechnen. Es überrascht deshalb kaum, das Unternehmer eine AfD-Regierungsbeteiligung zum Thema machen.

Christian Reber, bekannter Start-up-Investor, richtet an den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz die Forderung:

Öffnen Sie sich für eine Koalition mit der AfD, unter der Bedingung, dass kein offensichtlich rechtsradikales Parteimitglied politische Verantwortung tragen wird.

"Es ist an der Zeit, über den Tellerrand zu schauen", erklärte Reber.

"Keiner will eine starke AfD, aber aktuell geben uns die Wähler eventuell keine andere Option, ihre demokratische Stimme in einer funktionierenden Regierung zusammenzubringen", ergänzt Investor Frank Thelen, bekannt aus der TV-Show "Die Höhle der Löwen".

AfD-Forderungen zur Schwächung von Tarifverträgen

Das Grundsatzprogramm spart Fragen des kollektiven Arbeitsrechts komplett aus, lediglich im Wahlprogramm 2021 gibt es einige unverbindliche und allgemeine Ausführungen, so Wissenschaftler Barthel. Zwar gibt sich die Partei gerne als "Partei der Arbeitnehmer", jedoch führt dies nicht dazu, dass sie sich im Falle von Interessenkonflikten klar auf die Seite der Arbeitenden stellt.

Im Gegenteil sehen AfD-Vertreter kollektiv-arbeitsrechtliche Verbesserungen für Beschäftigte zumeist kritisch, denn "alles, was zur Verschärfung der sozialen Verhandlungsposition innerhalb der Betriebe führe", lehne die AfD ab. Die Partei fordert eine "Entschlackung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts", so Barthel.

Zudem gebe es Forderungen, Betriebsräte Tarifverträge abschließen zu lassen – ein Ansatz, der im Interesse der Unternehmensleitungen liegt.

Denn das Betriebsverfassungsgesetz betont die "vertrauensvolle Zusammenarbeit" der Betriebsräte mit den Unternehmen und verbietet Streikmaßnahmen durch Betriebsräte: "Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unzulässig". Tarifverhandlungen wären so auf ein Bitten und Hoffen begrenzt:

Dabei haben Streiks ein demokratisches Element der Selbstwirksamkeit, weil sich die Beschäftigten ihrer eigenen kollektiven Macht bewusst werden. Wann war das wichtiger als heute?

Zudem wäre die Tarifautonomie ohne den Streik nichts anderes als "kollektives Betteln", wie es das Bundesarbeitsgericht einmal treffend formuliert hat.

Ernesto Klengel, wissenschaftlicher Direktor des Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht (HSI)

Streiks für bessere Arbeitsbedingungen

Gerade Streiks machen den Belegschaften deutlich, dass Ziele gegenüber dem Management durchsetzbar sind. Gemeinsame Aktivitäten zur Vorbereitung von Arbeitskampfmaßnahmen stärken das Bewusstsein für ein offensives Fordern. Zumal sich die Inhalte der Tarifverhandlungen nicht nur auf die Erhöhung der Löhne beziehen, sondern verstärkt die Verbesserung von Arbeitsbedingungen gefordert wird.

Dies zeigt sich bei der "Krankenhausbewegung". Mit "Tarifverträgen zur Entlastung" wird die Personalplanung Teil kollektivrechtlicher Vereinbarungen. Die Beschäftigten der Charité in Berlin haben einen vorbildlichen Tarifvertrag zu den Arbeitsbedingungen erkämpft.

Es gelten tarifliche Mindestbesetzungsstandards, es gibt Schlüssel für die Besetzung einzelner Schichten, die verbindlich durchsetzbar sind und vom Betriebsrat kontrolliert werden können. Der Arbeitskampf wurde monatelang unter starken Einbezug der Gesundheitsarbeiterinnen vorbereitet.

Während industrielle Sektoren noch immer eine gewisse Rolle im Gesamtbild der Streiks spielen, nimmt gleichzeitig die Konfliktträchtigkeit der Arbeitsverhältnisse im Bereich von privaten Dienstleistungen, aber auch in der bezahlten Sorgearbeit zu.

So greifen etwa Streiks in Kindertagesstätten oder in Krankenhäusern die alte Forderung nach gleichen Bedingungen in vergleichbaren Arbeitsfeldern wieder auf. Zugleich nehmen sie das Motiv der Entlastung, der besseren Personalbemessung und damit auch die Perspektive einer Verbesserung der Qualität von Pflege, Betreuung und sonstigen Dienstleistungen (etwa in der Verkehrsinfrastruktur) in den Blick.

Peter Birke, Streikforscher und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI)

Analysen der gewerkschaftlichen Otto-Brenner-Stiftung machen deutlich, dass sich Erfahrungen im Betrieb auf die politische Einstellung auswirken. Die Studie "Arbeitswelt und Demokratie in Ostdeutschland" zeigt einen Zusammenhang zwischen extrem rechten Einstellungen und Ohnmachtsgefühlen am Arbeitsplatz.

Die AfD zu wählen, ist oft auch eine Reaktion auf das Gefühl, nicht mitbestimmen zu können. Arbeitskämpfe können in so einer Situation die Ohnmacht überwinden und neue Erfahrungen ermöglichen.