Algerien dreht an der Gas-Schraube

Seite 2: Teure Folgen

Der Vertrag mit Naturgy befindet sich derzeit in einem ordentlichen Überprüfungsverfahren, das bereits seit mehreren Monaten läuft. Das ist ein übliches Vorgehen.

Für jeden Gasvertrag werden von Zeit zu Zeit die Preise überprüft. Der Schmusekurs Spaniens gegenüber Marokko und die Unterstützung für den Autonomieplan in der Westsahara durch Sánchez, wird nun vermutlich die zunächst Bevölkerung in Spanien teurer zu stehen kommen.

Das ist besonders bedauerlich, da sie nichts für den irrigen Kurs der Regierung kann, die für den harten Schwenk in der Westsahara-Frage weder eine Mehrheit im Land noch eine im Parlament hinter sich hat. Weder die rechte Opposition noch die linken Unterstützer, nicht einmal der Koalitionspartner "Unidas Podemos" (UP), will sich in der Frage mit den Sozialdemokraten in ein Boot setzen.

Als Sánchez sich in der vergangenen Woche im Parlament zu erklären versuchte, protestierten seine linken Partner vor dem Parlament mit den Sahrauis gegen den "Verrat". UP machte deutlich, dass nicht ein Parlamentarier über die PSOE-Parlamentarier hinaus den Schwenk in der Westsahara-Frage unterstützt.

Die wachsweichen Erklärungen von Sánchez, wonach es eigentlich gar keinen Schwenk gegeben habe, nimmt ihm nicht einmal sein Koalitionspartner ab. Der spanische Regierungschef hat nicht einmal das Parlament darüber aufgeklärt, ob er den Brief selbst verfasst oder nur unterschrieben hat. Offen ist auch, ob es eine Reaktion aus Rabat mit Gegenleistungen und Garantien gab, wie für die dauerhafte Existenz der von Marokko umschlossenen Exklaven Melilla und Ceuta, die Marokko beansprucht.

UP hat sich derweil einer Initiative von linken baskischen und katalanischen Unterstützern angeschlossen. Das Parlament soll die "de facto-Unterstützung" durch Sánchez für Marokko im Westsahara-Konflikt zurückweisen. In dem Antrag wird ausdrücklich hervorgehoben, dass dieser Vorgang "mit keiner der Fraktionen im Abgeordnetenhaus" abgesprochen war und die Regierung für den Schenk "keine Mehrheit" hat. Noch bietet sich Sánchez die Möglichkeit zur Umkehr.

Er kann noch auf den Pfad zurückkehren, eine Lösung im Rahmen der UN-Resolutionen über ein Referendum in der Westsahara durchzusetzen, anstatt das undemokratische marokkanische Verhalten auch noch zu goutieren. Algerien winkt dafür zudem mit einer stabilen, billigen und stärkeren Gasversorgung für Spanien und für Europa.

Auf die Frage, ob Algerien in der Lage ist, Europa bei der Suche nach Alternativen für das russische Gas mit zusätzlichen Gasmengen zu versorgen, erklärte der Sonatrach-Chef, dass man über einige Milliarden Kubikmeter Gas verfüge, die zusätzlich geliefert werden könnten. Die, das ist auch Hakkar klar, können aber das russische Gas nicht ersetzen.

Er fügte aber an, dass man in Algerien "in den nächsten vier Jahren die Kapazitäten verdoppeln kann, was vielversprechende Perspektiven für unsere europäischen Kunden eröffnet." Der Konzern will allein in den kommenden vier Jahren gut 35 Milliarden Euro in die Erforschung und den Ausbau von Öl- und Gasfeldern investieren.

So bietet sich eigentlich für Europa und für Spanien die einzigartige Chance, einen demokratischen Prozess und die Entkolonisierung im Rahmen der UNO gegenüber Marokko durchzusetzen, statt das autokratische Regime auch noch bei seinem repressiven Vorgehen gegen die Saharauis zu stützen, wie es auch der unsägliche spanische EU-Außenbeauftrage und Sánchez-Parteigänger Josep Borrell immer wieder tut.

Damit würde man in Brüssel und in Madrid auch aus der Zwickmühle herauskommen, sich in der Ukraine und der Westsahara diametral gegensätzlich zu verhalten. Algerien wird in der Westsahara-Frage auch von China unterstützt. China drängt auf "eine gerechte und dauerhafte Lösung" für die Westsahara, die auf der "Grundlage des Völkerrechts" und den "UN-Resolutionen" gefunden werden müsse.

Der chinesische Außenminister Wang Yi kritisierte mit Blick auf Spanien gerade "geografische Spielchen". Beim Besuch des algerischen Außenministers verwies Yi darauf, dass China und Algerien auf eine lange Zusammenarbeit blicken könnten und "Frieden und Gerechtigkeit" unterstützen würden. Klar ist, dass der Marokko-Schachzug von Sánchez zur Unzeit kam.

Der Hasardeur hat sich damit innenpolitisch und außenpolitisch isoliert. Eine zentrale Frage ist, wie sich Deutschland verhalten wird, wo man händeringend nach Gas-Alternativen sucht. Aber ausgerechnet das neue Außenministerium von Annalena Baerbock hatte die Steilvorlage für den Sánchez-Schachzug geliefert und plötzlich zum Jahreswechsel ebenfalls den Autonomieplan von Marokko für die Westsahara hofiert, wie Telepolis berichtet hat.