Angriffe auf Politiker: Was tun gegen die Gewalt?
Den politischen Delikten ist nicht so leicht beizukommen, wie es Politiker darstellen. Warum das Strafrecht nicht weiterhilft. Und wie der Staat reagieren kann.
Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker bleibt ein Problem. Auch und gerade in Deutschland. Doch guter Rat ist teuer, denn die Sache ist als Kriminalitätsphänomen komplex. Dennoch mangelt es nicht an Lösungsvorschlägen. Aus der Politik hört man nahezu einhellig den Wunsch, das Strafgesetzbuch zu ändern. Der jüngste Vorschlag stammt vom niedersächsischen Ministerpräsidenten. Kann er überzeugen?
Politik, Gewalt und Strafrecht
Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker ist in erster Linie ein Kriminalitätsphänomen. Dabei richtet sich die Gewalt gegen Menschen, die sich politisch engagieren – und gerade, weil sie sich politisch engagieren.
Ganz egal, ob hauptberuflich oder im Ehrenamt: Das hat einen – über den Umstand der Gewaltanwendung hinausgehenden – besonders verwerflichen Aspekt. Es werden Menschen abgeschreckt, sich für unsere Demokratie zu engagieren.
Die Innenminister der Länder sind sich einig und möchten etwas gegen die Gewalt tun. Sie suchen die Lösung für dieses Kriminalitätsproblem schwerpunktmäßig jedoch nicht im präventiven Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr, sondern im repressiven Strafrecht, genauer gesagt im Strafgesetzbuch (StGB) und mittels härterer Strafen.
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Wann ist ein Mensch tot – und wann darf er wie sterben?
Zugegeben: Das kann man machen. Allerdings ist das Tatstrafrecht schon vom Grundsatz her nicht unbedingt der beste Ort für Prävention, auch wenn eine Vermischung zwischen Polizei- und Strafrecht immer weiter zunimmt.
Richtet die Politik den Blick auf das Strafrecht, muss man zunächst erkennen, dass keine Strafbarkeitslücke besteht. Gewalt im strafrechtlichen Sinne gegen Politikerinnen und Politiker ist bereits jetzt nach dem StGB strafbar – etwa als Körperverletzung oder Nötigung – und kann problemlos geahndet werden. Allerdings ist die von den Strafgesetzen ausgehende generalpräventive Abschreckungswirkung begrenzt.
Stephan Weils Vorschlag
Beim Strafrecht setzt auch der Vorschlag des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil an. Weil ist Volljurist und wurde für den juristischen Fachdienst beck-aktuell interviewt. Er wurde gefragt:
Wenig überraschend wurde nach den Angriffen unter anderem auf Ihre Parteikollegen Matthias Ecke und Franziska Giffey erneut der Ruf nach härteren und vor allem schnelleren Strafen laut. Würde das tatsächlich helfen?
Darauf machte Weil folgenden Vorschlag:
Ich persönlich finde den Vorschlag richtig, ein strafschärfendes Strafzumessungskriterium ‚demokratiefeindliche Gesinnung‘ in § 46 II StGB aufzunehmen. Über die Details kann man immer reden, aber es muss klar sein, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind. Noch wichtiger aber sind aufmerksame Mitbürgerinnen und Mitbürger, die bei solchen Vorfällen eingreifen, möglichst ohne sich selbst zu gefährden, oder die die Polizei rufen. Und dann müssen solche Taten schnell aufgeklärt und konsequent sanktioniert werden, das ist Aufgabe von Polizei, Staatsanwaltschaften und unabhängigen Gerichten.
Es braucht mehr als Symbolpolitik
Wenig überzeugend ist für mich der Vorschlag, Paragraf 46 Absatz 2 StGB zu ändern. Es muss kein neues Strafzumessungskriterium eingeführt werden. Schon deshalb nicht, weil bereits jetzt die antidemokratische Gesinnung des Täters von den Gerichten bei der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden kann.
Das ist über Paragraf 46 Absatz 2 StGB möglich. Insofern ist in Satz 2 keine abschließende Aufzählung von Strafzumessungskriterien enthalten. Hinzu kommt, dass die Strafrahmen "in Ordnung" sind, also vor allem der Höhe nach ausreichend.
Das räumt Weil selbst ein. Schließlich dürfte eine Änderung von Paragraf 46 StGB keine entscheidende Abschreckungswirkung entfalten, denn mal ehrlich: Welcher potenzielle Täter liest vor der Tat schon im Gesetzbuch nach? Die Änderung hätte eher symbolischen Wert.
Gegenvorschlag
Dass es mehr braucht als Symbolpolitik – das erkennt auch Weil, denn er legt nach. Dabei klingt das, was der niedersächsische Ministerpräsident in puncto Aufklärung und Sanktionierung der Taten ausführt, durchaus überzeugend.
Wenn die Politik schon Änderungen im Strafrecht anstrebt, dann dort, wo es weniger symbolisch, sondern für die Beteiligten schnell praktisch spürbar wird – bei der Strafverfolgung.
An dieser Stelle möchte auch ich ansetzen und erneut für meinen (Gegen-)Vorschlag werben, die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) zu ändern.
Diese Verwaltungsvorschriften sind in erster Linie für die Staatsanwaltschaften bestimmt. Sie sollen eine bundesweit einheitliche Sachbehandlung sicherstellen. Durch eine Änderung dort – in Form der Einfügung einer neuen Nummer "234a" zu Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker – ließe sich erreichen, dass solche Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft nicht aus Opportunitätsgründen eingestellt werden.
Die von Weil ins Feld geführte "demokratiefeindliche Gesinnung" könnte man dabei als Anknüpfungspunkt für eine Änderung der RiStBV nehmen.
Das bedeutet: Wer aus demokratiefeindlicher Gesinnung eine Körperverletzung oder Nötigung gegen (ehrenamtliche) Politikerinnen und Politiker begeht, kann künftig nicht mit einer Einstellung nach den Paragrafen 153 ff. der Strafprozessordnung rechnen.
Damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu einem Gerichtsverfahren kommt – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Daraus folgt weder eine gesetzliche Besserstellung von Politikerinnen und Politikern gegenüber anderen Opfergruppen noch ein Vorteil für die AfD.
Vielmehr wäre die praktisch spürbare Botschaft des Rechtsstaats klar: Gegenüber Demokratiefeinden ist man unnachgiebig. Es wird kein Auge zugedrückt.