Auch Billionen werden die schlimmste Rezession des Jahrhunderts nicht verhindern
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Der Streit um den "Wiederaufbaufonds" der EU geht in die nächste Runde, vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs bestehen weiter "große Meinungsverschiedenheiten"
Inzwischen hat sich bis zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herumgesprochen, dass ihre bisherigen Prognosen schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung mehr als überholt waren. Im März hatte die Organisation, in der 36 Industriestaaten zusammengeschlossen sind, zwar schon vom "größten Wirtschaftsrisiko seit der Finanzkrise" gesprochen, aber nicht einmal im Entferntesten die Schlüsse aus der sich abzeichnenden Katastrophe gezogen. Im schlimmsten Szenario wurde vor drei Monaten davon fabuliert, dass sich das "Wachstum" der Weltwirtschaft auf 1,5% verringern könnte.
Nun stellte die OECD deutliche realistischere Einschätzungen vor, in dem das Wort "Wachstum" in diesem Jahr nicht mehr vorkommt und optimistisch in das nächste Jahr verbannt wurde. Die OECD-Chefvolkswirtin spricht nun von der "schwersten Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg". Laurence Boone warnt Bürger, Unternehmen und Staaten vor der "schlimmsten Rezession in den letzten 100 Jahren außerhalb von Kriegszeiten".
In ihrem positiven Szenario für die Entwicklung der Weltwirtschaft stellt die Organisation als Bedingungen, dass eine zweite Infektionswelle mit dem Coronavirus verhindert werden könne:
Kann eine zweite Infektionswelle verhindert werden, so dürfte die globale Wirtschaftsleistung um sechs Prozent in 2020 schrumpfen.
Laurence Boone, OECD-Chefvolkswirtin
Etwas anders sähe das aus, wenn es zu einer erneuten Infektionswelle und in diesem Rahmen zu einem weiteren "Lockdown" kommt. Dann soll die globale Wirtschaftsleistung (BIP) "unseren Berechnungen zufolge 2020 um 7,6 Prozent einbrechen". Allerdings ist der Umgang mit dem Begriff "Lockdown" sehr ungenau, da es den real in vielen Ländern nie gab.
Zeitlich eng begrenzt gab es ihn nur in Italien, Spanien und Frankreich. In vielen Ländern gab es zwar zum Teil auch massive Einschränkungen, aber von einem Lockdown kann tatsächlich nur gesprochen werden, wenn die Aktivität auf die Grundversorgung reduziert wird, wie zum Beispiel - verspätet - in Spanien.
Das sollte beachtet werden, wenn die OECD nun von den "wirtschaftlichen Auswirkungen des strengen und relativ langen Lockdowns in Europa" spricht, die nach Angaben der Organisation "besonders stark" sein würden.
Wenn es zu einer zweiten Infektionswelle kommt, wird das BIP im Euroraum in diesem Jahr voraussichtlich um mehr als 11,5 Prozent schrumpfen. Kann eine zweite Welle vermieden werden, wird es voraussichtlich um mehr als neun Prozent schrumpfen.
OECD
Zweifel
Diese Vorgaben müssen mit der gleichen Vorsicht genossen werden wie die absurden Vorhersagen aus der Glaskugel im März. Denn es erschließt sich nicht wirklich, wie die OECD zu derlei Aussagen kommt. Das beginnt schon damit, dass die Organisation davon ausgeht, dass die Weltwirtschaft 2021 wieder um 2,8% wachsen soll. Sollte es aber im kommenden Winter und im Frühjahr tatsächlich eine zweite Welle geben, ist das stark zu bezweifeln.
Zweifel kommen auch auf, wenn man die OECD-Prognosen für Europa und die USA vergleicht. Denn dort soll das BIP im positiven Szenario nur um 7,3 und im negativen um 8,5% schrumpfen. Wieso das BIP in den USA deutlich geringer als im Euroraum schrumpfen soll, obwohl dort das Virus so massiv wütet, wie in kaum in einem anderen Land, ist unverständlich.
Dass es dort hart kommen würde, war vorhersehbar wegen der strukturellen Schwächen im Gesundheitssystem. Präsident Trump hat diese Probleme mit seinem unsäglichen Vorgehen nur noch weiter verstärkt. Und seine Hoffnungen auf ein Wundermittel wie Hydroxychloroquin verflüchtigen sich zusehends..
Die Frage ist angesichts der Entwicklungen in den USA, ob es dort überhaupt eine zweite Welle geben kann? Denn die Voraussetzung dafür wäre - was in Europa, China oder anderen Ländern erreicht wurde -, dass man zwischenzeitlich zunächst die erste Welle in den Griff bekommt. Danach sieht es in den USA derzeit genauso wenig aus wie in Ländern wie Brasilien, wo eine ganz ähnlich fatale Politik betrieben wird.
Die OECD-Logik für Voraussagen über den BIP-Einbruch in einzelnen Ländern folgt stark den jeweiligen Todeszahlen in den Ländern. Spanien soll es deshalb mit einem Minus von sogar bis zu 14,4% besonders heftig treffen. Dahinter folgen Frankreich mit bis zu 14,1% und Italien und Großbritannien mit 14%. In Portugal, das recht gut durch die Krise kam, soll das BIP 2020 dagegen höchstens um 11,3% schrumpfen. Da auch Deutschland glimpflich durch die Krise kam, soll es höchstens ein Minus von bis zu 8,8% ausweisen. Die Wirtschaft Japans soll nur um 7,3% schrumpfen.
Genau diese Linie wird mit den USA unverständlicherweise durchbrochen, wo es inzwischen auch offiziell schon etwa 115.000 Tote gibt, wobei dort die Dunkelziffer wie in Italien oder Spanien erheblich sein dürfte. Denn auch in den USA sind viele Opfer an einem Lungenleiden gestorben, wie es das Coronavirus auslöst. Doch diese Opfer sind, wie in spanischen Altenheimen, nie getestet worden und fallen deshalb aus der Statistik heraus.
Schon jetzt müsste Trump eigentlich zurücktreten, da er einst erklärt hatte, "einen guten Job" gemacht zu haben, wenn es nur 100.000 Tote werden würden. Die Zahl ist längst weit überschritten und Experten befürchten noch ganz andere Szenarien.
Die Börsen
"Selbst wenn wir keine zunehmenden Fälle haben, selbst wenn wir die Kurve flach halten, ist es realistisch, dass wir irgendwann im September 200.000 Tote erreichen werden", sagte Ashish Jha, der Leiter des Harvard Global Health Institutes im Interview. "Und das ist nur bis September geschätzt. Die Pandemie wird im September aber nicht vorbei sein" - so geht auch Jha eher davon aus, dass man sich in den USA noch eine längere Zeit mit der ersten Welle beschäftigen muss. "Ich bin wirklich besorgt, wo wir in den kommenden Wochen und Monaten stehen werden."
Angesichts der insgesamt sehr trüben Vorhersagen, ist es dann auch kaum mehr verwunderlich, wenn es an den Börsen trotz der Billionenspritzen, die derzeit überall in die Ökonomien injiziert werden, wieder heftig bergab geht. Zwischenzeitlich hatten an den Börsen die Geld-Junkies abgefeiert, dass mit den Billionen nur so um sich geworfen wird.
Der Dax hatte in der vergangenen Woche aber den größten Wochenverlust seit Mitte März verbucht und verlor unter dem Strich 7%. Der US-Leitindex Dow Jones stieg zwar am Freitag wieder um knapp 2%, verzeichnete aber dennoch einen Wochenverlust von gut 5,5%, da er am Donnerstag um fast 7% eingebrochen war.
Und wie so üblich erwarten die Geld-Junkies natürlich weiter viel Geld. Die US-Notenbank (FED) hat gerade zur Beruhigung der Finanzplätze wieder geliefert, der FED-Präsident machte deutlich, dass die Zinsen über Jahre nicht mehr angehoben werden. "Wir denken noch nicht einmal daran, über eine Zinserhöhung nachzudenken", erklärte Jerome Powell.
Die FED will auch weiterhin US-Staatsanleihen und zudem hypothekenbesicherte Papiere kaufen, um das reibungslose Funktionieren der Finanzmärkte zu gewährleisten. Gekauft werden sollen monatlich Staatsanleihen im Umfang von 120 Milliarden US-Dollar und dazu weitere Wertpapiere im Umfang von 40 Milliarden Dollar.