Auch Portugal auf "Ramsch"-Niveau herabgestuft
Die unverständliche Entscheidung der Ratingagentur Moody's führt zu heftiger Kritik in Berlin und Brüssel
Es war zunächst der Querschuss der Ratingagentur Standard & Poors (S&P), der eine Einigung für die zweite Bankenrettung-Nothilfe für Griechenland am Wochenende unmöglich machte (Kritik an Bankenrettung als getarnte Griechenland-Nothilfe). Denn S&P will jede private Gläubigerbeteiligung als Zahlungsausfall werten. Nun hat am späten Dienstag Moody's nachgesetzt und Portugal auf "Ramsch"-Niveau herabgestuft. In der insgesamt widersprüchlichen Argumentation sticht die Warnung hervor, dass neue Abstufungen drohten, wenn sich private Gläubiger an zukünftigen Rettungsmaßnahmen beteiligen müssten. An den Börsen wuchs die Nervosität weiter, die Ausgabe neuer spanischer und portugiesischer Anleihen ging weitgehend schief und damit wird weiter Druck aufgebaut. Doch die Kritik an den absurden Bewertungen steigt und sogar die Union fordert die "Zerschlagung" des Rating-Kartells.
Die Ratingagenturen lassen Europa nicht zur Ruhe kommen. Am späten Dienstag hat Moody's die Kreditwürdigkeit für portugiesische Staatsanleihen gleich um vier Stufen von "Baa1" auf "Ba2" herabgestuft. Damit handele es sich um spekulative "Junk"-Anlagen. Es sei mit Ausfällen zu rechnen, weshalb sie "nicht für ein Investment geeignet" seien, teilte Moody's in London mit. Der Ausblick wurde auf "negativ" belassen, womit mit weiteren Abstufungen zu rechnen ist.
Wie weit das gehen kann, hat sich kürzlich an Griechenland gezeigt. So hatte Standard & Poor's (S&P) vor einer Krisensitzung der Finanzminister Mitte Juni die Kreditwürdigkeit des Landes auf "CCC" herabgestuft. Das ist die schlechteste Stufe weltweit, also deutlich schlechter als die Bonität von Pakistan, Ecuador, Jamaika, Grenada und Fidschi, hinter denen bekanntlich keine Notretter stehen.
Moody's glaubt nicht, dass Portugal seine Defizitziele erfüllen kann, die mit der Troika aus EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) vereinbart wurden, um die Nothilfe von 78 Milliarden Euro zu erhalten (Souveränität Portugals ist Geschichte). Die Agentur warnt auch vor den Folgen eines schwachen Wachstums. Deshalb sieht Moody's die Wahrscheinlichkeit steigen, dass nach Griechenland auch Portugal bald eine zweite Nothilfe benötigt.
Die Argumentation ist so angelegt, dass es zu weiteren Abstufungen kommen muss, vor denen Moody's schon jetzt warnt. Denn wie soll das Wachstum angekurbelt werden, wenn zugleich ein harter Sparkurs gefordert wird? Hält die neue konservative Regierung ihren verschärften Sparkurs durch, wird das Land sogar sehr tief in die Rezession stürzen. Als Portugal 2010 sein Haushaltsdefizit um 0,9 Prozentpunkte auf 9,2% senkte, wurde das zuvor schwache Wachstum wieder abgewürgt. Im vierten Quartal 2010 und im ersten Quartal 2011 schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 0,6 und 0,7%, weshalb das Land wieder in der Rezession steckt. Was passiert, wenn das Defizitziel von 5,9% für 2011 erfüllt wird, hat Griechenland gezeigt. Mit dem harten Sparkurs 2010 wurde zwar das Defizit von 15,4 auf 10,5% gesenkt, aber die Wirtschaft schrumpfte um 4,5%. Immer mehr Experten warnen deshalb, dass die Programme zu sehr auf Austerität und zu wenig auf Wachstum ausgerichtet sind.
Warnung vor Beteiligung privater Gläubiger
Es sollte aber aufgehorcht werden, wenn Moody's auch vor der Gefahr warnt, dass sich private Gläubiger wie Banken, Rentenfonds und Versicherer an der zukünftigen Nothilfe beteiligen müssten, wie es gerade für Griechenland diskutiert wird. Das wird als Warnung genannt, die Kreditwürdigkeit des Landes noch weiter herabzustufen. Hier liegt wohl der Grund, warum Portugal jetzt auf Ramsch gesetzt wurde, obwohl die neue Regierung noch gar keine Zeit zum Handeln hatte, die erst zwei Wochen im Amt ist. Denn umgekehrt könnte man es sogar positiv werten, dass über die 78 Milliarden Euro an Nothilfe sogar die Anleihen abgesichert wurden, weil sich Länder wie Deutschland und Frankreich verpflichten, die Bestnoten erhalten.
Eigentlich ist damit klar, dass Moody's vor allem den Vorstoß von Standard & Poor's (S&P) unterstützen will. Die größte Agentur hatte immer wieder gedroht, jede Beteiligung privater Gläubiger an der zweiten Griechenland-Nothilfe als Zahlungsausfall zu werten (Keine Einigung zur Griechenland-Nothilfe 2.0). Das galt zuletzt auch für die Vorschläge aus Paris, die sogar für die Banken ein gutes Geschäft sind und mit einer Griechenland-Rettung wenig zu tun haben, wie sich Experten weitgehend einig sind. Tatsächlich hat man damit eine erhebliche Hürde für eine Einigung aufgebaut, weshalb eine Entscheidung verschoben wurde. Denn bisher galt die Devise, die vor allem von der Frankfurter EZB kam, es dürfe keinesfalls dazu kommen, dass eine Einbindung privater Gläubiger von Ratingagenturen als Zahlungsausfall gewertet werde.
Hintergrund ist, dass die EZB bei enger Auslegung der Statuten keine Staatspapiere von Ländern als Sicherheiten annehmen darf, die als zahlungsunfähig eingestuft werden. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erklärt stets, man könne im Fall eines bescheinigten Zahlungsausfalls griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für Kredite an Geschäftsbanken akzeptieren. Die wären damit von der Finanzierung abgeschnitten, weil sie am Tropf der EZB hängen. Sie wären damit schnell pleite.
Dass man auch scheinbare Notenbank-Dogmen umstürzen kann, hat die EZB in der Finanzkrise längst deutlich gemacht. Sie hat sich sogar zum Tabubruch entschlossen und kauft Staatsanleihen von Pleiteländern auf. Doch wenn eine oder zwei Agenturen einen Zahlungsausfall bescheinigen, wäre nicht einmal eine Regeländerung notwendig. Denn die Notenbank kann bei voneinander abweichenden Ratings stets die günstigste Bewertung heranziehen. Fitch hat schon mit den Politikern ausgehandelt, unter welchen Bedingungen man bei einer freiwilligen Beteiligung privater Gläubiger auf das "D" für "default" verzichten werde. Zudem wurden in der Vergangenheit auch noch andere Wege aufgezeigt, um negative Auswirkungen auf griechische Geschäftsbanken auszuschließen (Keine Einigung zur Griechenland-Nothilfe 2.0).
EU will Regulierung der Ratingagenturen
So hat nun offenbar auch die Bundeskanzlerin die Nase voll, nachdem sie kürzlich noch vor den Drohungen der Ratingagenturen eingeknickt war und deshalb ihren Finanzminister bloßgestellt hatte (Merkel knickt vor Ratingagenturen ein). Dessen Vorschlag einer zaghaften, aber verbindlichen Beteiligung der Banken, Versicherungen und Rentenfonds an der zweiten Griechenland-Nothilfe wurde deshalb schnell beerdigt. Doch Merkel macht nun vor allem Druck auf den (noch) EZB-Chef. "Es ist wichtig, dass sich die Troika die eigene Urteilsfähigkeit nicht wegnehmen lässt", sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Sie "vertraue vor allem den Bewertungen" der EU-Kommission, IWF und EZB, die schließlich erst kürzlich Griechenland ein gutes Reformzeugnis ausgestellt hatten.
Merkel ist offenbar nicht mehr bereit, erneut einzuknicken, denn der politische Preis könnte für sie sehr hoch werden, wenn sie auch den von den Franzosen weiter verwässerten Vorschlag beerdigt. Denn damit würde auch der Bundestagsbeschluss hinfällig. Dort wurde festgelegt, dass sich an der zweiten Nothilfe auch private Gläubiger beteiligen müssen.
Moody's will offensichtlich den Druck auf die Euroländer erhöhen, damit erneut ein Rundum-Sorglos-Paket geschnürt wird. Das führt nun zu heftigen Reaktionen. "Ratingagenturen befeuern für ihre Kunden die Sorge vor einer Ansteckung, um eine Beteiligung privater Gläubiger zu verhindern", erklärte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Klaus-Peter Flosbach fordert: "Das Kartell der Ratingagenturen muss zerschlagen werden." Er greift damit eine alte Debatte auf, schließlich wollten viele die Agenturen schon zu Beginn der Finanzkrise abschaffen, weil sie an der Krise einen maßgeblichen Anteil hatten. Denn sie haben nicht nur Absturzbanken bis zur Pleite mit Bestnoten versehen, sondern auch die (Un-)Wertpapiere mit konstruiert, die sie später sehr positiv bewertet haben. In diversen Ländern wird deshalb ermittelt.
Doch beim Aufbau einer europäischen Agentur ist man bisher nicht weit gekommen. So erinnerte der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nun in Straßburg daran, dass man an einer weiteren Regulierung der Ratingagenturen arbeite. Vorschläge dazu sollten bis Jahresende vorliegen. Es gehe unter anderen darum, mehr Wettbewerb zu schaffen.
Der Ton ist nach der Herabstufung Portugals nun auch in Brüssel schärfer geworden. So waren aus der EU-Kommission ungewöhnlichere Töne zu hören. "Das ist eine unglückselige Episode und wirft Fragen über das Verhalten der Ratingagenturen und deren Weitblick auf", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. Der Zeitpunkt sei unverständlich, weil die erste Überprüfung, ob Portugal die zugesagten Maßnahmen umsetzt, erst für Ende August geplant ist.
An den Finanzmärkten hat die Abstufung aber deutliche Wirkung entfaltet
Die Börse in Portugal brach um 3% ein. Zudem ist der Versuch des Landes misslungen, über dreimonatige Staatsanleihen eine Milliarde Euro einzunehmen. Es waren nur 848 Millionen, obwohl ein Rekordzins von fast 5% geboten wurde.
Ähnlich sah es beim Nachbar Spanien aus. Die Börse ging zum Teil bis fast 2% in die Knie. Das Land, das allgemein als nächster Pleitekandidat gehandelt wird, brach eine Versteigerung für fünfjährige Anleihen frühzeitig ab. Hier kamen keine 2 Milliarden zusammen, obwohl ein Zinssatz von 5,5% geboten wurde. Spannend wird die Ausgabe von Papieren mit 15-jähriger Laufzeit am Donnerstag. Schon im Juni musste dafür ein Zinssatz von mehr als 6% geboten werden. Das Land hat sich damit der die Absturzschwelle 7% schon deutlich genähert. Die derzeitige Debatte um Griechenland und das Streufeuer der Ratingagenturen dürften den Vorgang beschleunigen und könnten das viertgrößte Euroland Spanien nun schnell in Gefahr bringen.
Man darf gespannt sein, ob die seit dem 1. Juli tätige Europäischen Aufsichtsbehörde nun den Ratingagenturen auf die Finger schaut und damit die Agenturen zur Mäßigung zwingt. Schließlich hat die "European Securities and Market Authorities" (ESMA) erklärt, sie wolle prüfen, "ob die Schuldenbewertungen der Agenturen überhaupt konsistent sind". Die Behörde hält insgesamt das Vorgehen der Agenturen für zu intransparent und ihr Sprecher, Reemt Seibel, erklärte gegenüber dem Schweizer Tagesanzeiger: "Wir werden unsere Macht nutzen." Die Aufsichtsbehörde könne Hausdurchsuchungen bei den Agenturen durchführen und gegebenenfalls Strafzahlungen verhängen. Ein besonderes Augenmerk soll nicht nur auf die Modelle gelenkt werden, sondern auch darauf, dass die Agentur nicht Bock und Gärtner gleichzeitig ist, also berät und dann die entwickelten Produkte auch noch bewertet.