Keine Einigung zur Griechenland-Nothilfe 2.0
Die Ratingagenturen wollen mit massiven Drohungen jede Beteiligung der Banken verhindern
Mit einem Paukenschlag hatte sich die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) vor der Krisensitzung zur Griechenland-Nothilfe am Dienstag in Brüssel bemerkbar gemacht. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde auf "CCC" herabgestuft, die schlechteste Bonitätsnote weltweit. Nun trommeln die Ratingagenturen sogar mit massiven Drohungen gegen eine freiwillige Beteiligung privater Finanzinstitute an der Nothilfe 2.0, wie sie die Bundesregierung fordert. Das würde als Kreditausfall bewertet werden und könne verheerende Folgen für andere Wackelkandidaten wie Irland, Portugal und Spanien haben. Nachdem die EU schon zugelassen hat, dass Portugal regelrecht abgeschossen wurde (Mit dem Absturz Portugals drängt die Euro-Krise auf Tagesordnung des EU-Gipfels), kommt nun Spanien immer stärker unter Druck.
Es rächt sich, dass man bei der Regulierung der Finanzmärkte in drei Krisenjahren nicht weit gekommen ist und auch nicht die Macht der Ratingagenturen beschnitten hat, wie gern gefordert wurde (Eine Gärtnerstelle und mehrerlei Böcke). Die können deshalb weiter ihre geballte Macht ausüben. Dass ihre Einschätzungen der Kreditwürdigkeit oft absurd sind, haben sie hinlänglich bewiesen. So hatten sie der US-Investmentbank Lehman Brothers noch die Bestnote "AAA" bescheinigt, als die Bank pleite ging und Schockwellen in die gesamte Welt ausgesendet hat (Finanzkrise bedroht das weltweite Finanzsystem).
Andere Beispiele lassen sich auch in Europa zur Genüge finden, als Portugals Noten regelrecht und unbegründet nach unten geprügelt wurden. Zunächst wurde von dem Land in einem Atemzug mit Griechenland gesprochen, obwohl es kaum Ähnlichkeiten gab. Portugals Staatsverschuldung lag damals, anders als in Deutschland oder Frankreich, sogar noch unter dem EU-Durchschnitt. Das Land wurde mit Abstufungen und steigenden Zinsen zunächst auf einen absurden Sparkurs gezwungen, wozu auch Berlin und Brüssel entscheidend beigetragen haben. Als sich die Früchte dieser Politik zeigten, die Wirtschaftsnobelpreisträger als "verrückt" bezeichnet haben, wurde Portugal zurück in die Rezession geschickt. Nun änderte sich die Argumentation. Als die Ratingagenturen Portugal schließlich fast auf Ramsch-Status setzten, begründeten sie dies mit den schwachen Wachstumsaussichten, die aus dem Sparzwang resultierten. Mit den enorm steigenden Zinsen für Staatsanleihen trat schließlich die selbsterfüllende Prophezeiung (self-fulfilling prophecy) ein, die mit den Wetten gegen den Euro gemacht wurde (Wetten gegen den Euro).
Die Macht der Ratingagenturen
Dies soll als Vorbemerkung bei der Betrachtung der derzeitigen Vorgänge dienen. Eigentlich müsste sich Standard & Poor's (S&P) lächerlich machen, wenn es ein Euroland wie Griechenland nun im Rahmen der neuen Nothilfebemühungen auf die Bonitätsnote "CCC" setzt. Das Land hat nach S&P nun weltweit die schlechteste Kreditwürdigkeit. Pakistan, Ecuador, Jamaika, Grenada und Fidschi erhalten die Benotung "B-", werden also zwei Stufen besser als Griechenland bewertet. Das sollte weltweit eigentlich für schallendes Gelächter sorgen.
Tut es aber nicht. Die weiterhin mächtigen Ratingagenturen werfen zudem alles Holz ins Feuer, um sogar die von Berlin geforderte "weiche Umschuldung" zu verhindern. Die sieht aber nicht einmal den nötigen Schuldenschnitt vor, um Griechenland wieder eine Chance zu geben, auf die Beine zu kommen. Sie erhöht stattdessen die Verschuldung massiv weiter, womit Griechenland immer mehr Geld für Zinsen ausgeben muss, statt es in Bildung, Infrastruktur oder Industriepolitik zu stecken. Dabei sollen Banken, Pensionsfons und Versicherungen ohnehin nur darüber an der Nothilfe beteiligt werden, dass sie die Laufzeit der Anleihen verlängern, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagen hat. In dieser Diskussion geht unter, dass die darüber steigende Zinslast alle Sparbemühungen zunichte machen wird. Immer neue Sparpläne, die für frisches Geld verlangt werden, gehen zusehends an die Substanz der Länder, die Nothilfe erhalten. Das lässt sich sogar schon an Spanien zeigen, dass noch nicht einmal unter den Rettungsschirm gehen musste, wie gerade die Großbank BBVA aufgezeigt hat (siehe unten).
Statt Gelächter haben die Drohungen der Ratingagenturen vor dem Krisentreffen am Dienstag in Brüssel massive Wirkung entfaltet. Denn die wollen für ihre Klientel, die mit Billionen in den letzten Jahren gerettet und subventioniert wurden, sogar eine freiwillige Beteiligung an der Nothilfe 2.0 verhindern. Man werde auch eine freiwillige Mithaftung als Kreditausfall bewerten, drohten die selbsternannten Bonitätswächter und das könne potenziell verheerende Folgen für andere Krisenländer wie Irland, Portugal und Spanien haben. Um der Drohung Nachdruck zu verleihen, und um die Legionen gegen die Pläne zu mobilisieren, drohte Moody's derweil drei französischen Banken mit der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit, weil sie besonders stark in Athen engagiert sind.
Keine Einigung beim Krisentreffen der Finanzminister
Weil die Meinungen in der EU weit auseinander gehen, kam es in Brüssel zu keiner Einigung, um die Refinanzierung Griechenlands länger als ein Jahr zu sichern, damit der Internationale Währungsfonds (IWF) die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem ersten Nothilfepaket über 110 Milliarden Euro nicht blockiert (Griechenland-Zirkus auf neuer Bühne). Hier fällt der Bundesregierung auf die Füße, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel einst gegen alle Widerstände den IWF in die Nothilfe einbinden musste. So treffen sogar die weichen Forderungen in Berlin auf Widerstand in der EU-Kommission, in Frankreich und in der Europäischen Zentralbank (EZB). Am Freitag wird deshalb Merkel beim Gipfel mit Nicolas Sarkozy in Berlin versuchen, Frankreich auf die Berliner-Linie einzuschwören.
Die Vorstellungen von Schäuble stoßen vor allem in der EZB auf massive Kritik. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erklärte, man könne im Fall eines von den Ratingagenturen bescheinigten Zahlungsausfalls griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für Kredite an Geschäftsbanken akzeptieren. Damit wären die Griechen von der Finanzierung abgeschnitten. Sie hängen längst am Tropf der EZB, weil andere Banken ihnen kein Geld mehr leihen. Auch der designierte Nachfolger Mario Draghi hat sich am Dienstag im EU-Parlament gegen die geforderte weiche Umschuldung ausgesprochen.
Dabei ist die Argumentation der EZB, nachdem sie sich in die Sackgasse manövriert hat, absurd. Denn sie hat längst eherne Notenbankprinzipien über Bord geworfen. Sie hat mit dem Aufkaufprogramm längst den schweren Tabubruch begangen und mit den umstrittenen Aufkäufen von Staatsanleihen von Krisenländern die Notenpresse angeworfen. Doch nicht allein daran hat sich der Wendepunkt in der Geldpolitik manifestiert. Längst können, gegen frühere Notenbankkriterien, Papiere mit einem miesen Rating bei der EZB hinterlegt werden. Die Regelung, wonach auch Papiere angenommen werden können, deren Rating schlechter als "A‑" ist, sollte eigentlich Ende 2010 zurückgenommen werden. Auch damals hatte Trichet öffentlich abgelehnt, diese Regelung "aufgrund der Probleme eines einzelnen Landes" aufzuweichen (EZB rettet Griechenland - vorerst).
So stellte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank fest, dass sich "die EZB ihre Regeln selbst macht". Nach Ansicht von Thomas Mayer wären die griechischen Banken nur vom Zentralbank-Geld abgeschnitten, weil es die Notenbank so will. Er hat deshalb vorgeschlagen, um die Form zu wahren, griechische Anleihen gegen neue Papiere des Rettungsschirms zu tauschen, womit sie sogar nach den alten Kriterien "voll EZB-fähig" wären. Er verwies auch auf die Auslandsaktiva griechischer Banken, welche die EZB akzeptieren kann.
Inzwischen schält sich aber als Kompromissmodell das sogenannte "Wiener Modell" heraus. Dabei hatten Banken 2009 strikt freiwillig vereinbart, sich trotz der schweren Finanzkrise in Osteuropa weiter dort zu engagieren. Doch die Lage lässt sich nicht mit der Griechenlands vergleichen, denn die osteuropäischen Länder hatten vorübergehend ein Liquiditätsproblem und sind nicht wie Griechenland völlig überschuldet. Mit dem Wiener Modell mussten auch nur etwa ein Dutzend Gläubiger auf den Weg eingeschworen werden.
Ohnehin haben sich die Banken schon bisher nicht an strikt freiwillige Zusagen gehalten. Denn im Mai 2010 war vereinbart worden, dass sie Kreditlinien und Anleihen in Griechenland aufrecht erhalten. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat in ihren Quartalsberichten immer wieder aufgezeigt, dass sich Banken 2010 immer weiter aus Griechenland und anderen Krisenländern zurückgezogen haben. Heute weist die Financial Times Deutschland darauf hin, dass der Trend im Frühjahr anhält. Im März hielten deutsche Institute noch 9,9 Milliarden Euro. Das seien schon 4,5 Milliarden Euro weniger als noch vor einem Jahr. Eine völlig unverbindliche Selbstverpflichtung, wie sie die EU-Kommission und EZB wollen, würden den Banken nur mehr Zeit geben, sich aus Griechenland zurückzuziehen und den notwendigen Schuldenschnitt über "Rettungsschirme" und EZB-Aufkäufen von Staatsanleihen fast vollständig auf die Steuerzahler abzuwälzen.
Spanien kommt stärker in Bedrängnis
Das Hickhack um Griechenland bringt derweil auch Spanien mit steigenden Refinanzierungskosten in eine immer kritischere Lage. Angesichts der neuen Turbulenzen, steigen auch Zinsen für spanische Staatsanleihen wieder gefährlich an. Am Montag wurden Staatsanleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit über 260 Basispunkten über der Bundesanleihe am Sekundärmarkt gehandelt. Das bedeutet, dass Spanien mit fast 5,55% eine fast doppelt so hohe Rendite als Deutschland bieten muss, um seine Anleihen loszuschlagen.
Offenbar schafft es die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Sündenfall, dem umstrittenen Aufkauf von Staatanleihen der Risikoländer, nicht mehr, die Zinsen für zehnjährige Anleihen unter 5,5% zu halten. Die steigende Nervosität hat sich auch am Dienstag am Primärmarkt bemerkbar gemacht. Als Spanien Anleihen mit Laufzeiten von 12 und 18 Monaten versteigert hat, mussten 2,73 respektive 3,3% Zinsen geboten werden. Vor einem Monat waren es für vergleichbare Anleihen nur 2,57 respektive 3,13%. Auch solche Zinssätze hören sich im Vergleich zu denen gering an, die für überzogene Girokonten bezahlt werden müssen. Doch die Dimension wird im Vergleich zu Deutschland klar, das etwa 0,42% Zinsen für Anleihen mit einer längeren Laufzeit von sogar 24 Monaten bieten muss.
Derlei Zinsunterschiede (Spread) kommen Spanien aber sehr teuer zu stehen und treiben es, wie zuvor Griechenland, Irland und Portugal, in den Abgrund. Dieser "Risikoaufschlag" bedeute für Spanien, dass in diesem Jahr 31,4 Milliarden Euro zusätzliche Zinsen von der öffentlichen Hand und den Unternehmen gezahlt werden müsse, rechnete der Chef der spanischen Großbank BBVA vor. Francisco González sagte: "Die spanische Wirtschaft kann sich diesen Risikoaufschlag nicht leisten, weil sie unsere Wachstumskapazität und die Schaffung von Arbeitplätzen blockiert." González hält lediglich einen Aufschlag von 30 Basispunkten gegenüber deutschen Anleihen für gerechtfertigt. Der Chef der zweitgrößten spanischen Bank sagte, jeder Aufschlag von 100 Basispunkten würde die schwer angeschlagenen Iberer zusätzlich 12,4 Milliarden Euro im Jahr kosten. 2,6 Prozentpunkte bürdeten somit dem Land 2011 mehr die doppelte Summe zusätzlicher Zinsen auf, welche die Regierung durch harte Sparprogramme im vergangenen Jahr mit 15 Milliarden Euro eingespart hat.
Ein Land stürzt aber schnell in den Abgrund, wenn sich die zusätzliche Zinslast nun schon auf über 31 Milliarden Euro erhöht hat. Denn dieses Geld, das unproduktiv ausgegeben werden muss, fehlt für Investitionen in Betrieben oder beim Staat für Ausgaben in Bildung, Infrastrukturmaßnahmen oder soziale Zwecke. Mit den 12,4 Milliarden, die ein Spread von 100 Basispunkten im Jahr kosten, könnten 2011 leicht alle geplanten Infrastrukturmaßnahmen im Land bezahlt und damit 160.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, erklärte González. Damit würden in dem abstürzenden Land, das mit mehr als 21% die höchste Arbeitslosenquote in Europa hat, zudem auch die Sozialkosten sinken.
Spart das Land weiter, wie allseits gefordert wird, wird es wie Griechenland, Portugal und Irland tief in die Rezession fallen und ebenfalls zu einem Fass ohne Boden gemacht. Zur steigenden Zinslast kommen dann weiter steigende Sozialkosten und Steuerausfälle hinzu. Das wird, wie im Fall anderer Peripherieländer, dann wieder zur Begründung für weitere Herabstufungen der Kreditwürdigkeit genutzt. Die Ratingagenturen haben Spanien längst mit erneuten Abstufungen der Kreditwürdigkeit gedroht, nachdem Moody's das Land zuletzt im März zurückgestuft hatte. Die damit verbundenen Zinserhöhungen dürften dann schnell dazu führen, was Experten ohnehin längst erwarten: dass Spanien dann das nächste Land sein wird, dass unter den Rettungsschirm gehen muss (Schaffung von Arbeitsplätzen geht vor Wachstum?).
Spätestens dann wird es eng für den befristeten Krisenfonds EFSF (European Financial Stability Facility), auch wenn er gerade in der Portugal-Krise ausgeweitet wurde. Es ist klar, dass nach einem Fall Spaniens der Blick noch stärker auf Belgien und Italien gerichtet wird, deren Ausblick von den Ratingagenturen schon auf negativ gesetzt wurde. Im Fall Belgiens ist das angesichts eines starken Wachstums schon sehr auffällig.