Autoren ausgehebelt
Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hat bei dem jetzt verabschiedeten Urhebervertragsrecht dem schweren Lobbydruck nicht ganz standhalten können
Zwei Wörter haben im vergangenen Jahr eine der bislang größten Lobbyingschlachten in der Bundesrepublik ausgelöst: "Angemessene Vergütung". Mit der Losung wollte Bundesjustizministerin als Retterin der von den Verwertern angeblich enterbten Kreativen in die Geschichte eingehen. Doch neben der ihre ganze Werbungs- und Publikationsmacht einsetzenden Medienindustrie waren auch der Kanzler und die Länder gegen den "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern". Das vom Bundestag in aller Eile am Freitag nun verabschiedete Urhebervertragsrecht ist daher ein verwässerter Kompromiss, der niemandem etwas zu leide tut, aber auch niemandem wirklich hilft.
Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin war im vergangenen Jahr angetreten, die "strukturelle Unausgewogenheit" zwischen freiberuflichen Urhebern und Verlegern, Filmverkäufern oder anderen Verwertern "rechtsstaatlich ausgleichen" (Justizministerin kämpft gegen die Entrechtung der Kreativen). Das hehre Ziel findet sich im Prinzip nach wie vor in der jetzt vom Bundestag abgesegneten Version des Urhebervertragsrechts wieder: "Freiberufliche Journalisten und Autoren, Fotografen, Übersetzer, Künstler und andere Kreative haben künftig einen gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Vergütung", jubelt die Ministerin auf der Homepage ihres Hauses. "Was selbstverständlich sein sollte, ist nun notfalls gerichtlich einklagbar."
Gerade der letzte Halbsatz enthält aber nur die halbe Wahrheit. Denn hatte Däubler-Gmelin ursprünglich geplant, die Definition der "Angemessenheit" einer Vergütung von einem Schiedsgericht verbindlich festlegen zu lassen, ist in der Abschlussversion der Ergänzung des aus den Sechzigern stammenden und daher mehr recht als schlecht auf die digitale Medienwelt passenden Urhebergesetzes davon keine Rede mehr. Der entscheidende Hebel der unparteiischen Zwischeninstanz, mit denen Urheber ihre Ansprüche leichter hätten durchsetzen können, fehlt.
Die Passage mit der Schiedsstelle selbst existiert zwar noch. Allerdings soll der Spruch des Schlichters nicht mehr automatisch verbindlich sein. Seine Wirkung entfaltet er nur noch, wenn beide Seiten ihm "nicht widersprechen". Den Prokuristen von Verlagen und anderen Verwertern wird es damit einfach gemacht, die geforderte "branchenübliche" Vergütung - nichts anderes definieren die neuen Paragraphen als "angemessen" - zu verhindern. Kreative müssten dann eben recht schnell vor Gericht ziehen, was viele Künstler und Urheber wohl nicht auf sich nehmen werden.
Einzigartige Medienkampagne
Das Zugeständnis an die Medienindustrie ist einer bislang einzigartigen Kampagne von Verlagen, Werbeagenturen und Filmverleihern zu verdanken, die ein bezeichnendes Bild auf die Amtsausübung der "vierten Gewalt" legt. Die Verleger und Verleiher sowie ihre Verbände hatten nicht nur in mehrfachen Anzeigenserien quer durch die deutsche Presse vor dem Untergang des Abendlands gewarnt, falls sie in Zukunft die Urheber angemessen bezahlen müssten. Ihre Fortsetzung fand die Schlacht in unzähligen Lobbygesprächen, auf denen es teilweise hoch herging. In den noblen Gemächern der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin wurde ein Vertreter des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Herbst bei einem Gesprächsabend mit Abgeordneten und Referenten sogar ausfällig und versuchte mit lauter Stimme gegen den Gesetzesentwurf anzuschreien.
Selbst nachdem das Justizministerium bereits mehrere Zugeständnisse an die Medienwirtschaft im Herbst angekündigt hatte, waren die Unternehmensverbände alles andere als zufrieden. Sie drohten Mitte Dezember schließlich sogar eine Verfassungsklage an. Denn der Zwang zur Einigung über Vergütungsregeln durch die vorgesehene Schlichtungsstelle schien den Medienunternehmen im Widerspruch zum Artikel 9 des Grundgesetzes (Koalitionsfreiheit) zu stehen. Ministerialdirektor Elmar Hucko sah zu diesem Zeitpunkt keinen Verhandlungsspielraum mehr. Die Gespräche seien "ausgereizt", sagte er vor Weihnachten.
Das Toben und Tosen hat im Zusammenspiel mit der drohenden Ablehnung des Gesetzestextes durch den Bundesrat nun aber doch zu der Verwässerung des Urhebervertragsrechts geführt. Da half auch ein im Auftrag des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) erstelltes Gutachten nichts mehr, das in der geplanten Gesetzesnovelle keinen Verstoß gegen das Grundgesetz und europäisches Recht feststellte. Im Justizministerium hofft man trotz des Einknickens nun, dass Verleger und Sender doch lieber Vergütungsregeln mit den Verbänden der Urheber aushandeln, statt sich auf Prozesse mit ihren Vertragspartnern einzulassen.
Dass sich die neuen Paragraphen auf die bisherigen Praktiken im Mediengeschäft groß auswirken werden, ist allerdings nicht zu erwarten. Im vergangenen Jahr haben zahlreiche Verlage sich von Autoren noch die "räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkt" geltende Übertragung aller Nutzungs- und Verwertungsrechte gesichert. Wer die mit heißer Nadel gestrickten Verträge nicht unterschreiben wollte, konnte nicht mehr auf weitere Aufträge zählen.
Sollte das neue Gesetz wie geplant nach dem Abnicken durch den Bundesrat noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten, wird über solche Klauseln wohl neu verhandelt werden müssen. Die Mehrfachnutzung von Beiträgen, etwa in den alten und in den neuen Medien wie dem Internet, ist verbindlich zu regeln. Doch in einer von der allgemeinen Wirtschaftskrise geschüttelten Medienbranche wird es den Urhebern dabei wohl kaum gelingen, höhere Honorare zu erzielen. Für mehrprozentige "Lohnerhöhungen", wie sie von den Gewerkschaften für andere Branchen regelmäßig erstritten werden, wird das Urhebervertragsrecht jedenfalls keinen Anhaltspunkt geben.
Hat die Vernunft nun obsiegt?
Die Medienindustrie ist denn auch weit gehend zufrieden mit dem Erreichten. Selbst ein Sprecher des Börsenverein des Deutschen Buchhandels bezeichnete den Entwurf Ende der Woche als eine "sachgerechte Basis, auf der man zusammenarbeiten kann". Die Vernunft habe obsiegt, heißt es auch beim Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV).
Ins Abseits manövriert hat sich dagegen der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM), der am Donnerstag in einer Pressemitteilung noch lauthals vor einem "massiven Einschnitt in die Privatautonomie" warnte. Für die vom BITKOM gefürchtete "Unzahl von Nachbesserungsforderungen der Urheber" bietet das verwässerte Gesetz aber keine Basis.
Ganz allein ist der BITKOM allerdings nicht mit seiner Kritik: Auch Michael Naumann, einer der Chefs der "Zeit", führt die alte Medienkampagne noch tapfer weiter fort. Die Ministerin habe sich "verrannt", führt der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Neuen Medien Däubler-Gmelin vor. Da hat also anscheinend noch jemand ein Hühnchen mit seiner alten Kabinettskollegin zu rupfen.