Bezahlkarten für Asylbewerber: Kein Geld mehr nach Hause schicken?

Neue Bezahlkarten könnten Asylbewerbern das Geldsenden erschweren. Ein Schritt zur Kontrolle oder zur Isolation? Die Debatte ist entbrannt. Ein Kommentar.

Trotz der Einigung von Bund und Ländern auf eine Bezahlkarte für Asylbewerber Ende Januar gibt es jetzt Krach in der Ampelkoalition. Im Kern der Auseinandersetzung steht die Frage im Raum, ob die Einführung des neuen Bezahlsystems eine bundesgesetzliche Regelung benötigt.

Die Kontroverse um Bezahlkarten: Grüne gegen Bundesgesetz

Der Streit ging los, nachdem die Grünen erklärt hatten, sie sähen keine Notwendigkeit für ein Bundesgesetz, da die Bundesländer über alle rechtlichen Möglichkeiten verfügten, die sie benötigen. Die grüne Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic hatte in diesem Zusammenhang auf die begonnene Einführung der Bezahlkarte in Hamburg und die in zwei Wochen geplante Einführung in Bayern verwiesen.

Hannover hatte sogar bereits am 8. Dezember 2023 die "SocialCard" vorgestellt. Die funktioniert allerdings ausdrücklich ohne Einschränkungen, und das Geld wird einfach als Guthaben monatlich auf die Karte gebucht.

Hannovers SocialCard: Ein Modell für finanzielle Inklusion von Geflüchteten?

Damit kommt die SocialCard Hannovers den Vorstellungen von finanzieller Inklusion für Geflüchtete recht nahe, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen entwickelt haben.

Denn Bargeld ist oft auch keine Lösung für die besonderen Lebenssituationen dieser Gruppen.

Die jetzt geplanten Bezahlsysteme schließen allerdings Auslandsüberweisungen aus und begrenzen – wie in Hamburg – unter Umständen auch Barabhebungen. So soll hauptsächlich verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen.

Christian Lindners Vision: Bezahlkarten als Anreiz zur Ausreise?

Noch weiterreichende Erwartungen an das neue Bezahlsystem richtet FDP-Chef Christian Lindner, der sich gegenüber dem Münchner Merkur von der grünen Position überrascht zeigte.

Lindners Meinung nach könne die Bezahlkarte dazu beitragen, dass eine erhebliche Zahl an Asylbewerbern ausreisen werde, weil "unser Sozialstaat plötzlich nicht mehr so attraktiv ist".

Um auch jene Asylbewerber mit Bezahlkarten ausstatten zu können, die nicht in Aufnahmeeinrichtungen leben, fordert die FDP das Bundesgesetz. Dazu müsste im Asylbewerberleistungsgesetz der Vorrang von Geldleistungen bei der Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen gestrichen werden.

Zwischen Koalitionskrach und politischer Realität: Die Zukunft der Bezahlkarte

In der Debatte werden schwere Geschütze aufgefahren. Lindner hatte sich in dem Zusammenhang auf den Konsens aller demokratischen Parteien berufen, sein Parteifreund und FDP-Vize Wolfgang Kubicki sogar mit dem Bruch der Ampelkoalition gedroht.

Kubickis Meinung nach trügen die Grünen dazu bei, dass sich immer mehr Menschen von der Politik der Bundesregierung abwendeten und an "der Problemlösungskompetenz demokratischer Institutionen" zweifelten.

Solche Zweifel kommen beim Überfliegen der Meldungen auf – allerdings aus ganz anderen Gründen. Glauben die Macher in Berlin und den Landeshauptstädten tatsächlich, an das, was sie da sagen? Jeder, der etwas von Migration versteht, weiß, dass soziale Netzwerke für Migranten überlebenswichtig sind.

Die Herausforderung der Umsetzung: Realität und politische Erwartungen

Allen Geflüchteten, die es überhaupt bis nach Deutschland geschafft haben, kann man getrost erhebliche soziale Kompetenz unterstellen. Es sollte ihnen gelingen, jemanden zu finden, der bereit ist, Tauschgeschäfte mit ihnen zu machen und ihnen so zu Bargeld zu verhelfen. Durch die elektronischen Bezahlplattformen sind hier weitere, einfach zu handhabende Möglichkeiten entstanden.

Natürlich kann man nicht gegen ein Gesetz mit dem Argument zu Felde ziehen, dass es leicht zu umgehen sei. Man sollte Regelungen aber auch nicht, wie Lindner, mit unrealistischen Erwartungen überfrachten, weil die Behauptungen gerade so schön ins politische Tagesgeschäft passen.

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