Billigarbeit: Strafgefangene statt Immigranten

Nachdem in Colorado das schärfste Immigrationsgesetz in den USA in Kraft getreten ist, fehlen die "illegalen Immigranten" als billige Arbeitskräfte in der Landwirtschaft

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Die USA wollen den Strom von Migranten aus Mexiko mit dem Bau von weiteren Sicherheitszäunen, elektronischer Überwachung, Drohnen, der Nationalgarde und mehr Grenzschutzpersonal reduzieren. Umstritten ist noch, wie mit den bis zu 15 Millionen illegalen Migranten verfahren werden soll, die bereit ins Land gekommen sind. Die Bush-Regierung vertritt unter dem Druck der Wirtschaft, die sich die billigen Arbeitskräfte sichern will, die Politik, Einwanderer, die Arbeit haben, sich melden und eine Strafe zahlen, eine befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu gewähren und nach einigen Jahren auch eine Einbürgerung in Aussicht zu stellen. Die Kontrollen im Inland sollen gleichzeitig verstärkt und die Abschiebungen beschleunigt werden. Es soll also ein Kompromiss zwischen einer (unrealistischen) Massenabschiebung und einer (politisch nicht durchsetzbaren) Amnestie für alle gefunden werden.

Modell für eine Grenzzaunanlage. Bild: Phil Gingrey

Die Konservativen kritisieren diesen Plan, argumentieren mit der Bedrohung der Arbeitplätze für US-Amerikaner und fordern eine möglichst umfassende Abschiebung und eine konsequente Bestrafung für die Beschäftigung illegaler Einwanderer. Da die Kontrollen und Abschiebungen bereits verstärkt wurden, ergeben sich schon jetzt Folgen für die Wirtschaft in den Staaten, die an der Grenze von Mexiko liegen, in denen viele illegale Immigranten zu niedrigen Löhnen beschäftigt oder ausgebeutet wurden. Drastisch scheint dies nun besonders in Colorado zu sein, wo seit kurzem August Ritter, ein Demokrat, als Gouverneur regiert. Letztes Jahr wurde dort ein strenges Immigrationsgesetz verabschiedet, das zum 1. Januar in Kraft getreten ist. So müssen beispielsweise Erwachsene eine Aufenthaltsgenehmigung nachweisen, wenn sie von staatlichen Stellen Unterstützung erhalten oder medizinisch behandelt werden wollen. Vor allem müssen die Arbeitgeber sicherstellen, dass ihre Arbeiter legal im Land sind und deren Sozialversicherungsnummern überprüfen. Die Polizei führt Razzien durch, bei Zuwiderhandlung drohen empfindliche Geldstrafen.

Der Druck auf die Einwanderer und die Arbeitgeber scheint schnell gewirkt zu haben. Vor allem in der Landwirtschaft fehlen jetzt zu Frühlingsbeginn die billigen Arbeitskräfte. Noch in diesem Monat will man daher den Arbeitskräftemangel mit dem Start eines bislang in den USA einmaligen Programms entgegenwirken, das von der Gefängnisbehörde Colorados ausgeht. Anstatt der illegalen Einwanderer sollen Strafgefangene unter Bewachung auf die Felder geschickt werden. In Pueblo soll der Beginn mit mehreren Farmen gemacht werden. Die demokratische Abgeordnete Dorothy Butcher, Initiatorin des Programms, erklärte, die Maßnahme habe das Ziel, die durch den Arbeitskräftemangel gefährdete Landwirtschaft zu unterstützen. Farmer sagen, sie würden weniger anbauen oder die Landwirtschaft gar ganz einstellen. Die Strafgefangenen, so die Begründung der Politiker, könnten durch das Programm an harte Arbeit gewöhnt werden und Dinge lernen, die sie nach ihrer Haft zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft brauchen. So wäre aus dieser Sicht der Wirtschaft und den Strafgefangenen geholfen.

Gefangene, die nicht als gefährlich eingestuft sind, können sich für die Arbeit bewerben und erhalten 60 Cents am Tag dafür, Melonen, Zwiebeln oder andere Früchte zu ernten oder anzupflanzen. Die Aufsicht über die Arbeitsgruppen mit 10 oder 20 Mann muss von den Landwirten bezahlt, kann aber ausgehandelt werden. Auch die Fahrtkosten vom Gefängnis und zurück sowie die Mahlzeiten müssen von den Arbeitgebern bezahlt werden. Im Gespräch sind 9,60 US-Dollar, die Landwirte stündlich pro Mann, alle Kosten inklusive, zahlen müssten, mehr als der Mindestlohn, der in Colorado bei 6,85 US-Dollar liegt. Die Landwirte beschweren sich bereits, so berichtet die Los Angeles Times, dass ihnen das teurer zu stehen komme, als wenn sie illegale Immigranten beschäftigen. Während die Landwirte offenbar noch verhandeln wollen, um die Kosten zu senken, begrüßen sie prinzipiell das Programm, schließlich sind Strafgefangene besser als keine Arbeiter und günstiger als anständige Löhne. Auf scharfe Kritik stößt der Plan von anderer Seite. "Wenn sie keine Sklaven aus Mexiko kriegen, wollen sie welche aus den Gefängnissen", kritisiert beispielsweise Mark Krikorian vom Center for Immigration Studies.

Straftäter anstatt billige illegale Immigranten zu beschäftigen, könnte zu einem ausbaufähigen Modell werden, schließlich sitzen in den USA relativ zur Bevölkerung mehr Menschen in den Gefängnissen als in jedem anderen Land der Welt. Man spricht bereits von einem Gefängnisindustriesystem, da die Privatisierung weit vorangeschritten ist und der Bau sowie der Betrieb von Gefängnissen zu einem Wirtschaftszweig wurden (Die Gefängnisbranche boomt, Vier Strategien zur Eindämmung der Gefängniskosten). 2005 waren fast 2,2 Millionen Menschen eingesperrt, Tendenz weiter steigend. 737 von 100.000 Menschen sitzen im Gefängnis, bei den Weißen sind 393 pro 100.000 Strafgefangene, bei den Latinos 957 und bei den Schwarzen 2.531.