Blair will Modernisierung der britischen Atomwaffen

Nach Angaben der britischen Times hat die britische Regierung heimlich in Kooperation mit den Amerikanern mit der Entwicklung neuer Atomwaffen begonnen

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Großbritannien entwickelt zusammen mit den USA heimlich eine neue Generation von nuklearen Sprengköpfen, berichtet die britische Times. Die britische Regierung wirbt dafür, dass wegen der neuen Bedrohung durch Terroristen das Atomwaffenarsenal erneuert werden müsse, wofür das Pentagon bereits seit dem Nuclear Posture Review Report von 2001 eintritt und versucht hat, entsprechende Entwicklungen einzuleiten (Neustart der US-Atomwaffen-Produktion). Der britische Verteidigungsminister John Reid hatte – ebenso wie Regierungschef Blair - Ende des letzten Jahres noch versprochen, dass die Entscheidung, die alten Trident-Atomraketen zu ersetzen, nicht heimlich fallen werde (Nukleare Aufrüstung).

Das Atomic Weapons Establishment in Aldermaston

Offenbar aber hat man mit der Entwicklung der neuen nuklearen Sprengköpfe im Atomic Weapons Establishment in Aldermaston bereits begonnen. Politisch nach der „strategischen Partnerschaft“ zwischen USA und Indien wieder ein katastrophales Signal für die Verhandlungen mit Iran und für die Verhinderung der Proliferation von Atomwaffen allgemein. Auch die Entdeckung, dass Großbritannien in den 60er Jahren heimlich Plutonium und andere Mittel heimlich nach Israel geliefert hat, das damit vermutlich sein Atomwaffenprogramm beschleunigen konnte, dürfte die Position des Westens weiter unglaubwürdig machen.

Im letzten Jahr wurde auch bereits bekannt, dass das Pentagon, das schon lange auch für die Entwicklung neuer taktischer Atomwaffen zur Zerstörung unterirdischer Anlagen (Das Pentagon will neuartige taktische Atombomben) wirbt und Atomwaffen auch unterhalb der Schwelle eines Atomkrieges einsetzen will, in der "Doctrine for Joint Nuclear Operations" den präventiven Einsatz von Atomwaffen plant. Die Notwendigkeit der Modernisierung der Atomwaffen wurde vom Pentagon immer wieder diskutiert (Arsenal neuer Atomwaffen). Dabei wurde auch überlegt, dass zum Testen neuer Atomwaffen Computersimulationen nicht ausreichen, sondern wieder wirklich durchgeführt werden müssen.

Die USA haben das Atomwaffentestabkommen nie ratifiziert und nach dem offiziellen Ende der unterirdischen Tests im Jahre 1992 ab 1997 insgesamt 22 weitere Atomwaffentests ausgeführt, die den Atomwaffentestvertrag nicht verletzen sollen, weil dabei keine Kettenreaktion ausgelöst, wohl aber Plutonium unterirdisch eingesetzt wird. Der letzte dieser „subkritischen“ Tests erfolgte am 26. Februar 2006 unter dem Namen Krakatau in Nevada. Der Test wurde zusammen mit dem britischen Atomic Weapons Establishment durchgeführt und sollte der Sammlung von „wissenschaftlichen Daten“ dienen, die für die „Sicherheit und Zuverlässigkeit“ der Atomwaffen notwendig seien, ohne neue unterirdische Tests machen zu müssen. Die USA und Großbritannien arbeiten nach dem umstrittenen, weil den Atomwaffensperrvertrag möglicherweise verletzten Mutual Defence Agreement in Bezug auf Atomwaffen zusammen (Amerikanisch-britische Atomwaffen-Partnerschaft).

Im März 2006 wurde vom britischen Foreign Policy Centre (FPC) ein Bericht von Dan Plasch über die Zukunft der britischen Massenvernichtungswaffen veröffentlicht. Hier wird auf die tiefreichende Abhängigkeit Großbritannien von den USA bei den Atomwaffen seit dem Zweiten Weltkrieg hingewiesen. Sie würde weiter verstärkt, wenn Großbritannien die Trident-Atomraketen durch neue Atomwaffen ersetzen würde, weil dies nur in enger Kooperation mit den USA geschehen könne und die unabhängige Entwicklung von neuen Atomwaffen unmöglich sei. Plasch plädiert für die Verschrottung der Trident-Raketen, die im übrigen noch 20 Jahre einsetzbar wären, und fordert, diese nicht zu ersetzen, weil damit der politische Handlungsspielraum Großbritanniens im 21. Jahrhundert schwerwiegend durch die Abhängigkeit von den USA beeinträchtigt wurde. Großbritannien sollte hingegen wieder die multilateralen Abrüstungsverhandlungen der 90er Jahre aufnehmen, da die Welt nicht endlos weiterhin eine unkontrollierte Aufrüstung betreiben könne, wie sie die USA, Frankreich und Russland, aber China, Indien, Pakistan und Israel machen, ohne dass es irgendwann auch zu einem Atomkrieg komme.

Linton F. Brooks, der Leiter der National Nuclear Security Administration (NNSA), hatte am 7. März dem Verteidigungsausschuss des Repräsentantenhauses berichtet, dass man innerhalb von 18 Monaten zur Entwicklung neuer Atomwaffen bereit sein und drei oder vier Jahre nach einem Beschluss mit dem Entwurf, der Entwicklung und der Produktion neuer Atomwaffen starten wolle. Die Produktionsanlagen sollen bis 2030 imstande sein, neue Atomsprengköpfe zu produzieren. Zuerst in Angriff genommen werden soll der sogenannte Reliable Replacement Warhead (RRW). Nach diesem im letzten Jahr mit einem Budget von 25 Millionen Dollar für 2006 bewilligten Programm sollen vom Lawrence Livermore National Laboratory und vom Los Alamos National Laboratory Modelle für die Herstellung der RRWs gemacht werden, bei denen nur einzelne Komponenten von getesteten Systemen durch neue ersetzt werden, um diese zu verbessern und einsatzfähig zu halten, ohne neue Tests durchführen zu müssen. Die Entscheidung, welches Modell verfolgt wird, soll demnächst fallen. Für 2007 wurden für das Programm 28 Millionen beantragt. Letztlich will man anstreben, so schnell neue Atomwaffensysteme herstellen zu können, dass man mit den „entstehenden geopolitischen Bedrohungen“ Schritt halten könne.

Nach Informationen der Times sind die Briten an der bislang geheimen Entwicklung solcher RRWs seit letztem Jahr bereits beteiligt, ohne dass die Regierung dies bislang bekannt gegeben hat. Angeblich seien die Briten technisch bereits weiter als die US-Amerikaner. Allerdings wird die Atomwaffenanlage Aldermaston von einem Konsortium unter der Leitung des US-amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin betrieben. Neben führenden Managern arbeiten hier auch viele amerikanische Wissenschaftler.

Für die Ersetzung der Trident-Atomwaffen müsste Großbritannien viele Milliarden Euro investieren, man geht von mindestens 15 Milliarden aus. Schon letztes Jahr wurde allerdings vermutet, dass die britische Regierung bereits Gelder dafür abgezweigt haben könnte. Die Times berichtet, es seien bereits Hunderte von Millionen von Pfund in die Forschung investiert und eine Menge neuer Wissenschaftler angestellt worden. Überdies wurde ein neuer Supercomputer bestellt, ein Cray XT3 mit einer Leistung von über 40 Teraflops. Kritiker sagen, die Regierung wolle das Programm unter Umgehung des Parlaments durchsetzen. Tony Blair scheint das atomare Aufrüstungsprojekt noch vor Ende seiner Amtszeit unter Dach und Fach kriegen zu wollen.