Bundestagswahl 2025: Einfluss "fremder Akteure" befürchtet
Für den Kampf gegen Desinformation kooperiert die Ampel auch mit fragwürdigen Organisationen. Wird eine freie Meinungsbildung noch möglich sein?
Berlin ist alarmiert. Für die Bundesregierung steht die bevorstehende Bundestagswahl 2025 schon jetzt unter dem düsteren Vorzeichen ausländischer Desinformationskampagnen. Das geht aus ihrer Antwort (Drucksache 20/12872) vom 9. September auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor.
Die Ampel-Regierung erachtet es demnach für "wahrscheinlich", "dass fremde Akteure versuchen werden, durch die Diskreditierung demokratischer Prozesse und das Schüren von Misstrauen in staatliche Stellen und die Unabhängigkeit der Medien Einfluss zu nehmen".
Diese Warnung vor dem Einfluss "fremder Akteure" folgt wenige Monate, nachdem unter anderem Georgien von einem Großteil der westlichen Staatengemeinschaft für sein Gesetz gegen ausländische Einflussorganisationen scharf kritisiert wurde. Über den Vorwurf der Nachahmung eines "russischen Gesetzes" und den Zusammenhang mit dem Foreign Agents Registration Act der USA hat Telepolis an anderer Stelle berichtet.
Warnung vor dem Einfluss "fremder Akteure"
Die Vorzeichen sind auch noch aus einem weiteren Grund düster. Denn die Sorge vor ausländischer Einflussnahme könnte staatlichen Stellen einen Vorwand bieten, zu versuchen, auch "unerwünschte" Informationen im Vorfeld der Wahlen zu kontrollieren.
Drohen hierzulande "amerikanische Verhältnisse", wie sie sich 2016 anhand der – eher mäßig erfolgreichen – Wahleinmischung Russlands oder der Berichterstattung über den Laptop des Präsidentensohnes Hunter Biden manifestierten?
Wenig verwunderlich stehen für die Bundesregierung (wie auch für die Unionsparteien) besonders die Sozialen Medien im Fokus des Desinformationskampfes. Deren Verbreitungsdynamik könnte in Kombination mit automatisierten Prozessen dort einen erheblichen Schaden verursachen, wo sie das Vertrauen in staatliche Institutionen und demokratische Prozesse erschütterten.
"Prorussische Narrative" rücken deutsche Politik "in schlechtes Licht"
Irritierenderweise vermerkt die Bundesregierung allerdings zugleich: "Aktuell liegen noch keine konkreten Erkenntnisse zu einer möglicherweise geplanten Beeinflussung der Bundestagswahl 2025 in Deutschland vor". Wohl aber bestehe das Potenzial.
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Kampf gegen Desinformation: Auch die USA haben ihre Hände im Spiel
Im Zentrum der Besorgnis stehen insbesondere Russland und China, die bereits in der Vergangenheit durch Einflusskampagnen aufgefallen seien. "Im Kontext der Bundestagswahl 2021 gab es vor allem seitens Russlands Versuche der indirekten Einflussnahme", heißt es vonseiten der Regierung.
Russische Staatsmedien hätten damals demzufolge versucht, CDU/CSU, SPD und insbesondere Bündnis 90/Die Grünen zu diskreditieren. "Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie" sei damals außerdem ein "erhebliche(s) Ausmaß u. a. russischer Desinformation" zu verzeichnen gewesen.
Twitter-Files und Zuckerbergs Zensur-Eingeständnis
Die sogenannten Twitter-Files oder das kürzlich erfolgte Zensur-Eingeständnis von Meta-Chef Mark Zuckerberg führen allerdings zu der Frage, inwieweit "unerwünschte" Information schon länger – etwa während der Corona-Krise – zusammen mit Desinformationen verschwinden.
Gleiches gilt, und weit über die Corona-Krise hinaus, für die zuletzt freigeklagten Dokumente zur britischen Counter Disinformation Unit, die etwa von der britischen NGO Open Democracy 2023 für die Zensur journalistischer Beiträge während der Corona-Krise kritisiert wurde.
Auch bei der Europawahl 2024 soll Russland der Bundesregierung zufolge bekannte Desinformationsnarrative gestreut haben. Neben Russland und China wird auch der Iran als Akteur mit potenziellen Einflussambitionen genannt.
Doppelgänger als Wiedergänger?
Als einschlägige Beispiele führt die Bundesregierung etwa Versuche an, die Unterstützung Deutschlands und seiner Partnerstaaten für die Ukraine zu untergraben. Die Bundesregierung bezieht sich in diesem Zusammenhang auch auf die sogenannte "Doppelgänger-Kampagne", bei der unter anderem animierte Kurzvideos auf Plattformen wie TikTok, die Politik westlicher Staaten in ein schlechtes Licht gerückt hätten.
Diese Kampagne war auch Gegenstand eines Berichts des bayrischen Verfassungsschutzes, in dem auch Telepolis und die Berliner Zeitung als willkommene Quellen "prorussischer Narrative" aufgeführt wurden. Letztere reagierte auf die potenzielle Diskreditierung umgehend – und erfolgreich – mit der Forderung nach einer Richtigstellung.
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Bei aller Aufregung um die Kampagne sollte allerdings festgehalten werden: Die Bundesregierung schätzt sie ihrer Antwort zufolge als "wenig erfolgreich" ein.
Auch die Plattform TikTok hebt die Bundesregierung in ihrer Antwort an die Unionsfraktion als potenziellen Kanal für Desinformation und Manipulation besonders hervor. "Es besteht die Gefahr, dass staatliche chinesische Stellen weitreichenden Zugriff auf Daten von TikTok haben," heißt es in der Antwort der Bundesregierung. TikTok, betrieben vom chinesischen Unternehmen ByteDance, hat in Deutschland etwa 20,9 Millionen Nutzer.
Handlungsfähigkeit gewährleisten
Um der Desinformation entgegenzuwirken, ergreift die Bundesregierung vielfältige Maßnahmen. Dazu zählt die Einrichtung einer "Zentralen Stelle zur Erkennung ausländischer Informationsmanipulation" (ZEAM), die im Juni 2024 ihre Arbeit aufgenommen hat.
Das Amt soll "die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung gegenüber aus dem Ausland gesteuerten Manipulations- und Einflusskampagnen im Informationsraum zum Schutz des freiheitlich-demokratischen Diskurses (…) gewährleisten".
Darüber hinaus arbeitet die Bundesregierung im Kampf gegen die Desinformation eng mit verschiedenen Organisationen und internationalen Partnern zusammen.
Zusammenarbeit mit der Nato
Hervorzuheben sind die Kooperationen mit der Division Strategic Communication des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) und die Nutzung der Plattform Rapid Alert System (RAS) zum Austausch von Informationen über ausländische Informationsmanipulation, aber auch internationale Formate wie das Internet Governance Forum der Vereinten Nationen (IGF), die Global Partnership on Artificial Intelligence (GPAI) oder die von USA, UK und den Niederlanden gestützte International Partnership to Counter State-Sponsored Disinformation (IPCSD).
Besondere Beachtung verdient die direkte Zusammenarbeit mit der NATO und dessen StratCom Centre of Excellence, über dessen zweifelhafte Einstufung von Desinformation Telepolis bereits eine ganze Reihe von Beiträgen veröffentlicht hat (siehe etwa hieroder hier).
Auch nationale zivilgesellschaftliche Organisationen sollen der Bundesregierung zufolge eingebunden werden, darunter auch umstrittene NGOs wie die Amadeu Antonio Stiftung und das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS).
Direkte Ansprache Berlins an Plattformbetreiber
Mit dem Ziel der Moderation wende sich die Bundesregierung zum Teil auch direkt an die Plattformbetreiber und bringe diese mit den jeweiligen NGO zusammen, heißt es in der Antwort.
So habe die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Juliane Seifert, am 17. Mai 2024 einen Austausch "zum Schutz der Europawahl im Informationsraum" mit Vertretern von TikTok, Meta, Google, YouTube und SoundCloud einerseits und Vertretern von CeMAS, Amadeu-Antonio-Stiftung, der Digital-Services-Act-Lobbyorganisation Reset Tech und dem der Nato nahstehenden Institute for Strategic Dialogue (ISD) Germany geleitet.
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