Bundeswehr-Kampagne "Was zählt": Werben für den Krieg

Seite 2: Immer noch zu wenige wehrfähige Deutsche in den Kasernen

Und nun auch selbst sich für einen etwaigen Kampf zu rüsten – materiell und mental. Die Aufrüstung der Bundeswehr ruft deshalb keine Friedensbewegung zu Hunderttausenden auf den Plan, wie noch vor rund 40 Jahren gegen die Nachrüstung mit Mittelstreckenraketen.

Allerdings lässt der Zulauf in die Kasernen immer noch zu wünschen übrig. Die Kriegsbereitschaft der wehrfähigen Deutschen hat noch viel Luft nach oben, trotz bereits zahlreicher Werbekampagnen für die Bundeswehr.

Eine neue Kampagne muss also her. Und seit Mitte vergangenen Jahres läuft sie: "Was zählt" lautet ihr Leitmotiv. Das ist zwar nicht neu, auch die vorigen Werbeaktionen arbeiteten mit diesem Claim.

Nun jedoch kommt sie betont realistisch daher. Das war schließlich ein Hauptkritikpunkt gewesen, unter anderem von der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD). Die bisherigen Kampagnen suggerierten, "dass es Spaß macht, dass man dort Ausbildung machen kann". Dabei könne es nun wirklich ernst werden, was manchen Soldaten erst am 24. Februar 2022 klar geworden sei (ebenda).

Vorbei die Zeiten, als es noch im Bundeswehr-Journal 2015 hieß:

Junge Menschen fragen heute immer mehr nach dem Sinn ihrer Arbeit und was ihnen diese neben einem Einkommen eigentlich bringt. Darauf haben wir in der Bundeswehr starke Antworten. Die Bundeswehr bietet als Arbeitgeber vielfältige und attraktive Möglichkeiten.

Obwohl, das mit dem Sinn ist nicht ganz gestrichen – sondern auf einen schlichten Satz reduziert1:

Deutschland braucht eine starke Bundeswehr. Arbeite mit uns daran.

Die Agentur Castenow hat diese zeitgemäße Antwort auf die Sinnfrage gefunden. So kam sie darauf:

Mit der neuen Imagekampagne wollen wir wesentliche Fragen unserer Zeit aufwerfen und Haltung zeigen. Und zwar mit aktivierenden Text- und emotionalen Bildmotiven, mit "Was zählt?-Fragen" und starken Persönlichkeiten. Dabei bilden wir Angehörige der Bundeswehr "on the Job" ab und vermitteln einen plastischen Eindruck, wie Menschen die Zeitenwende bei der Bundeswehr gestalten.

Für Menschen, denen die Formulierungen gehobener Public Relations vielleicht nicht so geläufig sind, hier die Übersetzung: Die Kampagne plappert die aktuellen politischen Ansagen über die Bedrohung durch den Feind im Osten nach ("wesentliche Fragen unserer Zeit") und steht deshalb stramm dahinter ("Haltung zeigen").

Die Zielgruppe – junge, wehrfähige Männer, gern auch Frauen – wird mit Fragen nach dem Muster "er oder ich" umworben. Denn wenn der Feind vor der Tür steht, was zählt? Da muss man doch schießen, oder? Echte Krieger werden in Aktion gezeigt ("on the job"), und das scheint wirklich gut zu laufen, so entschlossen, wie die aussehen ("plastischer Eindruck").

Das hat also Olaf Scholz mit "Zeitenwende" gemeint: Junge Menschen, die zur Bundeswehr gehen, um die Feindschaft Deutschlands gegen Russland mit Leben zu füllen – oder es verlieren, wenn es falsch läuft.

Die Verbreitung der Kampagne ist selbstverständlich professionell organisiert: "(Sie) wird national auf analogen und digitalen Plakatmotiven und auf Riesenpostern an strategisch wichtigen Stellen in ganz Deutschland ausgespielt. Eine Landingpage klärt weiter auf, was die Bundeswehr bereits leistet und welchen Beitrag jede und jeder selbst dazu leisten kann." (ebenda)

Ein Videospot steht dabei im Zentrum und listet die zentralen "Was zählt"-Fragen auf. Unterlegt mit einem bedrohlichen, martialischen Sound, der in mehreren Sequenzen alle Bereiche der Bundeswehr in spektakulären Filmaufnahmen zeigt.

Er beginnt mit:

Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?

Da darf man sich natürlich nicht fragen, wer '"wir" sind. Alle Menschen halt, die qua Personalausweis dem deutschen Staat unterstehen, deshalb gefälligst sich seine Interessen zu eigen machen und dafür Angehörige von zu Feinden erklärte Nationen umbringen.

Abweichende Meinungen sind da nicht vorgesehen von der Art: Man fühlt sich dem "wir" nicht zugehörig. Undenkbar, weil wenn Deutschland seine Interessen gegen andere Staaten durchsetzen will, haben alle Deutsche dafür mit ihrem Leben einzustehen. Entweder freiwillig oder erzwungen.

Interessant auch das "wieder" in dem Spruch: Auf welche Vergangenheit nimmt er Bezug? Etwa der Kalte Krieg mit der Drohung atomarer Vernichtung oder die Zeit zwischen 1939 und 1945, als Deutschland seine "Stärke" in ganz Europa eindrucksvoll unter Beweis stellte …? Wie dem auch sei, in beiden Fällen bedeutet "wieder Stärke zeigen" die Vorbereitung auf Krieg.

Von "müssen" kann übrigens keine Rede sein. Es liegt ganz in der Entscheidung der führenden Politiker, ob und wie sie ihre Gegensätze gegenüber Herrschaften anderer Länder austragen. Nur wenn sie beschließen, Konflikte mit Gewalt zu "lösen", "müssen" sie "Stärke zeigen".

Die folgenden Fragen im Spot folgen der gleichen Logik: Irgendwie hat sich die Lage verändert, und Deutschland "muss" darauf reagieren. Es ist kein maßgeblicher Akteur im Geschehen, sondern wird mit einer neuen Situation konfrontiert. Als hätte Deutschland damit nichts zu tun, "muss" aber nun, leider, leider, sich dazu stellen:

Wenn die Welt um uns rauer wird?

Schlimm, vorher lief ja auch für Deutschland alles so schön glatt. Man hatte doch die Russen im Griff, dachte man. Und nun schießen sie quer, und auch die Chinesen sind nicht ohne.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.