Bundeswehr: Militärische Traditionspflege im Land von Hitlers Wehrmacht
Pläne könnten NS-Vergangenheit wieder salonfähig machen. Droht eine schleichende Rehabilitierung? Wie weit darf Tradition gehen?
Die geplante Änderung in der Traditionspflege der Bundeswehr hat bislang wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, birgt jedoch erhebliches Konfliktpotenzial. Diese Änderung könnte es der Bundeswehr ermöglichen, sich weiterhin auf Militärs mit NS-Vergangenheit zu berufen.
Ein Blick auf die historische Entwicklung der Bundeswehr zeigt, dass sie ohne die Integration ehemaliger Wehrmachtsangehöriger, die in vielen Ländern an Verbrechen für das NS-Regime beteiligt waren, kaum existiert hätte.
Der 2018 reformierte Traditionserlass stellte klar, dass die Wehrmacht insgesamt nicht traditionswürdig sei und die Bundeswehr sich nur auf Personen berufen solle, die am militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt waren.
Dieser Ansatz war jedoch schon damals umstritten, da auch viele der Männer des 20. Juli nicht nur überzeugte Nazis waren, sondern auch an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sind. Nun soll der Erlass durch ergänzende Hinweise weiter aufgeweicht werden, sodass künftig alle Militärs, die nach 1945 am Aufbau der Bundeswehr beteiligt waren, wieder traditionswürdig sein könnten.
Militärische Wende und NS-Rehabilitierung
Diese Entwicklung ist konsequent, da die Bundeswehr sonst ihr eigenes Gründungspersonal infrage stellen müsste. In einer Zeit, in der viel von Widerstand gegen rechts die Rede ist, stößt die offizielle Rehabilitierung der braunen Wurzeln der Bundeswehr jedoch kaum auf Kritik.
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Ein kritischer Artikel in der taz beleuchtet den Kontext dieser Rehabilitierung und weist darauf hin, dass die Bundeswehr die von Verteidigungsminister Boris Pistorius proklamierte Kriegsfähigkeit angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine stärker betonen will.
Schlacht bei Kursk – wenn das der Naziopa noch erlebt hätte!
Der Vorstoß der Ukraine auf russisches Territorium könnte bei nicht wenigen Wehrmachtssoldaten alte Erinnerungen wecken. Die Schlacht um Kursk 1943 war eine der blutigsten Episoden des Zweiten Weltkriegs.
Niemand in den deutschen Medien fragt, wie es den Menschen in der Region geht, die damals die Wehrmacht und ihre Verbündeten erlebt haben, wenn heute wieder Soldaten ins Land kommen, mit nationalistischen Symbolen und Schlachtrufen, die sie damals schon gehört haben. So viel Empathie mit den ehemaligen Opfern ist von den selbst ernannten Weltmeistern der Geschichtsaufarbeitung, den Deutschen, nicht zu erwarten.
Pazifismus – ein Irrweg?
Zu den Kennzeichen der militaristischen Wende gehört auch die Diffamierung des Pazifismus. Der Publizist Gerald Grüneklee verteidigt in seinem Buch "Nur Lumpen werden überleben" den Pazifismus vehement.
Auch der Journalist Pascal Beucker wendet sich in seinem Buch "Pazifismus ein Irrweg?" gegen das Pazifisten-Bashing. Bei einer Veranstaltung in der taz betonte Beucker, dass er weiterhin keine Waffe in die Hand nehmen würde und allen Militärapparaten distanziert gegenübersteht.
Wehrpflicht auch in Westdeutschland
Was in der Diskussion oftmals untergeht: Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Bundesrepublik bedeutete nicht, dass keine Menschen gegen ihren Willen zur Bundeswehr mussten. Menschen wie der Pazifist Hermann Brinkmann zerbrachen daran, dass ihr Antrag auf Kriegsdienstverweigerung abgelehnt wurde.
Eine Graphic Novel hat seine Geschichte dem Vergessen entrissen. Diese Erinnerung ist umso wichtiger, da bereits erste Schritte in Richtung Wehrpflicht getan werden.
Unterschiedliche Formen des Pazifismus
Beucker sprach kenntnisreich über verschiedene Formen des Pazifismus und unterschied den revolutionären Pazifismus eines Carl von Ossietzky vom Vernunftpazifismus einer Bertha von Suttner.
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Er lieferte auch die wenig bekannte Information, dass Mahatma Gandhi sich nicht scheute, zum Militärdienst aufzurufen, sich selbst aber davon ausnahm. Ein so verstandener individueller Pazifismus ist fragwürdig, wie auch die tragische Geschichte Albert Einsteins zeigt, der nach 1933 zu der Überzeugung gelangte, dass der Nationalsozialismus nur militärisch zu besiegen sei.
Pazifismus ist kein Verbrechen
Die Veranstaltung in der taz wurde zu realpolitisch, wenn Beucker Vorschläge machte, wie die Bundeswehr für junge Leute attraktiver gemacht werden könnte. Aber sollte das Pazifisten wirklich beunruhigen? Glücklicherweise lieferten Pazifisten aus dem Publikum, darunter Mitglieder der Internationale der Kriegsgegner, die richtigen Stichworte.
Krieg im Namen der Selbstbestimmung und Selbstverteidigung?
Von den verschiedenen Strömungen des Pazifismus unterschied Beucker zu Recht die Antimilitaristen. Diese sind Gegner von Krieg und Militarismus, die nicht grundsätzlich jeden Einsatz von Waffen ablehnen. Zufälligerweise fand zeitgleich zur taz-Veranstaltung eine Diskussion über "Krieg im Namen von Selbstbestimmung und nationaler Selbstverteidigung?" statt, die den Zusammenhang zwischen Krieg und den kapitalistischen Interessen der verschiedenen Länder beleuchtete.
Trotz der militärischen Zeitenwende und mitten im Sommerloch konnten die Verfechter des Pazifismus und Antimilitarismus gut besuchte Veranstaltungen organisieren. Die Diskussion soll auf dem antimilitaristischen Camp in Kiel fortgesetzt werden.