China tritt auf die Bremse ...
... und die Drosselung des Motors der Weltwirtschaft führt zur großen Verunsicherung
Noch vor wenigen Jahren wären scheinbar kleine Veränderungen in China spurlos an den Finanzplätzen weltweit vorbeigegangen. Der durchschnittliche Verbraucher hätte niemals erfahren, dass in Peking die Zahl der Neuzulassungen für Autos halbiert werden soll, um das Verkehrschaos in der chinesischen Hauptstadt einzugrenzen. Dazu kommt, dass die Notenbank des Landes den Leitzins erhöht hat.
Die beiden Schritte führten sogar in der sonst ruhigen Börsenzeit zwischen Weihnachten und Neujahr zu hektischen Ausschlägen und das zeigt die große Nervosität an, die trotz der angeblichen Feierlaune auch in Deutschland herrscht. So war am Montag der DAX-Future in Frankfurt plötzlich heftig in die Tiefe gerauscht, weshalb der Handel mit dem Papier sogar zeitweise ausgesetzt wurde, um eine Panik zu verhindern. Zwar konnte sich der DAX zum Börsenschluss am Montag wieder in ein leichtes Plus retten, doch sowohl in den USA als auch im Handel in Fernost schlossen die Börsen allesamt im Minus.
Beiden Entscheidungen in China werden deutliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Weltwirtschaft haben. Das ist deshalb so, weil die Beschlüsse der Stadtregierung von Peking oft Modellcharakter haben und von anderen Städten sekundiert werden. Auch deshalb wird erwartet, dass der zuletzt kräftig boomende chinesische Absatzmarkt für Autos kräftig einbrechen wird. Zudem läuft im Reich der Mitte zum Jahresende die Abwrackprämie aus. Ohnehin hatten Vorzieheffekte dazu geführt, dass in China die Verkäufe von Personenwagen im November 2010 sogar um 30% angestiegen waren. Bis November waren allein in China im laufenden Jahr 10,2 Millionen Fahrzeuge verkauft worden. Das waren sogar 37% mehr als im Vorjahr.
Bekannt ist aus Europa und den USA, dass die Nachfrage nach Autos mit dem Auslaufen von Abwrackprämien einbricht. So stagniert die Nachfrage in Deutschland und scheint sich gerade langsam wieder zu stabilisieren. Allerdings befinden sich die Absatzzahlen in einigen EU-Ländern weiter im freien Fall. In Frankreich wurde im November einen Verkaufsrückgang von 11% verzeichnet, in Italien waren es schon 21% und im extrem von der Krise geschüttelten Spanien liegt der Rückgang sogar noch über 25%. Die hohen Spritpreise tragen ebenfalls nicht zur Kauflaune in der gerade für Deutschland so bedeutsamen Industrie bei.
Experten wie der Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) vermuten deshalb, dass die Party im Automobilbau schon wieder vorbei sein dürfte. Willi Diez schreibt in einer Analyse, aus der die Südwest Presse zitiert, es bestehe "die große Gefahr, dass die fundamentalen Risikofaktoren für das Automobilgeschäft in der näheren Zukunft übersehen oder zumindest unterschätzt werden". Er sagt voraus, dass 2011 zu einem "durch Überkapazitäten geprägten Autojahr" wird.
Er führte in seiner Analyse China als Problemfeld sogar schon an, obwohl Diez die neuen Schritte in China noch nicht gekannt hat. Zu der geplanten deutlichen Begrenzung der Neuzulassungen wird sich die Anhebung der Leitzinsen ebenfalls drosselnd auf den Automarkt auswirken. Denn zum zweiten Mall in nur acht Wochen hat die chinesische Notenbank nun den Leitzins auf nun schon 5,81% angehoben. Damit soll die Kreditnachfrage gebremst werden, was sich insgesamt dämpfend auf den Konsum auswirken wird. Die Regierung will energischer gegen die Blasenbildung und die hohe Inflation vorgehen, die in China im November auf 5,1% angewachsen ist. Sie ist damit schon deutlich über das ohnehin nach oben angepasste Inflationsziel von 3-5% angeschwollen.
Chinesische Immobilienblase
Auch in China hat sich dramatisch eine Immobilienblase aufgeblasen. Was die Folgen sind, wenn eine solche Blase platzt, davon können die USA, Spanien und Irland traurige Weihnachtsliedchen singen. Dass in den USA auch 2010 ein neuer Rekord beim Bankensterben aufgestellt wird, zeigt das weiter in aller Deutlichkeit an, auch wenn davon hier praktisch niemand mehr Kenntnis nehmen will. Am 17. Dezember wurden von der Einlagensicherungsbehörde (FDIC) erneut acht Banken geschlossen. Nach dem Rekord von 140 Banken, die 2009 in die Pleite stürzten, sind es 2010 bisher schon 157 Institute, die sich auf die Failed Bank List gewandert sind, die immer länger wird.
Das Platzen der chinesischen Blase hätte wohl unabsehbare Folgen für China und für die Einzelwirtschaften weltweit. Allerdings steigt angesichts der Geldschwemme auch in China nun bei den Verantwortlichen die Angst vor der Inflation deutlich. So hat Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao persönlich im Staatsfernsehen erklärt: "Die rasant gestiegen Preise stellen ein ernsthaftes Problem dar." Die Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen hätten immer größere Probleme, den Lebensunterhalt zu finanzieren, fügte Wen Jiabao an. Die Inflation zieht den Menschen genauso Kaufkraft ab, wie die steigenden Energiepreise. Aber vor allem Lebensmittel sind in China teuer geworden und dazu steigen die Preise für Immobilien weiter kräftig.
Auch China hatte die Geldpolitik gelockert, um die Finanzkrise zu bekämpfen. Fast 500 Milliarden Euro wurden über Abwrackprämie und andere Maßnahmen in die Wirtschaft gepumpt. Das hat dafür gesorgt, dass die auch in der Krise weiter stark gewachsene Wirtschaft überhitzt, die Japan als zweitgrößte Ökonomie abgelöst hat (Chinas überhitzte Wirtschaft). Die Banken gaben aber auch im laufenden Jahr weiter großzügig Kredite aus, womit die Blasenbildung am Immobilienmarkt weiter verstärkt wurde, die seit langem zu beobachten ist. 2009 war mit zehn Billionen Yuan (etwa eine Billion Euro) bei den Krediten ein neuer Rekord aufgestellt worden. Für 2010 war deshalb das Kreditvergabeziel von 7,5 Billionen Yuan begrenzt worden, dass nach Ansicht von Experten deutlich überschritten werden wird. Da alle bisherigen Versuche gescheitert sind, der Blasenbildung am Immobilienmarkt zu begegnen, wird nun mit Leitzinserhöhungen deutlich auf die Bremse getreten.
China leidet, wie viele andere Schwellenländer, auch unter der extrem lockeren Geldpolitik in den USA. Dort versucht die Notenbank (FED) mit ihrer "ratlosen" Politik, die Wirtschaft mit billigen Krediten anzukurbeln. Sie lässt die Notenpressen auf Vollgas laufen, um auch mit immer neuen Milliarden US-Staatsanleihen zu kaufen. Doch mit dem Schritt zur Inflationsbegrenzung fördert China mit den nötigen Leitzinserhöhungen, dass immer mehr heiße Dollars in das Reich der Mitte geschaufelt werden. Statt die Dollars produktiv anzulegen, wie sich die Regierung Obama verzweifelt erhofft, fließt viel Geld dorthin, wo hohe Zinsen geboten werden, wie in China.
Schon seit langem warnen Experten davor, dass sich deshalb die "Mutter aller Blasen" aufbläht. Vor fast genau einem Jahr wies der als "Mr. Doom" benannte Nouriel Roubini darauf hin, dass sich über die sogenannten Carry-Trades eine "Monsterblase" bildet. Der Professor an der Stern School of Business der Universität von New York, der die Finanz- und Wirtschaftskrise sehr genau vorhergesagt hatte, macht die lockere Geldpolitik der Notenbanken, allen voran der FED, dafür verantwortlich. Tatsächlich dürfte sich über die Tatsache, dass die FED weiterhin den Leitzins bei 0-0,25% hält und die Zinsen in anderen Ländern steigen, der Umfang der gefährlichen Carry-Trades weiter deutlich ausgeweitet haben. Wie alle Blasen wird auch diese irgendwann platzen. Stimmte die Ansicht von "Mr. Doom" erneut, führte das "zum größten koordinierten Vermögenskollaps der Geschichte".
Er geht davon aus, dass bei einem plötzlichen Wertzuwachs des Dollars, der gehebelte Carry-Trade plötzlich geschlossen werden muss, da Anleger ihre Dollar-Short-Positionen abdecken. "Es wird zu einer Massenpanik kommen, da das Decken riskanter gehebelter Long-Positionen über alle Vermögensklassen hinweg einen koordinierten Zusammenbruch all dieser risikobehafteten Vermögenswerte auslöst." So herum versteht man, warum sich die USA in den gefährlichen Währungskrieg stürzen. Es geht also nicht nur darum, den Dollar niedrig zu halten, um die US-Exporte zu verbilligen, sondern auch darum, das Platzen der Carry-Trade-Blase zu verhindern. Man darf gespannt sein, wie stark das Krisenpotential durch die Krisenbekämpfungsmaßnahmen weiter wächst.