China und die Präsidentschaftswahlen in Taiwan: Kein klarer Sieger in Taipeh

Anhänger der DPP in Taiwan. Bild: Hsu Shih-mou, CC BY-SA 3.0

Unabhängigkeitsbefürworter gewinnt – allerdings nur mit einfacher Mehrheit. Zugleich verliert seine Partei die Parlamentsmehrheit. Wie kann das sein?

In der Republik China, besser bekannt als Taiwan, hat William Lai Ching-te, der Kandidat der auf Unabhängigkeit setzenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Allerdings erreichte er nicht die absolute Mehrheit, sondern mit 40 Prozent nur die einfache Mehrheit der knapp 14 Millionen abgegebenen Stimmen, wie die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtet.

Nach dem Wahlrecht des De-facto-Inselstaates ist er damit gewählt, obwohl seine beiden Kontrahenten Ko Wen-je von der Taiwanesischen Volkspartei TPP und Hou Yu-ih für die Guomintang (KMT, Kuomintang in alter Umschrift) zusammen auf 59 Prozent kamen. Im vergangenen Herbst waren Verhandlungen zwischen den beiden Parteien über eine gemeinsame Präsidentschaftskandidatur gescheitert.

Die Anhängerschaft der beiden Parteien dürfte darüber einigermaßen enttäuscht sein, denn in einer wesentlichen Frage ist sich diese weitgehend einig: Sie möchte gerne am Status quo festhalten und keinen Konflikt mit der Volksrepublik China durch eine formale Unabhängigkeitserklärung riskieren.

Historische Wurzeln: KMT und die China-Frage

Insbesondere die KMT, deren Kandidat 33 Prozent der Stimmen bekam, geht wie die Regierung auf dem Festland weiter davon aus, dass es nur ein China gibt, die beiden Länder also langfristig wieder vereinigt werden sollten. Die Meinungsverschiedenheit mit Beijing (Peking) besteht lediglich im Wie.

Die Partei war einst der Kontrahent der Kommunistischen Partei im chinesischen Bürgerkrieg und zog sich, nach dem sie geschlagen war, 1949 mit ihrem Führungsstab und zahlreichen Anhängern nach Taiwan zurück. Schon 1947 hatte die KMT die dortige Bevölkerung mit einem schweren Massaker unterworfen, bei dem Tausende Insulaner getötet worden waren. Bis 1971 vertrat die Regierung in Taipeh China in den Vereinten Nationen und im Sicherheitsrat. Dann legte eine UN-Resolution fest, dass dieses Recht der Volksrepublik zusteht.

Von Diktatur zu Demokratie: Taiwans wechselhafte Geschichte

Auf Taiwan herrschte die KMT noch bis Ende der 1980er mit einer repressiven Diktatur, die ab Mitte der 1980er-Jahre durch Proteste der Arbeiter und Studenten mehr und mehr ins Wanken geriet.

Wie es nach dem Wahlabend weitergeht, ist weitgehend offen. Beijing hatte in den vergangenen Monaten mit Worten und militärischen Drohgebärden immer deutlicher gemacht, dass es eine Unabhängigkeit der Insel auf keinen Fall dulden würde. Unabhängigkeitsbefürworter in der DPP waren andererseits durch US-amerikanische Politiker und Waffenlieferungen immer wieder ermutigt worden.

Lais fragiler Sieg: Herausforderungen und Unsicherheiten

Lai mag zwar die Wahl gewonnen haben, aber hat offensichtlich keine Mehrheit der Bevölkerung, sondern nur 40 Prozent der Wähler hinter sich. In anderen Ländern, in Frankreich zum Beispiel, hätte es in einer solchen Situation eine Stichwahl gegeben. In dieser hätte Lai vermutlich wenig Chancen gehabt, denn seine beiden Hauptkontrahenten sind sich in der Frage des Verhältnisses zur Volksrepublik wesentlich näher.

Zugleich hat die DPP ihre Mehrheit im Parlament verloren und landet etwa gleich auf mit der KMT, die voraussichtlich mit der TPP eine knappe Mehrheit haben wird. Entsprechend waren Lais erste Äußerungen nach seinem Wahlsieg eher versöhnlich und schienen darauf gerichtet, die Regierung in Beijing zu besänftigen. Die Konfrontation müsse dem Dialog weichen, um Frieden und gemeinsame Prosperität zu gewährleisten. Was das heißen kann, werden die nächsten Wochen zeigen.

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