China wird Konflikt Russland versus Westen entscheiden
Seite 4: Der Schwenk Richtung Ukraine
- China wird Konflikt Russland versus Westen entscheiden
- Was Putin will?
- Wohin geht der Westen?
- Der Schwenk Richtung Ukraine
- Auf einer Seite lesen
Es gibt nie einen guten Zeitpunkt für einen Krieg.
Aber die Feindseligkeiten in der Ukraine sind genau zu dem Zeitpunkt aufgeflammt, an dem die Welt ihren Übergang zu einer sauberen Energiezukunft beschleunigen sollte. In weiteren drei Jahren müssen die Kohlenstoffemissionen ihren Höhepunkt erreichen, und in den nächsten acht Jahren müssen die Länder ihre Kohlenstoffemissionen um die Hälfte reduzieren, wenn sie die Ziele des Pariser Klimaabkommens bis 2050 noch erreichen wollen.
Schon vor dem aktuellen Krieg ging die beste Schätzung davon aus, dass der globale Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts katastrophale 2,7 Grad Celsius betragen könnte (fast das Doppelte des 1,5-Grad-Ziels des Abkommens).
Der Krieg in der Ukraine treibt die Welt mit voller Wucht in die entgegengesetzte Richtung. China und Indien setzen vermehrt auf Kohle, den schlimmstmöglichen fossilen Brennstoff, was die Kohlenstoffemissionen angeht. Europa versucht verzweifelt, russisches Erdöl und Erdgas zu ersetzen, und Länder wie Griechenland erwägen nun, ihre eigene Produktion von schmutziger Energie zu steigern.
In ähnlicher Weise kurbeln die Vereinigten Staaten die Öl- und Gasproduktion wieder an, geben Vorräte aus ihrer strategischen Erdölreserve frei und hoffen, die ölproduzierenden Länder davon zu überzeugen, noch mehr von ihren Brennstoffen auf die Weltmärkte zu pumpen.
Mit anderen Worten: Russland hat mit seiner Invasion dazu beigetragen, die bereits ins Stocken geratenen Bemühungen der Welt um eine Dekarbonisierung zum Scheitern zu bringen. Obwohl Putin sein Land im letzten Herbst zu einer kohlenstofffreien Politik bis 2060 verpflichtet hat, wäre der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen wirtschaftlicher Selbstmord, da er so wenig für die Diversifizierung der Wirtschaft getan hat. Und trotz der internationalen Sanktionen hat Russland mit dem Verkauf fossiler Brennstoffe ein Vermögen gemacht und in den ersten hundert Tagen des Krieges einen Rekordumsatz von 97 Milliarden Dollar erzielt.
All dies könnte natürlich darauf hindeuten, dass Wladimir Putin den letzten Atemzug der gescheiterten Petropolitik des zwanzigsten Jahrhunderts darstellt. Aber man sollte ihn noch nicht abschreiben. Er könnte auch der Vorbote einer Zukunft sein, in der technologisch hochentwickelte Politiker weiterhin ihre engstirnigen politischen und regionalen Ziele verfolgen, wodurch es für die Welt immer weniger möglich wird, den Klimawandel zu überleben.
Mit der Ukraine macht zeigt Putin, wo er steht. Was den Putinismus selbst betrifft – wie lange er anhält, wie überzeugend er sich für andere Länder erweist – hängt viel von China ab.
Nach Putins Einmarsch hätte Peking seinen Verbündeten aus voller Kraft unterstützen können, hätte versprechen können, alle fossilen Brennstoffe zu kaufen, die durch die westlichen Sanktionen verloren gegangen sind, hätte militärische Ausrüstung bereitstellen können, um die schwächelnde russische Offensive zu unterstützen, und hätte seine eigenen Beziehungen zu Europa und den Vereinigten Staaten abbrechen können. Peking hätte mit internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank und dem IWF brechen können zugunsten der Neuen Entwicklungsbank und der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank –, seinen eigenen multinationalen Organisationen. Auf diese Weise hätte die Ukraine zu einem echten Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West werden können.
Stattdessen hat China in einer Doppelrolle agiert. Es ist unzufrieden mit Putins unvorhersehbaren Schritten, einschließlich der Invasion, die Chinas wirtschaftliches Wachstum gestört haben. Die Führung ist auch beunruhigt über die Sanktionen gegen Russland, die das eigene Land in ähnlicher Weise einschränken. Peking ist noch nicht stark genug, um die Vorherrschaft des Dollars herauszufordern, und es bleibt auch von russischen fossilen Brennstoffen abhängig. China, der größte Treibhausgasemittent der Welt, hat eine enorme Infrastruktur für erneuerbare Energien aufgebaut. Die Windenergie erzeugte 2021 fast 30 Prozent mehr Strom als im Jahr zuvor, und die Solarenergie stieg um fast 15 Prozent. Dennoch hat sich die Gesamtabhängigkeit von Kohle und Erdgas aufgrund des wachsenden Energiehungers kaum verringert.
Da China auf russische Energieimporte angewiesen ist, wird es sich noch nicht vom Putinismus verabschieden, aber Washington könnte dazu beitragen, Peking in diese Richtung zu drängen. Einst träumte die Obama-Regierung davon, mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt bei sauberen Energieprojekten zusammenzuarbeiten. Anstatt sich wie bisher auf unzählige Möglichkeiten zur Eindämmung Chinas zu konzentrieren, könnte die Regierung Biden dem Land eine grüne Version eines älteren Vorschlags zur Schaffung eines chinesisch-amerikanischen Wirtschaftsduopols anbieten, diesmal mit dem Ziel, die Weltwirtschaft nachhaltig zu gestalten. Die beiden Länder könnten sich Europa anschließen und einen globalen Green Deal vorantreiben.
In den letzten Monaten war Präsident Joe Biden bereit, das bisher Undenkbare zu wagen, indem er sich wieder Venezuela und Saudi-Arabien zuwendete, um die Weltmärkte mit noch mehr Öl zu überschwemmen und so die steigenden Preise an den Tankstellen zu senken. Das ist die Mentalität des zwanzigsten Jahrhunderts.
Stattdessen ist es an der Zeit, dass Washington über eine ökologische Entspannung mit Peking nachdenkt, die unter anderem einen Pfahl durch das Herz des Putinismus treiben, die Souveränität der Ukraine sichern und verhindern würde, dass der Planet bis auf die Knochen verbrennt.
Ansonsten wissen wir, wie diese unselige Mahlzeit enden wird – als letztes Abendmahl für die Menschheit.
John Feffer ist Direktor von Foreign Policy In Focus am Institute for Policy Studies in Washington D.C. Er schreibt regelmäßig für TomDispatch. Feffer ist Autor des Buchts "Right Across the World: The Global Networking of the Far-Right and the Left Response".