Corona-Maßnahmen: Was die USA jetzt eingestehen müssen – und wie Deutschland schwurbelt
US-Report: Corona-Maßnahmen waren meist unwirksam. Ausschuss kritisiert Lockdowns, Masken und Impfpflicht. Was bedeutet das für Deutschland?
Während in Deutschland ein möglicher Untersuchungsausschuss über die Regierungspolitik in den Corona-Jahren frühstens in der nächsten Legislaturperiode – wenn überhaupt – beschlossen wird, veröffentlichte in den USA der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses vor wenigen Tagen seinen Abschlussbericht.
Vernichtende Kritik
Seit Februar 2023 hat der Unterausschuss 25 Anhörungen und Sitzungen abgehalten sowie mehr als eine Million Seiten an Dokumenten geprüft. Das Resultat ist ein 520 Seiten langer Bericht, der in ungewöhnlicher Schärfe insbesondere die Politik der Regierung Bidens kritisiert.
Die Schlussfolgerungen sind zahlreich, grundlegend und massiv. Sie lesen sich fast wie die Kritikliste einiger sogenannter Querdenker.
Laborthese
Insbesondere eine Erkenntnis des Untersuchungsausschusses gewann das mediale Interesse. Vielerorts wurde berichtet, dass der Covid-19-Virus aller Wahrscheinlichkeit nach einem Labor aus Wuhan in China entstammt. Eine Aussage, die lange Zeit ins Reich der Verschwörungstheorien abgeschoben wurde.
An dieser Stelle soll weniger die Begründung für diese Aussage interessieren, als eine Warnung, die in der Presseerklärung zur Veröffentlichung des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses formuliert wird:
Covid-19 ist höchstwahrscheinlich auf einen Zwischenfall in einem Labor zurückzuführen, bei dem es um Gain-of-function-Forschung ging. Die derzeitigen staatlichen Mechanismen zur Überwachung dieser gefährlichen Gain-of-Function-Forschung sind unvollständig, stark verworren und nicht weltweit anwendbar. (…) EcoHealth (…) nutzte die Gelder der US-Steuerzahler, um gefährliche Gain-of-Function-Forschung in Wuhan, China, zu ermöglichen. (…) Die Verfahren des Nationalen Gesundheitsinstituts (NIH) zur Finanzierung und Überwachung potenziell gefährlicher Forschung sind mangelhaft, unzuverlässig und stellen eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und die nationale Sicherheit dar.
Außerdem förderten die NIH ein Umfeld, das die Umgehung von Bundesgesetzen zur Aufbewahrung von Unterlagen begünstigte.
Presseerklärung, Untersuchungsausschuss
Während sich die meisten Medien auf die Laborthese in ihrer Berichterstattung fokussiert haben, enthält der Abschlussbericht aber auch eine ganze Reihe weiterer ausgesprochen grundlegender Kritikpunkte, die zum Großteil auch für andere Länder relevant sind.
Abstand zu anderen Menschen: Social Distancing
Es gab keine wissenschaftliche Begründung für diese Regel (S. 198). In der Presseerklärung heißt es zum Thema Social Distancing:
Die Empfehlung "sechs Fuß Abstand" – die Schulen und kleine Unternehmen im ganzen Land lahmlegte – war willkürlich und nicht wissenschaftlich fundiert. Während der Zeugenaussage unter Ausschluss der Öffentlichkeit sagte Dr. Fauci (ein führender Berater des Präsidenten, Einf. d. A.) aus, dass die Empfehlung "irgendwie einfach auftauchte".
Masken
Die Zusammenfassung in der Presseerklärung zu diesem zentralen Thema ist eindeutig:
Es gab keine schlüssigen Beweise dafür, dass Masken die US-Amerikaner wirksam vor Covid-19 schützen. Die Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens schwankten in Bezug auf die Wirksamkeit von Masken, ohne den US-Amerikanern wissenschaftliche Daten vorzulegen – was zu einem massiven Anstieg des öffentlichen Misstrauens führte.
Außerdem lauten die wichtigen Erkenntnisse zu diesem Thema:
• die Biden-Administration habe ihre Befugnisse überschritten, indem sie Masken vorschrieb. (S. 206)
• der Center for Disease Control and Prevention stützten sich auf fehlerhafte Studien, um die Einführung der Maskenpflicht zu unterstützen. (S. 207)
• Masken hatten für Kleinkinder mehr Schaden als Nutzen (S. 212)
Lockdowns
Eines der beiden umstrittensten Themen der Corona-Maßnahmen wird im Abschlussbericht unter einer unmissverständlichen Überschrift abgehandelt: "Unwissenschaftliche Covid-19-Lockdowns haben mehr Schaden als Nutzen gebracht" (S. 214). Auf der nächsten Seite findet sich eine grundlegende Erklärung für diese Aussage:
Die andauernden Covid-19-Lockdowns hatten drastische Auswirkungen auf die psychische Gesundheit vieler Amerikaner, einschließlich erhöhtem Drogenmissbrauch, Überdosierungen und Selbstmord.
Das vollständige Bild dieser Folgen ist noch nicht bekannt, da es Jahre dauern wird, die Daten zu sammeln und zu analysieren, aber die derzeit verfügbaren Daten weisen bereits auf unglaublich beunruhigende Trends hin.
So wurde in einer im März 2024 in Nature veröffentlichten Studie festgestellt, dass die Zahl der psychischen Störungen zwischen 2019 und 2020 um 22 Prozent zunimmt. Die Studie fand auch einen kausalen Zusammenhang zwischen Einsperrungen und psychischen Störungen.
Impfungen
Die zweite umstrittenste Corona-Maßnahme wird in ähnlich klaren Worten beurteilt. In der Presseerklärung ist zu lesen:
Entgegen den Versprechungen konnte der Covid-19-Impfstoff die Ausbreitung oder Übertragung des Virus nicht verhindern. (…) Die Impfvorschriften waren wissenschaftlich nicht fundiert und haben mehr geschadet als genutzt.
Die Biden-Administration zwang gesunde US-Amerikaner zur Einhaltung von Covid-19-Impfvorschriften, die die individuellen Freiheiten mit Füßen traten, die militärische Einsatzbereitschaft beeinträchtigten und die medizinische Freiheit missachteten, um Millionen von US-Amerikanern einen neuartigen Impfstoff aufzuzwingen, ohne dass ausreichende Beweise für ihre politischen Entscheidungen vorlagen.
Weiterhin kritisiert der Untersuchungsausschuss die übereilte Zulassung der Impfung, die trotz Warnung zweier führender Wissenschaftler der Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) durchgeführt wurde.
Zudem funktionierte die Erfassung möglicher Impfwirkung nicht ausreichend und eine Unterstützung der Impfopfer war nur unzureichend. Ein besonderes Augenmerk legt der Untersuchungsausschuss auf das Ignorieren der natürlichen Immunität.
Schulschließungen
Auch dieses Thema findet ein klares Urteil. In der Presseerklärung ist hierzu zu lesen:
"Die Wissenschaft" rechtfertigte niemals längere Schulschließungen. Es ist unwahrscheinlich, dass Kinder zur Verbreitung von Covid-19 beitragen oder schwer erkranken oder sterben. Stattdessen erlitten die Kinder als Folge der Schulschließungen einen historischen Lernverlust, eine höhere Rate an psychischen Problemen und ein geringeres körperliches Wohlbefinden.
Die Konsequenzen der Behandlung der Kinder durch die Corona-Politik im Allgemeinen und der Schulschließungen im Besonderen hat einen verheerenden Schaden angerichtet:
Standardisierte Testergebnisse zeigen, dass Kinder infolge der Covid-19-Schulschließungen jahrzehntelange akademische Fortschritte verloren haben. Auch psychische und physische Gesundheitsprobleme stiegen sprunghaft an - die Selbstmordversuche von Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren stiegen um 51 Prozent.
Wirtschaftlicher Schaden
Ein Thema des Ausschusses war die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Politik in den USA. Mehr als 160.000 Unternehmen mussten in den Corona-Jahren aufgeben. Davon sind ganze 60 Prozent dauerhafte Schließungen. Die Auswirkungen auf die arbeitende Bevölkerung waren katastrophal.
Insbesondere die Regel des Social Distancing betraf überproportional hart den Niedriglohnsektor. Die Arbeitslosigkeit erreichte Höhen, wie sie die USA seit den Zeiten der Weltwirtschaftskrise nicht mehr kannte. Nur die Politik der Frederal Reserve konnte Schlimmeres verhindern, aber zu einem hohen Preis.
In der Presseerklärung heißt es:
Die aggressive, frühzeitige und beispiellose Reaktion der Federal Reserve auf die Covid-19-Pandemie verhinderte einen schweren Wirtschaftsabschwung. Dieses kontinuierliche Vorgehen trug auch zu einer schwindelerregenden Inflation bei.
Behinderung der Aufklärung
Erstaunlicherweise nimmt in der Presseerklärung die Behinderung der Aufbewahrungsarbeit einen größeren Raum ein. Es heißt unter anderem:
Das Gesundheitsministerium der Biden-Administration führte eine mehrjährige Kampagne der Verzögerung, Verwirrung und des Nichtreagierens durch, um die Untersuchung des Unterausschusses zu behindern und Beweise zu verbergen, die hochrangige Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens belasten oder in Verlegenheit bringen könnten.
Es hat den Anschein, dass das Gesundheitsministerium sogar absichtlich seine Abteilung, die auf Anfragen der legislativen Aufsicht reagiert, mit zu wenig Ressourcen ausgestattet hat.
Und in Deutschland?
Aktuell haben zwei Nachrichten in Deutschland die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss hierzulande wieder ein wenig in den öffentlichen Fokus gebracht, nachdem sich eine Haltung durchgesetzt zu haben schien, den Kopf in den Sand zu stecken.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat offenbar monatelang die vom RKI, das dem Bundesgesundheitsministerium untersteht, geforderte Absenkung der Risikoeinstufung verhindert, obwohl offenbar die wissenschaftlichen Daten, die dem RKI vorlagen, der Weigerungshaltung des Ministers widersprachen.
Ein anderes Ereignis, das grundlegende Fragen aufwirft und die Tatsache, dass der unabhängige Ethikrat stets die Regierungspolitik unterstützt hat, in neuem Licht erscheinen lässt. Alena Buyx, Vorsitzende des Ethikrats, hat wiederholt den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nach dessen Wünschen, Vorschlägen und Ideen gefragt, wie mehrere Mails belegen.
Wie bereits eingangs erwähnt, bestand und besteht in der aktuellen Legislaturperiode kein Interesse an einer Aufarbeitung. Nicht einmal das selbstverständliche Argument wird gehört, man habe die Verantwortung für die Zukunft aus den eigenen Fehlern zu lernen. Daher führt kein Weg an einer ehrlichen und transparenten Aufarbeitung vorbei.
Auch das Argument, dass gerade eine Politik, die sich immer auf die Wissenschaft beruft, sich selbst der wissenschaftlichen Methode der Datenerhebung und Datenauswertung bedienen oder zumindest diese ermöglichen und einfordern sollte, scheint in Deutschland nur wenig Freunde im Bundestag zu finden. Ob die nächste Legislaturperiode eine Untersuchung bringen wird, steht in den Sternen.
"Wir können es besser machen"
In einem Brief an den Kongress schrieb der Vorsitzende des Ausschusses:
Die Covid-19-Pandemie hat das Misstrauen in die Führung deutlich gemacht. Vertrauen muss man sich verdienen. Rechenschaftspflicht, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität werden dieses Vertrauen wiederherstellen.
Eine künftige Pandemie erfordert eine gesamtamerikanische Reaktion, die von Personen ohne persönlichen Nutzen oder Voreingenommenheit geleitet wird. Wir können es immer besser machen, und um der zukünftigen Generationen von Amerikanern willen müssen wir es auch. Es ist machbar.
Teilen die deutschen Regierungsparteien der Corona-Jahre diese selbstkritische Haltung? Die Notwendigkeit eines deutschen Untersuchungsausschusses als zentrales Wahlkampfthema wäre ein Anfang.