Coronavirus: Absturz der Ölpreise und neuer Schwarzer Montag

Zum Teil ist der Ölpreis um 31% auf gut 30 US-Dollar abgestürzt und manche Börsen brechen zweistellig ein

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Die Parallelen zur Finanzkrise ab 2008 und dem Absturz der US-Investmentbank Lehman Brothers drängen sich im Rahmen der Panik um den Coronavirus immer stärker auf. Nach einem ersten Schwarzen Montag vor zwei Wochen haben sich weder der Ölpreis, der als Anzeiger für den Zustand der Weltwirtschaft gilt, noch die Börsenkurse von großen Verlusten der letzten Wochen erholt. Die Kurse sind allerdings ohnehin durch die Geldschwemme der Notenbanken, allen voran der EZB, massiv überbewertet. Es hat sich eine große Blase gebildet.

Die platzt gerade deutlich. Telepolis hatte schon mehrfach darauf hingewiesen, dass anders als der Brexit (wo es als Katastrophenszenario ohne Basis aufgebaut wurde) der Covid-19 und die Panik darum herum tatsächlich "real das Zeug" hat, um angesichts einer sich weltweit ausbreitenden Epidemie, "die Weltwirtschaft wieder einmal durcheinander zu wirbeln". Allerdings ist auch das Virus dann nur der Katalysator und legt die verschiedenen Probleme offen, die ohnehin längst vorhanden waren.

Die Parallelen zu den Vorgängen ab 2008 werden mit den Vorgängen heute nun mehr als deutlich. Es gab einen Ölpreis-Crash, wie es ihn sogar in der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht gegeben hat. Die "OPEC+" konnte sich am Freitag nicht mit Russland auf eine größere neue Förderkürzung einigen. Geplant war eine Produktionsbegrenzung um sogar 1,5 Millionen Barrel pro Tag. Da dies nicht erreicht wurde, gingen die Ölpreise in den freien Fall über.

Das Vorhaben der OPEC ist an Russland gescheitert, das allein seine Förderung um 500.000 Barrel kürzen sollte. In Moskau ist man dazu nicht bereit, da vor allem die Fracking-Industrie in den USA von den Preis-Stabilisierungsmaßnahmen profitiert. In den USA konnte darüber die Produktion auf immer neue Rekordwerte hochgeschraubt werden. Die Bedeutung der OPEC wurde in den letzten Jahren dadurch immer kleiner. Offenbar sind die Russen nicht einmal über eine Verlängerung der bestehenden Förderbeschränkungen erfreut, sogar dazu fehlte eine Aussage in der Abschlusserklärung der an OPEC+ beteiligten Staaten.

Am frühen Montag ist der Ölpreis nun sogar um mehr als 30% gefallen. Das Barrel (etwa 159 Liter) der Nordseesorte Brent ging um 31,5% in die Knie und kostete nur noch gut 31 US-Dollar. Das war der größte Rückgang seit Januar 1991 zu Beginn des ersten Golfkrieges. Die US-Sorte WTI fiel sogar unter die Marke von 30 Dollar. Im späteren Verlauf haben sich die Preise wieder etwas stabilisiert, aber Öl ist mit gut 35 Dollar (Brent) und knapp 32 Dollar (WTI) so billig wie seit vier Jahren nicht mehr. Alle Förderkürzungen, schon bisher hatte OPEC+ die Produktion schon um 2,1 Millionen Barrel reduziert, wurden allein durch die Fracking-Industrie in den USA aufgefangen, weshalb das Überangebot nicht verringert wurde.

Die Börsen zogen nach und stürzten mit dem Ölpreis ebenfalls ab

An diesem neuen Schwarzen Montag könnte die Frankfurter Börse den größten Tagesverlust seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 einfahren, damals waren es 8,5%. Mit der Eröffnung der Börse stürzte der Leitindex DAX sofort um 7,4% ab. Die Verluste weiteten sich am Morgen sogar noch um bis zu 8,4% aus. An den anderen Börsenplätzen in Europa sah es nicht viel anders aus. Allerdings konnte der DAX die Verluste im weiteren Handelsverlauf etwas eindämmen (derzeit -6,4%).

Andere Börsen stehen in Europa dagegen deutlich tiefer im roten Bereich. An der Börse im italienischen Mailand, das von der Corona-Virus-Epidemie besonders betroffen ist, steht der Leitindex FTSE MIB derzeit 9,8% im Minus. Er war zwischenzeitlich sogar zweistellig abgestürzt. Es soll in Mailand sogar über eine Aussetzung des Börsenhandels nachgedacht worden sein.

Die Stadt in Norditalien ist ebenfalls von den Notmaßnahmen der italienischen Regierung betroffen. In Norditalien wurden nun 16 Millionen Menschen von der Außenwelt isoliert. Im Kampf gegen die Ausbreitung der Epidemie dürfen die Menschen in der wirtschaftsstarken Lombardei und in 14 angrenzenden Regionen nur noch bei triftigen Gründen aus der Gegend hinaus oder in sie hinein, hatte Ministerpräsident Giuseppe Conte in der Nacht zum Sonntag verkündet. Die Sperrungen sollen zunächst bis zunächst zum 3. April dauern.

Es ist offensichtlich, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird. Die Frage ist, ob die italienische Zeitbombe nun explodiert, mit der seit vielen Jahren ausufernden Verschuldung, die nur von Griechenland übertroffen wird, mit ihren massiven strukturellen politischen und wirtschaftlichen Problemen und den vielen faulen Krediten im Bankensystem.

Um dem zu begegnen, wurden schon Maßnahmenpakete geschnürt. Die EU gibt nun Rom dafür Rückendeckung. Die Ausgaben im Rahmen der Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie würden nicht herangezogen, wenn die EU-Kommission die Einhaltung der Haushaltsregeln prüft. Das haben der Kommissionsvize Valdis Dombrovskis und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni dem italienischen Finanzminister Roberto Gualtieri schriftlich mitgeteilt. Das bedeutet, dass Italien in diesem Jahr das Defizitziel von 3% reißen wird und reißen darf. Das Land ist längst ohnehin praktisch in einer Rezession, die nun verschärft wird. Die Staatsschulden sind schon auf knapp 2,5 Billionen Euro angeschwollen, es sind schon gut 137% der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Steigen die Schulden, während die Wirtschaft schrumpft, kommt Italien immer näher an die Quote von Griechenland heran.

Wirtschaftshilfen

Schon längst hatten neben Italien auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank Milliardenhilfen aufgelegt. Auch die US-Notenbank FED hat die Leitzinsen gesenkt, um dem erwarteten Einbruch des Wachstums zu begegnen. Dass die EZB neue Maßnahmen beschließen wird, ist auch kein Geheimnis mehr.

Nun plant auch die große Koalition in Berlin ebenfalls Notmaßnahmen. Im Deutschlandfunk sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz, dass die Bundesregierung bereit ist, "alles Erforderliche zu tun, um die Wirtschaft zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern". So hat der Koalitionsausschuss in der Nacht unter anderem beschlossen, die Hürden für den Bezug von Kurzarbeitergeld zu senken. Die Arbeitgeber sollen die Sozialbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden voll erstattet bekommen. Darüber hinaus werde die Bundesregierung "dafür sorgen, dass immer genügend Liquidität für die Wirtschaft zur Verfügung steht". Er sei dazu mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), mit dem Wirtschaftsministerium und "allen anderen" im Gespräch. Geplant ist, wie schon in der Finanzkrise, zudem ein milliardenschweres Investitionspaket. Geplante Ausgaben des Bundes würden in den Jahren 2021 bis 2024 um jeweils 3,1 Milliarden Euro erhöht. Hinzu kommen Liquiditätshilfen, Bürgschaften und Steuerstundungen für betroffene Branchen.

Die große Frage ist, wie sich der Ölpreis weiter entwickelt, denn nun ist ein Streit zwischen Saudi-Arabien und Russland über die Fördermengen eskaliert. Die Nachrichtenagentur Bloomberg weist unter Berufung auf Insider darauf hin, dass Saudi-Arabien die Fördermenge in den kommenden Monaten erhöhen will. Gesprochen wird davon, dass sich der "Ölpreis-Krieg zu einem Schuldenkrieg entwickelt". Die Fördermenge des führenden OPEC-Landes könnte bis auf eine neue Rekordmarke von zwölf Millionen Barrel pro Tag erhöht werden, wird vermutet. Das könnte andere Ölstaaten wie Russland ebenfalls provozieren, über eine höhere Fördermenge nachzudenken. Das würde für einen niedrigen Ölpreis sorgen, der auf die Wirtschaften zunächst allerdings eher stabilisierend wirkt, wenngleich Länder, die am Ölpreis hängen, massiv in die Bredouille kommen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) titelt heute: "Russlands Spiel mit dem Ölpreis". Dass Russland die Förderkürzungen der OPEC nicht mehr mittragen will, sei auch als "Kampfansage an die Vereinigten Staaten zu verstehen". In der FAZ wird erklärt: "In den vergangenen Monaten hatten neue Sanktionen aus Washington in Moskau für Unmut gesorgt, insbesondere jene gegen die Ostsee-Gas-Pipeline Nord Stream 2, deren Bau seit Dezember gestoppt ist." Das ist sicher richtig, aber für die neue Ölpreispolitik ist viel wahrscheinlicher, dass Russland nun eine Kampfansage an die US-Frackingindustrie startet, die immer größere Marktanteile übernimmt.

Bleiben die Ölpreise auf diesem Niveau, sind viele Fracking-Unternehmen nicht mehr profitabel, Kredite platzen. Allerdings ist die Strategie, mit niedrigen Ölpreisen die Fracker in die Schranken zu weisen, schon einmal gescheitert, als das Saudi Arabien versucht hatte. Das Land hatte nur das eigene Defizit explodieren lassen, denn es braucht einen Ölpreis von etwa 60 Euro für einen ausgeglichenen Haushalt.

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