Craig Murray: Warum britischer Ex-Botschafter in Schweiz um UN-Schutz ersucht

Craig Murray und seine Familie vor der Polizeiwache in Edinburgh am Tag seiner Inhaftierung am 1. August 2021 wegen Missachtung des Gerichts. Bild: FreeCraigMurray / CC BY-SA 4.0 Deed

Er wird in Glasgow von Anti-Terror-Polizisten festgehalten und befragt. Nun steht er unter Terrorismus-Verdacht. Über seine Flucht nach Genf, Kritik an Gaza-Krieg und Assange-Haft.

Craig Murray ist 65 Jahre alt und war von 2002 bis 2004 britischer Botschafter in Usbekistan. Insofern ist das, was in den letzten Tagen passierte, historisch und beispiellos.

Denn Murray hat um Schutz bei den Vereinten Nationen in Genf gebeten – und zwar vor seinem eigenen Land. Denn gegen ihn laufen Untersuchungen im Rahmen der britischen Anti-Terror-Gesetze.

Was ist passiert? Der prominente Menschenrechtsaktivist und Publizist Murray wurde am schottischen Flughafen Glasgow am 16. Oktober von der britischen Anti-Terror-Polizei für eine Stunde festgehalten und befragt. Unter Sektion 7 des britischen Terrorismusgesetzes befragten ihn drei Beamte nach seinen politischen Aktivitäten bezüglicher der Verteidigung des verhafteten Wikileaks-Gründers Julian Assange und seiner Opposition zu Israels Krieg gegen Gaza.

Sein Smartphone wurde konfisziert, so Murray. Auf seine Homepage postete er den Brief der Polizei, dass sein Handy einbehalten werde gemäß Anti-Terror-Gesetz, da es für "weitere Ermittlungen benötigt werde".

Murray berichtet, dass er aufgrund der Festnahme keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand gehabt habe, unter Androhung von Strafe gezwungen wurde, keine relevante Information zurückzuhalten. Er musste zudem die Passwörter für seine elektronischen Geräte übermitteln, während sein Gepäck und sein Mantel durchsucht wurden.

In den letzten Jahren hat sich Murray zu einem prominenten Publizisten entwickelt, der die Mainstreammedien und Politik in Großbritannien kritisiert. Er hat sich an Kampagnen zur Freilassung von Julian Assange – der sich derzeit im Londoner Belmarsh-Gefängnis unter maximaler Sicherheitsstufe ohne Anklage in Einzelhaft befindet, was von Experten als Folter bezeichnet wird, und dem eine Auslieferung an die USA droht, wo ihm unter dem Espionage Act bis zu 175 Jahre Gefängnis drohen –, beteiligt und nahm im Oktober vor seiner Festnahme an einer pro-palästinensischen Kundgebung in Island teil. Am Tag bevor er in Glasgow befragt wurde, schrieb er auf Twitter/X:

Ich war schon immer ein entschiedener Gegner von Kriegen. Ich habe mein Leben der Konfliktlösung und Versöhnung gewidmet. Aber im Zuge des bevorstehenden Völkermords im Gazastreifen wird jeder Akt des bewaffneten Widerstands von Hamas und Hisbollah meine Unterstützung haben. Wenn das ein Verbrechen ist, schickt mich zurück ins Gefängnis.

Der ehemalige Botschafter wurde im Juli 2021 zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt wegen Missachtung des Gerichts in Bezug auf Blogs, die er während des Prozesses wegen sexueller Nötigung gegen den ehemaligen schottischen Premierminister Alex Salmond geschrieben hat.

Nach seiner Gefängnisstrafe sei es nun das dritte Mal, dass er von der Polizei festgehalten und befragt worden sei, sagt Murray.

Bei keinem dieser Vorfälle wurde ich eines Verbrechens angeklagt, und die Polizei konnte mir nicht einmal sagen, welche Straftat sie untersucht. Und jetzt dieser "Terrorismus"-Blödsinn.

Terrorverdacht als Angriff auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit

Murray erzählte dem US-Medium Grayzone, dass er in Glasgow intensiv über seine politischen Überzeugungen befragt wurde. "Zuerst haben sie mich über das private Treffen der Assange-Kampagne ausgefragt ... alle Fragen waren finanzieller Natur", einschließlich, "ob ich Geld für meine Beiträge zur Kampagne erhalte, ob ich von WikiLeaks, ‚Don't Extradite Assange‘ oder sogar von Julians Familie bezahlt werde."

Er antwortete auf jede dieser Fragen mit "Nein" und sagte dem Reporter Kit Klarenberg: "Meine Einkommensquellen und woher mein Geld kommt, waren für die Beamten von besonderem Interesse."

Bisher ist unklar, was Murray genau vorgeworfen wird. Ein Sprecher der schottischen Polizei sagte gegenüber The National: "Wir haben eine Reihe von Beschwerden erhalten und die Beamten führen Ermittlungen durch." Murray teilte zugleich mit, dass sein juristisches Team nun versuche, einschließlich einer gerichtlichen Überprüfung, Aufklärung zu erhalten.

Murray erklärte am 24. Oktober auf seiner Homepage:

Es ist ein enormer Verstoß gegen Menschenrechte. Das missbräuchliche Festhalten und Befragen, während mir ein Anwalt und das Recht zu Schweigen verweigert wird, die Verdachtsuntersuchung einer völlig legalen Versammlung, die in keiner Weise mit Terrorismus in Verbindung steht, die politische Ausspionierung, die finanzielle Schnüffelei und die Beschlagnahmung von Material über mein Privatleben – all das basiert auf der völlig falschen Behauptung, dass ich mit Terrorismus in Verbindung stehe.

Der Chefredakteur von WikiLeaks, Kristinn Hrafnsson, schrieb auf X/Twitter:

Ich bin entsetzt über diesen Missbrauch des Terrorismusgesetzes gegen einen Freund und Assange-Unterstützer, den ich nach Island eingeladen hatte, um die Kampagne zur Rettung von Julian und die Pressefreiheit zu diskutieren. Das ist ein ernstes Problem und die Beispiele für den Missbrauch des Terrorismusgesetzes in den letzten Monaten gegen Künstler, Schriftsteller, Journalisten und Aktivisten häufen sich.

Vor allem in Großbritannien werden Kritiker der Regierungspolitik immer wieder festgehalten und befragt, wie im April der Verleger Ernest Moret, der gegen den französischen Präsidenten Macron protestiert hatte, oder der Journalist Kit Klarenberg, der befragt wurde, ebenfalls unter der Rubrik Terrorismus-Verdacht. Klarenberg hatte zuvor in einem Artikel britische Militäroperationen gegen die Krim-Brücke aufgedeckt.

Gleichzeitig hat die britische Regierung diverse Gesetze erlassen, die es dem Staat leichter machen, Proteste zu verbieten, Zensur auszuüben und die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Das wird auch von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und UN-Behörden scharf kritisiert.