Das Madrider Wunder, das es nicht gibt

Seite 2: Privatkrieg gegen die Zentralregierung

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Mit der Propaganda führt sie ihren Privatkrieg gegen die Zentralregierung. Statt sich auf Maßnahmen zu einigen, um an einem Strang gegen das Virus wie in Portugal zu ziehen, tut vor allem Ayuso stets alles, um sie zu hintertreiben. Dass es das Ziel der drei rechten Parteien ist, die Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und der Linkskoalition "Unidas Podemos" zu stürzen, daraus machen sie keinen Hehl. Ayuso ist die Speerspitze dieser Politik. Sie nimmt sogar einseitig längst getroffene Vereinbarungen wieder zurück.

Nun versucht sie zu zeigen, dass drastischere Maßnahmen unnötig sind und ihr Vorgehen dagegen das Richtige ist. Das könnte, erneut tödliche Folgen zeitigen. Madrid ist ohnehin die Region, die bisher schon den höchsten Blutzoll wegen der verfehlten Politik der Regionalregierung bezahlen musste, was auch der "Horror" in den Altenheimen gezeigt hat.

Aufgrund der aktuellen Datenlage kann jedenfalls nicht beurteilt werden, ob sich die Lage in Madrid derzeit wirklich nachhaltig entspannt, dafür wird zu viel geschummelt, manipuliert und gefälscht. Dass Ayuso nun die strengeren Maßnahmen in 10 von 41 Gesundheitsbezirken wieder aufheben will, unter anderem deren Abriegelung, könnte sich genauso als Fehler erweisen, wie die Tatsache, nicht frühzeitig im Sommer auf die vorhersehbare Zuspitzung reagiert zu haben.

Für ganz Spanien, für das die SZ auch ein "Wunder" sehen will, können ohnehin kaum Fortschritte vermeldet werden. Bestenfalls stabilisiert sich die Lage gerade. Das zeigen die Neuinfektionen, die auch nach Angaben des Gesundheitsministeriums steigen. Am Donnerstag wurden für die letzten 24 Stunden mehr als 19.500 gemeldet. Am Samstag waren es sogar fast 21.400. In Deutschland waren es bei doppelter Einwohnerzahl am Donnerstag knapp 22.000 und am Samstag knapp 22.500.

Bedenklich ist vor allem, dass fast 13,5 % aller Tests in Spanien positiv ausfallen. In Deutschland waren es zuletzt etwa 8 %. Das weist auf eine deutlich höhere Dunkelziffer bei nicht festgestellten Infektionen in Spanien hin. Der Wert sollte nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht über 5 % liegen.

Wie tief Spanien in der Krise steckt, zeigen die Todeszahlen weiter sehr deutlich. Für Deutschland meldete das RKI am Samstag 178 Todesfälle. Der Tod von 12.378 Menschen stehe seit Ausbruch der Pandemie mit Covid-19 in Verbindung. In Spanien sind es offiziell nach Angaben des Gesundheitsministeriums nun 40.769.

In den letzten sieben Tagen wurden 1.295 verzeichnet. Die Marke von 40.000 ist am Mittwoch überschritten worden, als mit 411 ein neuer Rekord in der "zweiten Welle" aufgestellt wurde. Am Samstag wurden 308 neue Todesfälle gemeldet. All das sind Zahlen wie aus dem Frühjahr.

Telepolis hat auch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Zählung der Toten in Spanien mit großer Vorsicht interpretiert werden muss. Bekannt ist längst, dass Tausende Tote in Altersheimen nie in die Statistik aufgenommen wurden, weil sie nie getestet wurden.

Gerade musste das Gesundheitsministerium 1.300 Tote für die "erste Welle" nachträglich in die Statistik aufnehmen. Die Übersterblichkeit lag schon im Frühjahr 44.000 über dem Durchschnitt. Die Übersterblichkeit (Exzess-Mortalität) gibt an, wie viele Menschen im Vergleich zu einem durchschnittlichen Zeitraum zuvor mehr gestorben sind.

Niemals zuvor waren in Spanien in einer Woche mehr als 12.000 Menschen gestorben. Im Frühjahr waren es über drei Wochen aber sogar mehr als 18.000. Das System zur Überwachung der Sterblichkeit (MoMo) beziffert die Übersterblichkeit in Spanien im Laufe des Jahres nun sogar schon auf mehr als 63.000.