Wieder Todeszahlen wie im Frühjahr in Spanien

Das Land ist wieder auf dem direkten Weg in einen Lockdown, weil nicht frühzeitig und zu zaghaft auf die 2. Welle reagiert wird

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Am Freitag wurden neue Covid-Horrorzahlen in Spanien gemeldet, die deutlich an die erinnern, die in der ersten Welle im Frühjahr registriert wurden. In den letzten 24 Stunden waren erneut 347 Menschen gestorben. In spanischen Krankenhäusern befinden sich inzwischen mehr als 20.000 Menschen wegen Coronavirus. Mehr als 2.800 Patienten liegen inzwischen auf Intensivstationen und kämpfen um ihr Leben.

In einigen Regionen, wie Andalusien, die fälschlicherweise, wie Telepolis immer wieder angemerkt hatte, im Sommer als weitgehend sichere Gebiete galten, befinden sich nun 442 Patienten auf Intensivstationen. Das sind mehr als zum Höhepunkt der ersten Welle im März.

Erneut zeigt sich, dass man in Spanien viel zu spät und zu zaghaft auf die zweite Infektionswelle reagiert hat, da erst vor gut einer Woche wieder der Alarmzustand ausgerufen wurde. Es zeigt sich allerdings auch, dass Regionen wie Katalonien, wo Kneipen schon seit drei Wochen wieder geschlossen sind und eine nächtliche Ausgangssperre ab 22 Uhr gilt, es auch ohne einen neunen Lockdown geschafft wurde, die Kurve wieder zu knicken. Sowohl die Zahl der neu entdeckten Infizierten als auch die der Einlieferungen in Krankenhäuser und der Toten geht zurück, weshalb die Maßnahmen um zwei Wochen verlängert wurden.

Im Baskenland sind seit heute wieder alle Restaurants und Bars geschlossen

Ganz anders dagegen im Baskenland, wo die christdemokratisch-sozialdemokratische Regierung eine erratische Linie fuhr, um die Wirtschaft so wenig wie möglich zu belasten. Alle Zahlen gehen dort weiter deutlich in die Höhe. Dass 11,5 Prozent aller Tests positiv ausfallen, weist zudem auf eine hohe Dunkelziffer hin. Der Wert sollte nicht über fünf Prozent liegen. Es steigt die Zahl der Einlieferungen in Hospitäler genauso wie die der Patienten auf Intensivstationen. Die Entwicklung lässt sich auch an der steigenden Zahl der Toten erkennen.

Die Provinz Gipuzkoa mit ihrer Metropole Donostia (San Sebastian) war fast unbeschadet durch die erste Infektionswelle gekommen. Sie muss nach dem Tourismussommer nun aber als Hotspot bezeichnet werden. Die Pseudo-Abriegelung mit der Ausrufung des spanischen Alarmzustands ab dem 26. Oktober war wirkungslos. Das haben auch die vielen französischen Touristen gezeigt, die sich in den Herbstferien hier aufgehalten und das Virus weiter aus dem Hotspot eingeschleppt haben.

Die 14-Tage-Inzidenz liegt in dieser baskischen Provinz nun sogar über der Schwelle 1000 für neu entdeckte Infektionen pro 100.000 Einwohner. Das sind Zahlen, wie man sie im September in Madrid verzeichnete. Auch von dort war das Virus eifrig in die Seebäder am Atlantik exportiert worden, weil der Hotspot Madrid nicht frühzeitig abgesperrt worden war. Ein Fehler aus dem Frühjahr wurde wiederholt.

Statt die für die Basken als sozialer Treffpunkt so wichtigen Bars und Kneipen schnell eng zu reglementieren, wie es Portugal im Juli erfolgreich gemacht hatte, durften die Menschen weiter bis um 23 Uhr ausgehen. Doch das, das war eigentlich allen hier klar, hatte keine Zukunft. Heute nun sind wieder alle Restaurants, Bars und Cafés im gesamten Baskenland geschlossen, mindestens bis Dezember.

Diese erneute Schließung wird vielen Bars, Cafés und Restaurants den Rest geben, viele werden vermutlich nie wieder ihre Türen öffnen. Die Basken haben den bevorstehenden Entzugserscheinungen am Freitag bis um 23 Uhr vorgebeugt. In Donostia war es praktisch unmöglich, einen Tisch zu bekommen, bevor die Rollläden für mindestens drei Wochen geschlossen wurden.

Gestern war es unmöglich, noch einen Tisch in Donostia zu finden. Bild: R. Streck

Zentralregierung will noch abwarten

Klar ist, dass Spanien mit seinem erratischen Kurs insgesamt wieder auf einen Lockdown zuläuft. Den hatten einige Regionen wie Asturien sogar schon gefordert, um möglichst schnell die Kurve zu knicken. Das Gesundheitssystem ist, wie in anderen Regionen auch, längst wieder am Anschlag. Gerade noch sieben Betten auf Intensivstationen waren am Freitag in Asturien frei. Die Zentralregierung bremst, wieder einmal, die Regionen aus, die schnell handeln wollen, bevor das Kind in den Brunnen fällt.

Hat man monatelang dem gefährlichen Treiben der Rechtsregierung in Madrid zugeschaut und sich von der Regionalpräsidentin Isabel Ayuso an der Nase herumführen lassen, will man nun weitere zwei bis drei Wochen abwarten. Das hat der offensichtlich erneut überforderte Gesundheitsminister Salvador Illa erklärt. Dann könnte allerdings das Gesundheitswesen in einigen Regionen längst wieder kollabieren wie im Frühjahr in Madrid.

Übrigens kehrt im spanischen Gesundheitsministerium langsam etwas mehr Ehrlichkeit ein, was die Todeszahlen angeht. Telepolis hatte immer wieder aufgezeigt, dass sie massiv nach unten geschönt waren. Nun hat das Gesundheitsministerium am Donnerstag für die erste Welle bis zum 11. Mai weitere 1.300 Coronavirustote zur Statistik hinzugefügt. Und am Freitag legte man nach und erkannte 2000 weitere Tote in Altersheimen an. Dort sollen es allein in der ersten Welle nun mehr als 20.000 Tote gewesen sein. Insgesamt sollen es nun fast 39.000 Coronavirustote sein. Doch auch diese Zahl ist noch zu niedrig. Die Übersterblichkeit lag in der erste Welle schon bei mehr als 44.000. In der zweite Welle liegt sie erneut um 9000 über dem Durchschnitt.