Das barmherzige Geld aus der Wüste

Die Schattenwirtschaft des Terrors, 3. Teil: Zakat

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Ein namhafter Anwalt strengt im Namen der Opfer des 11.9. einen Prozess an, der Geschichte machen soll. Die Untersuchungskommission zum 11.9. klopft täglich größere Brocken Putz aus dem Denkmal der Regierung (Was wusste US-Präsident Bush - und warum wollte er nichts davon wissen?), welche sich gerne als entschlossene Kämpfer gegen den Terror feiern lässt. Die Pyramiden der Bücher über die Hintergründe der Attentate wachsen stetig; soviel Enthüllung war noch nie. Vieles weist in eine Richtung, in die man im Westen lange Zeit nicht blicken wollte: Richtung Mekka, Richtung Saudi-Arabien. Ein Großteil des Geldes für die Finanzierung des internationalen Terrors soll aus dem ölreichen Königreich stammen, sagen internationale Ermittler; böse Stimmen behaupten, dass die Washingtoner Elite genauso wenig Interesse an der Aufklärung dieses Übels haben wie die saudische Elite in Riad und Mekka.

Schon kurz nach den Anschlägen vom 11.September eröffnete die "Die verbotene Wahrheit" (vgl. Die verbotene Wahrheit) den Reigen der Enthüllungsbücher, die auf obskure Verbindungen zwischen den USA und saudischen Finanziers verweisen, auf ein vielschichtiges Netzwerk, woraus auch terroristische Gruppen schöpfen konnten. Das Buch avancierte schnell zum Bestseller. Kurz nach der Veröffentlichung wurde einer der Autoren, Jean-Charles Brisard, von einem Emissär der UNO angesprochen. Resultat war ein Bericht für den Sicherheitsrat, der am 19.Dezember 2002 erschien und auf 34 Seiten das ganze komplexe Finanzierungssystem von Al Qaida und Co. zusammen fasste. Die wesentlichen Punkte:

Mit Mythen, vor allem des staatlich finanzierten Terrorismus, und Werkzeugen aus der traditionellen Terrorismus-Bekämpfung sei Al-Qaida nicht beizukommen. Die Organisation operiere hinter einem sichtbaren und meist legalen "Business-Cover" unter Ausnutzung des islamischen Bankensystems, des religiösen Spendensystems und der Möglichkeiten der wirtschaftlichen Globalisierung.

Die Organisation profitiere von einem großen "Dilemma" des saudischen Königreiches: der Vermischung von Religion und Finanzen; ohne jede strenge Regulierung und Kontrolle der Spendengelder habe Saudi-Arabien seit vielen Jahren eine sprudelnde Geldquelle für terroristische Vereinigungen offen gehalten: die Zakat-Spende, eine der fünf Säulen des Islam. In den letzten zehn Jahren (vor 2002) habe Al-Qaida dadurch eine Summe zwischen 300 und 500 Millionen Dollar von reichen Geschäftsleuten und Bankiers erhalten; eine jährliche Einnahmequelle von etwa 50 Millionen Dollar.

Die Zakat-Abgabe: wichtigste Säule der saudischen Finanzierung des Terrors

Gehen Sie am Freitag in die Moscheen. Sie können dort stehen und "Bitte helfen Sie!" sagen. Und man wird Ihnen Schecks geben, Geld, et cetera.

Prinz Bandar, saudischer Botschafter in den USA

Die wichtigste Geldquelle von Al Qaida sind Spenden.(aus dem Bericht des Council of Foreign Affairs)

Der Großteil der Einnahmen der Al-Qaida-Konföderation wird für den Unterhalt des Netzwerkes, für Infrastruktur, Ausbildungslager, Kommunikation, Investitionen in die Länder, in denen man sich aufhält, verwendet, etwa 90% der Einnahmen. Die Kosten für Anschlagsplanung und -ausführung, samt notwendigem "Taschengeld", belaufen sich demgegenüber auf magere zehn Prozent.

Weswegen die Bedeutung des "Hawala-Geldtransfersystems" (Auf der Jagd nach den Schätzen von Terror, Inc.) bei weitem niedriger ausfällt, als oft veranschlagt. Zwar sei das System für Geldwäsche hervorragend geeignet, aber:

Das Hawala System ist im Grunde ein "end user"-Werkzeug für Terroristen vor Ort. Man braucht es, um Geld für operationelle Zwecke zu überweisen. Es war niemals ein primäres Mittel für größere Geldverschiebungen.

Die Hauptquelle für die finanzielle Versorgung des Qaida-Netzwerkes stellt im Wesentlichen die "Zakat", eine Abgabe, die auf einem koranischen Gebot basiert und in allen möglichen Formen geleistet wird: Geld, Edelsteine, Gold, Silber, Anleihen, Naturalien etc., aber nur schwachen Kontrollen und Regulierungen unterworfen ist. Über die Vorgänge wird nur selten genau Buch geführt.

Der Geldfluss für die Terrororganisationen sieht vereinfacht so aus: die Zakat-Spenden von Personen, Firmen und Banken werden über Banktransfers an Wohltätigkeits-Organisationen überwiesen; lokale Wohlfahrtsbüros leiten das Geld über Hawala-Überweisungen an terroristische Verbände weiter, die darüber hinaus noch Geld aus allen möglichen kriminellen Aktivitäten (Drogenhandel, Schmuggel, Schutzgelder, Erpressungen, Fälschungen etc.) beziehen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Saudi-Arabien, so der Bericht des Sicherheitsrats, hätten zusammen mit dem religiösen Überbau dazu beigetragen, ein System zu korrumpieren, das am Anfang ehrlich und legitim gewesen sein mochte, aber von großen Bankern, wie Khalid bin Machfus (Die verbotene Wahrheit), Abdullah al Rajhi, und dem Geschäftsmann Abdel Abdul Jalil Batterjee, um nur die bekanntesten zu nennen, dazu genutzt wurde, den Terror im großen Stil mit zu finanzieren.

Für die Sache Gottes

Nach islamischem Gesetz gibt es Zakat für die Armen und die Bedürftigen, für die Einsammler, für die Konvertierten, für Unfreie, für Schuldner, für die Wandernden und Reisenden - und für die "Sache Gottes". Der letztgenannte "Empfängerstatus" schlägt die religiös-ideologische Brücke zwischen der traditionellen Säule des Islam und der "sechsten, nicht deklarierten Säule" (Osama Bin Laden), dem Dschihad, natürlich in der offensivsten Auslegung.

Etwa 10 Milliarden Dollar jährlich betragen nach Schätzungen die Zakat-Abgaben, für deren teilweisen Missbrauch das saudische Königshaus lange Zeit die Verantwortung abgelehnt hat. Erst im November 2002 gab der Sprecher des Herrscherhauses einen Hinweis darauf, dass man die Situation erkannt habe:

Personen haben Vorteile aus unserer Wohltätigkeit gezogen, vor allem von solchen Organisationen, die außerhalb Saudi-Arabiens operieren und nicht genügend finanzielle Kontrollmechanismen haben, um sicherzustellen, dass die Gelder tatsächlich dorthin flossen, wo sie hin fließen sollten.

Entsprechende Kontrollen sind allerdings auch nur schwierig durchzuführen, da viele der Wohltätigkeitskörperschaften in einer komplizierten Weise miteinander verwoben sind. So gehörten zum Saudi Joint Relief Committee (SJRC) für den Kosovo und Tschetschenien Organisationen, deren finanzielle Unterstützung für Terroristen in mehreren Fällen nachgewiesen wurde: Die International Relief Organization (IIRO) - gegründet von Osama Bin Ladens Schwager -, die Muslim World League - gegründet von Said Ramadan, dem Sohn des Gründers der muslimischen Bruderschaft in Ägypten - Al-Haramein - das von einem Repräsentanten von Osama bin Laden geleitet wurde und Geld für sämtliche Operationen in Indonesien beisteuerte - und die World Assembly of Muslim Youth (WAMY). Weitere saudische Wohltätigkeitsorganisationen, die erwiesenermaßen Geld an das Al-Qaida-Netzwerk verteilt haben, sind: die Al-Bir Society und der rabita-Trust.

Eigentlich sollte der saudische Innenminister und Chef des Geheimdienstes, Prinz Najef (Blumen der Mudschahidin) die Oberaufsicht über das SJR-Comittee führen, zumindest formell war er dafür eingesetzt; doch wie sich in den zwei Jahren nach der Gründung (1998) des SJRC herausstellte, war der Prinz auf einem Auge blind. Das Relief Commitee hatte beste Beziehungen zu ausgewiesenen Terroristen; unter anderem war ein Mitbegründer der Al-Qaida, Wael Hamza Julaidan, einer der Direktoren des SJRC.

Auch die Hamas profitierte von saudischen Gönnern. So soll das Saudi-Arabische Komitee für die Unterstützung der al-Quds-Intifada, wie sich ein Vertreter der Palästinenser in einem Brief beklagte, große Summen, an die Islamic Association überwiesen haben, die zur Hamas gehört.

Gegenaktionen

Wie weit die Verantwortlichen in Saudi-Arabien die Ermahnungen des UN-Sicherheitsrates ernst genommen haben, die Kontrolle der Zakat-Geldströme zu verschärfen, ist in der Öffentlichkeit bislang noch nicht deutlich geworden. Im letzten Jahr hat man zumindest das Aufstellen von Spendenbüchsen in den Märkten verboten (Kein Dosenfutter mehr für den Terror).

Doch auch die Bush-Regierung hätte, wie der Council Of Foreign Affairs, welcher der Regierung nahe steht, aber sich doch so unabhängig gerierte, dass er auf dieses "Tabu-Thema" im November 2002 direkt anspielen konnte, "nicht die gesamte Macht ihres Einflusses auf die Regierungen anderer Länder ausgeübt, damit sie das Finanznetz der Terroristen entschiedener bekämpfen."

Mittlerweile haben sich Bestseller-Autoren dieses Themas näher angenommen, wie etwa Robert Baer, ein ehemaliger CIA-Agent, dessen Buch "Die Saudi-Connection" mit der verkaufsträchtigen "These" aufwartet, dass sich Washington "mit dem Teufel ins Bett legt". Von keinem anderen Staat, so Baer würden Terrorgruppen wie die Muslimische Bruderschaft und Al-Qaida so stark unterstützt wie von Saudi-Arabien. Da die geschäftlichen Interessen der Washingtoner Elite jedoch so eng seit Jahrzehnten mit dem saudischen Geld verflochten sind, habe man lieber still gehalten.

Im April erscheint ein weiteres Buch auf dem deutschen Markt, das sich mit den obskuren Beziehungen zwischen den beiden "mächtigsten Dynastien der Welt befasst:: "House of Bush, House of Saud" von Craig Unger (Auszüge). In England wurde das Buch vor ein paar Tagen wegen einer einstweiligen Verfügung wieder von den Verkaufstischen genommen.

Die US-Außenpolitik habe sich oft zu sehr von geschäftlichen Interessen leiten lassen, bemängelt auch die italienische Wirtschaftswissenschaftlerin Napoleoni ("Der Krieg ist unser Leben"), was ihr im Kampf gegen den Terrorismus sehr geschadet habe. Wo die Politik nicht hin kommt, soll's die Justiz richten. In diesem Sinne könnte man den Versuch des amerikanischen Anwalts Ronald L. Motley verstehen, der seit knapp zwei Jahren Material für die Sache "Burnett gegen Al Baraka Investment and Devolopment Corporation" sammelt.

Klage gegen saudische Wohltätigkeitsorganisationen

Motley hat sich einen großen Namen als Anwalt für Schadensersatzforderungen u.a. in den berühmten Prozessen gegen "Big Tobacco" gemacht; jetzt vertritt er die Opfer der Anschläge am 11.9. gegen saudische Wohltätigkeitsorganisationen, wie Al Haramein und die Muslim World League (siehe oben) an prominenter Stelle. Das Verfahren ist nach der ersten Klägerin, Deena Burnett, eine Angehörige eines Opfers und einem saudischen Unternehmen benannt, das ebenfalls finanzielle Unterstützung an Al-Qaida geliefert haben soll.

Nach Aussagen Motleys, dessen Partner in der Angelegenheit niemand anders als Jean-Charles Brisaud ist, will er gegen 205(!) Personen und Körperschaften klagen, darunter sieben saudische Wohltätigkeitsorganisationen, drei saudische Finanzunternehmen z.B. die Al Rajhi Bank, und Dutzende von prominenten saudischen Persönlichkeiten, darunter die Prinzen Turki und Sultan.

Bislang hat er 12 Millionen Dollar für Recherchen investiert, die ihn, wie er in einem Gespräch mit der New York Times betont, weiter geführt haben als die vom Staat unternommenen Ermittlungen, weil er von keinerlei politischer Rücksichtnahme gebremst werde.

Das Verfahren basiert u.a. auf einem Gesetz des Jahres 1789, dem "Alien Torts Act", das amerikanischen Gerichtshöfen das Recht zur Jurisdiktion in Fällen einräumt, "wenn ein Unrecht von einem Ausländer begangen wird, welches das Recht der Nationen oder einen Vertrag der Vereinigten Staaten verletzt." Auch ein Gesetz, das Spenden an eine terroristische Organisation bestraft, selbst wenn das Geld, wie im Falle der Hamas, nicht dem bewaffneten Teil, sondern dem wohltätigen "Flügel" der Organisation zugedacht ist, kann Motley heranziehen. Aber diese juristische Basis ist sehr leicht anzufechten. Weswegen die Nervosität groß ist, ob denn die amerikanische Regierung nicht eingreifen würde, um den Prozess zu verhindern.

Sie hat es schon einmal versucht, im Oktober 2002, aber der Aufschrei der Familien der Opfer war so laut, dass die Regierung solche Versuche seither unterlässt. Letztes Jahr soll Deena Barnett den Präsidenten bei einem Benefiz-Empfang getroffen und ihn gefragt haben, was er von der Klage hält, die sie initiiert habe. "You just keep doing what you're doing" habe George W. Bush geantwortet.