Dauerhafte Besetzung der Ukraine? Ein russisches Dilemma

Seite 4: Die ukrainische Realität bricht durch

Auch andere regierungsnahe Vertreter spüren die ukrainische Realität. Etwa Oleg Nemensky, Experte des dem Kreml direkt unterstellten Instituts für strategische Studien (RISS). "Russland hätte seine Absichten und Pläne längst demonstrieren müssen", kritisiert er. "Wenn wir uns darüber beschweren, dass Russland in der Ukraine nicht mit Blumen begrüßt wird, ist mir nicht klar, was genau die Einheimischen unterstützen sollen. Den Einmarsch der russischen Armee? Das ist merkwürdig." Es sei das Grundproblem dieser "Sonderoperation", dass deren Ziele so negativ und unklar formuliert worden seien, ohne "ein neues politisches Projekt".

Nemensky geht ebenfalls davon aus, dass Russland die gesetzten Ziele ohne direkte Kontrolle der Gebiete sowie ohne ein externes Leitsystem aus Moskau nicht erreichen kann. Auf die Frage, was tun, wenn Selenskij die Ukraine verlassen würde, ohne irgendwelches Abkommen mit Russland unterzeichnet zu haben, und die Streitkräfte der Ukraine und die Bevölkerung weiterhin auffordern würde, bis zum Ende zu kämpfen, reagiert Nemensky fast schon oppositionell:

Ich verstehe nicht wirklich, wie sich diejenigen, die diese Operation geplant haben, das vorstellen. (…) Ich verstehe nur, dass die Anerkennung der Krim und des Donbass nur von legalen und international anerkannten Behörden verlangt werden kann. Daher ist es notwendig, mit der Regierung und dem Parlament zusammenzuarbeiten, die wir jetzt haben. Und wie diejenigen, die diese Operation geplant haben, das tun werden, ist mir schleierhaft.