Demokratische Illusion: Warum Liberale bei den Wahlen in Russland scheitern müssen

Seite 3: Russland: Ergebniskorrektur während der Wahl

Sollte eine solche Kampagne keinen Erfolg haben, bleibt noch die Möglichkeit der "Ergebniskorrektur" bei den Wahlen selbst – sei es durch offene Mobilisierung von Behördenmitarbeitern oder andere Manipulationen.

Insbesondere die mehrtägige Stimmabgabe und die elektronische Stimmabgabe, die beide bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen zum Einsatz kommen werden, bieten hierfür Möglichkeiten. Beispiele dafür gibt es auch aus vergangenen Wahlen in Russland.

So lag bei den letzten Duma-Wahlen in Moskau die junge, aussichtsreiche Oppositionskandidatin Anastasia Brjuchanowa nach Auszählung der Stimmen in den Wahllokalen noch in Führung.

Nach dem Einlesen der elektronischen Ergebnisse plötzlich nicht mehr. Hier gab es massive Hinweise, dass nicht nur gegen sie mobilisiert wurde, sondern auch das elektronische Ergebnis gefälscht wurde.

Oppositionelle Politikerin flieht nach Deutschland

Wenn die Bereitschaft dazu schon bei einer nicht so wichtigen Duma-Abgeordneten besteht, dann erst recht bei Wahlen zum Staatsoberhaupt. Wie das politische System in Russland inzwischen funktioniert, zeigt die Art und Weise, wie Brjuchanowa persönlich zu diesem Achtungserfolg gekommen ist.

Sie musste nach Deutschland fliehen und gegen sie wurde ein Strafverfahren eröffnet, weil sie in einem YouTube-Video die Massaker von Butscha als Realität unter Beteiligung russischer Truppen dargestellt hatte.

Auch Achtungserfolge schaffen Probleme

Sollten beide Filtersysteme vor und am Wahltag nicht ausreichen, um den Achtungserfolg eines Liberalen zu verhindern, bleiben die Möglichkeiten der Nachwahl, um das Entstehen einer neuen Symbolfigur zu verhindern. Man findet eine strafrechtliche Anklage, die solche Oppositionelle hinter Gitter oder auf die Flucht ins Ausland bringt.

Dazu muss man seit Kriegsbeginn kein Fundamentaloppositioneller wie Alexei Nawalny sein. Neue Strafrechtsnormen ermöglichen langjährige Haftstrafen, wenn man sich auch nur geringfügig abweichend vom Kreml-Kurs zum Ukraine-Krieg äußert. Der Vorwurf lautet dann „Fake News“ (240 Strafverfahren seit 2022), Diskreditierung der russischen Armee (135) oder gar Unterstützung des Terrorismus (112).

Linker Soziologe Kagarlizky kaltgestellt

Die Folge einer solchen Anklage ist nicht unbedingt eine langjährige Haftstrafe, aber in jedem Fall der Ausschluss aus dem innerrussischen Diskurs. So wurde der linke Soziologe Boris Kagarlizky nach einem Video über den ukrainischen Angriff auf die Krim-Brücke, den er darin keineswegs gutheißt, wegen "Rechtfertigung von Terrorismus" zu einer Geldstrafe von umgerechnet 6.000 Euro verurteilt.

Außerdem saß er monatelang in Untersuchungshaft, wurde auf eine "Liste von Terroristen und Extremisten" gesetzt und darf zwei Jahre lang keine Website betreiben. Die Staatsanwaltschaft nahm Anstoß an dem Titel seines Videos mitr dem Titel "Bombige Begrüßung der Brückenkatze".

Wie können Kriegsgegner in Russland Wahlkampf machen

Das Maskottchen des Bauwerks ist eine dort lebende Katze, die in Russland sehr populär ist. Wie unter solchen Bedingungen der Wahlkampf eines Kriegsgegners ablaufen soll, ist völlig rätselhaft.

Es ist daher eher von theoretischem Interesse, ob der Kreml einen liberalen Kandidaten auf dem Wahlzettel zulassen oder ob man auch bei Nadeschdin die tatsächliche Kandidatur mit irgendwelchen formalen Gründen vereiteln wird. Wie auch immer das Vorverfahren ausgeht: Am fest betonierten innenpolitischen System Russlands kann ein solcher Kandidat nichts ändern.