Der Widerstand der Juristen

Seite 4: Der drohende Normalzustand und wie man ihm entkommt

Restriktive Notmaßnahmen haben trotz gegenteiliger Versicherung die Tendenz, auch in Zukunft bestehen zu bleiben, da man ahnt, sie noch einmal nötig zu haben. Strafgesetze aus der Zeit der RAF-Bekämpfung wie die Paragraphen 129 a und b StGB werden heute gegen Kurdinnen und Kurden angewandt, die Sicherheitsvorkehrungen auf Flughäfen aus der Zeit nach dem 11. September 2001 leisten heute gute Dienste bei der internationalen Pandemiebekämpfung. Wanzen wurden in Wohnungen installiert, Lauschangriffe und V-Leute eingesetzt, "Kronzeugenregelungen" eingeführt und nicht wieder zurückgenommen.

Notverordnungen und Ausnahmezustand haben noch nie zur Entfaltung und Stärkung der Demokratie geführt. Sie drohen sich aber unter den Vorzeichen der Angst um Leben und Gesundheit in das Bewusstsein der Menschen einzunisten. Die Gefahr ist, dass die Einschränkungen zum normalen Alltag in einem immer autoritärer reagierenden Staat werden und der Ausnahmezustand als "neuer Normalzustand", wie es Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nennt, weitgehend akzeptiert wird.

Kritik ist diskreditierbar, aber nötig

Jede kritische Gegenbewegung wird es schwer haben, sich von der Diskreditierung als "Corona-Leugner" oder als Teil der "Querdenker"-Bewegung zu befreien, obwohl das Unbehagen über das Corona-Regime wächst. Stimmen, die auf die weitreichenden Gefahren dieser Politik und die begründete Angst vor einer solchen Entwicklung warnen, sind immer noch selten und vereinzelt zu hören oder zu lesen, wie etwa in der FAZ unter der Überschrift "Die Stunde der Legislative" im Oktober:

"Zweifel daran, ob wir bei der pandemiebekämpfenden Regelung institutionell auf dem richtigen Weg sind, werden schnell als Panikmache gedeutet und von Corona-Leugnern instrumentalisieret. Doch wird mit dem Hochschnellen der Fallzahlen auch klar, dass aus den rechtlichen Provisorien das Frühjahrs ein längerfristiges Arrangement geworden ist. Wir wissen nicht, wie lange welche Maßnahmen notwendig sein werden. Schließlich dürfte der Umgang mit der Pandemie auch als Blaupause für künftige Krisen dienen."

Eine finstere Prognose, denn der Oktober 2020 war durch eben das geprägt, was Rechtsstaat und Demokratie zutiefst gefährdet: massive Eingriffe in die Grundrechte ohne berechenbare Aussicht auf ein Ende. So bleibt nur die Frage, ob und wie eine Pandemie ohne das Instrument der Angst und ohne einen Lockdown, der die Grundrechte beliebig aus- und einschaltet, bekämpft werden kann.

Dass uns die Pandemie noch über das Jahr hinaus beschäftigen wird, ist öffentliche Mehrheitsmeinung. Die Virologen und Regierungspolitiker haben ihre Warnungen mit den Mutationen der dritten Welle geradezu in ein "Perpetuum mobile" verwandelt. Die erstaunlich schnelle Entwicklung von Impfstoffen und ihre Verteilung werden zumindest in Europa die Diskussion entspannen und die Gefahr reduzieren.

Weltweit allerdings könnte es für die ärmeren Staaten ähnlich laufen wie bei den lebenserhaltenden Aids-Medikamenten, da die großen Pharmakonzerne nicht auf ihre hohen Preise verzichten und die Staaten den Patentschutz für die Impfstoffe nicht aufheben werden. Die Bedrohung bleibt - und damit auch die Warnung vor der Überlastung des Gesundheitssystems, mit der bereits der erste Lockdown im März 2020 begründet wurde. Wer seine Kliniken aber zunehmend in private Hände gegeben hat, kann selbst nicht mehr die sichtbaren Defizite an medizinischem Personal beheben.

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