Der Zucker in den ersten 1.000 Tagen prägt fürs Leben

Kleinkind von Zuckerstange zu Diabetes-Messgerät gezogen

Weniger Zucker für Kinder schützt sie in der Folge vor chronischen Krankheiten wie Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck. Süßstoffe sind jedoch nicht die Lösung.

Eine Analyse von Gesundheitsdaten von 60.183 Erwachsenen, die wenige Jahre vor bis wenige Jahre nach dem Ende der Zuckerrationierung, also zwischen Oktober 1951 und März 1956, geboren worden waren, die zeigt, dass weniger Zucker in den ersten zwei Lebensjahren ihr Risiko für Diabetes und Bluthochdruck deutlich senkte.

Knapp acht Jahre nach Kriegsende am 5. Februar 1953 strich die Regierung in London die Süßwaren von der Rationierungsliste. Prompt waren die Briten, die sich seit dem 19. Jahrhundert zu einem Volk von Schokoholics entwickelt hatten, völlig aus dem Häuschen. Kinder im ganzen Land leerten ihre Sparschweine und rannten zum nächsten Süßwarenladen.

Doch der Zuckertraum dauerte nur vier Monate, denn die Industrie war nicht in der Lage, die aufgestaute Nachfrage zu befriedigen und so kehrten Süßigkeiten zurück auf der Liste der rationierten Lebensmittel, wo sich Süßigkeiten und Schokolade seit Juli 1942 schon befunden hatten.

Vorteile der UK-Zuckerrationierung für die Gesundheit der Bevölkerung

Dass Zucker der Gesundheit der Bevölkerung abträglich ist, hat man im Vereinigten Königreich schon vor längerer Zeit erkannt und 2018 eine Steuer auf Zucker in Erfrischungsgetränken wie Limonaden eingeführt, in deren Folge sich die Zuckermenge halbierte, die Kinder dort durch derartige Getränke zu sich nehmen, innerhalb eines Jahres nach Einführung der Steuer.

Eine aktuelle Studie wertete historische Daten im Zusammenhang mit der Zuckerrationierung in Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg aus. In der Zeit, als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien der Zucker rationiert war, konsumierten Einwohner der britischen Inseln im Schnitt maximal 40 Gramm freien zugesetzten Zucker pro Tag.

Das entspricht etwa den heutigen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation sowie der Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die täglich höchstens 50 Gramm freie Zucker empfehlen.

Freie Zucker umfassen Mono- und Disaccharide, die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen, um etwa Brot durch den Zusatz von Zuckerrübensirup oder Karamellsirup dunkler zu färben, um den Anschein von Vollkorn zu erzeugen. Dazu kommen der in Honig, Sirup, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften natürlich vorkommende Zucker.

Bei der Studie machte man sich die historischen Daten zunutze, die damals ungeplant in einem gewissermaßen natürlichen Experiment entstanden. Ihr besonderes Interesse galt den Auswirkungen eines mehr oder minder hohen Zuckerkonsums während der ersten 1.000 Lebenstage dieser Menschen, genauer ab dem Zeitpunkt der Zeugung bis zu ihrem vollendeten zweiten Lebensjahr.

Personen, die zur Zeit der Zuckerrationierung gezeugt worden waren, hatten Jahrzehnte später ein um rund 35 Prozent geringeres Risiko, im späteren Leben an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Diese Stoffwechselkrankheit brach bei ihnen im Schnitt um vier Jahre später aus, als bei Menschen, die schon im Mutterleib höheren Zuckergaben ausgesetzt waren und als Kleinkinder mehr Zucker zu sich genommen hatten.

Man hat in der Studie die Auswirkungen, die Zucker in der frühkindlichen Lebensphase hat, festgestellt. Die genauen Zusammenhänge sind jedoch bisher nicht erforscht. Und wer jetzt auf Süßstoffe ausweichen will, sollte beachten, dass bei diesen eine ähnlich negative Wirkung auf die Nachkommen festgestellt wurde.

Offensichtlich haben alle Süßungszusätze in Lebensmitteln und Getränken letztlich eine prägende negative Auswirkung auf das ungeborene Kind und auf Kleinkinder, die sich auch in den nachfolgenden Lebensjahren auswirken.

Zucker entwickelt sich zu einer immer größeren Gesundheitsgefahr

Dass sich der in der industriellen Nahrungsmittelproduktion aus technischen Gründen im Übermaß eingesetzte Zucker inzwischen als zunehmende Gefahr für die menschliche Gesundheit zeigt, hat sich in der politischen Realität bisher nicht etabliert.

So verhallt die Forderung von Foodwatch nach einer Limo-Steuer nach dem Vorbild Großbritanniens bislang weitgehend ungehört im politischen Raum, obwohl der hohe Konsum von zuckersüßen Getränken durchaus problematisch ist, da sie auch nach den ersten zwei Lebensjahren als Haupttreiber für Adipositas und Typ-2-Diabetes gelten und zudem Karies verursachen.

Foodwatch vergleicht das Vorgehen der Zuckerlobby inzwischen mit den gesundheitlich ebenso verheerenden Aktivitäten der Tabaklobby.

Inzwischen wird der bei Fertignahrungsmitteln nur schwer vermeidbare übermäßige Zuckerkonsum neben Übergewicht und Bluthochdruck auch für das steigende Schlaganfallrisiko bei jüngeren Menschen verantwortlich gemacht. Die auf den Klimawandel zurückzuführenden häufigeren Temperaturextreme in beide Richtungen kommen als Auslöser von Schlaganfällen noch hinzu.

Seit 1990 soll der Anteil, den hohe Temperaturen an Hirninfarktfällen haben, um 72 Prozent gestiegen sein. Dabei ist die Aussage, dass Hitze generell Schlaganfälle begünstige, jedoch nicht belegt, denn auch das andere Extrem scheint gefährlich zu sein.

Eine im Mai 2024 veröffentlichte weltweite Studie hat gezeigt, dass sehr niedrige Temperaturen sogar zu mehr Schlaganfällen und daraus resultierenden Todesfällen führen als hohe Temperaturen.

Während sich die klimatischen Auslöser für Hirninfarkte vom Einzelnen kaum aktiv beeinflussen lassen, sieht dies bei den ernährungsbedingten Ursachen signifikant besser aus. Auch wenn der Aufwand für eine mediterrane Küche vielfach deutlich höher erscheint, als das Aufwärmen von Fertigprodukten wie Pizza oder Tiefkühlprodukten in der Mikrowelle, scheint die damit erreichbare größere Lebenserwartung die Mühe zu lohnen.