Design oder Nicht-Sein: Die lange Reise des VWs — vom Vergaser zum Versager
Seite 2: Introducing Mr Kurt Kroner
Und: ganz wichtig. Die Werbung machte den Amerikanischen Käufer mit einem deutschen Werksarbeiter bekannt, der Tag für Tag, womöglich noch mit einer gemütlichen Pfeife zwischen den Zähnen, jeden einzelnen VW, der vom Band lief, auf Herz und Nieren prüfte. Der Mann hieß Kurt Kroner.
Für den Fall, dass wir geglaubt hätten, (wir, die amerikanischen Autokäufer) es handle sich hier um eine winzige Autofabrik am Nordpol, wo Santa's Helferlein unverdrossen ein solches Spielzeugauto nach dem anderen zusammenschraubten, ließ die Werbung uns wissen, dass Kurt Kroner nur einer von 3,389 Werksinspektoren sei, deren einziger Job es wäre, jeden Schritt bei der Produktion der täglich 3000 Autos in der Fabrik in Wolfsburg zu überwachen. Klammer auf: Ja, ganz recht, es gibt mehr Inspektoren bei uns, als wir Autos bauen — erläutert der Werbetext und scheint dabei dem jugendlichen Leser begütigend auf die Schulter zu klopfen. Das hast du völlig richtig erkannt, mein Junge. Klammer zu.
Dann wandte der Werbetext sich ernsthaft an den Pater familias.
Jeder Stoßdämpfer wird eigens getestet (Stichproben sind für uns einfach nicht gut genug). jede Windschutzscheibe wird minutiös untersucht. VWs sind bei der Kontrolle schon durchgeflogen wegen Oberflächenkratzern, die für das bloße Auge kaum sichtbar waren.
Aber bei der Endkontrolle — da geht es erst wirklich rund! Die VW-Inspektoren führen jedes Auto von der Montagestrecke direkt auf den Funktionsprüfstand, untersuchen insgesamt 189 Kontrollpunkte, und dann geht's auf den automatischen Bremsstand. Für einen VW unter jeweils fünfzig heißt es dann: "Sorry. Prüfung nicht bestanden.
Das Wort "Funktionsprüfstand" fand sich sogar regelrecht auf Deutsch ein, mit wie per Hand eingesetzten Umlaut-Pünktchen auf dem "ü" — als hätte man eben mal bei Wernher von Braun persönlich nachgefragt, ob dieses Auto auch bei einer Mondlandung was taugen könnte. Erst 10 Jahre später lernte das amerikanische Publikum seinen nächsten deutschsprachigen Begriff kennen: "Vorsprung durch Technik" — den Werbe-Slogan der Autofirma Audi.
Den Herrn Kroner traf man in späteren VW-Werbungen nicht mehr an — aber die Idee taugte den Leuten des Merkhefts vom Zweitausendeins-Verlag, die dort regelmäßig ihre "Frau Susemihl" die Bestellungen sortieren ließen.
Design bestimmt das Da-Sein
Nun gibt es hier noch ein paar Punkte anzumerken. Das Design und auch der Text dieser VW-Werbung war zwar komplett neuartig in Amerika, auch, dass sie in S/W gehalten war, war irgendwie wieder neu, jetzt wo alles bunt zu sein hatte, obwohl man sich denken konnte, dass dieses besondere "Schwarz" des Käfers eigentlich ein "Rot" sein musste. Ein richtig "schwarzer" Käfer hätte auf dem Foto wie der Gast auf einem Begräbnis gewirkt. Aber dieses ganze Layout war natürlich in Deutschland längst ein "alter Hut", weil es die Grafik-Handschrift der Zeitschrift "twen" war. Das im Englischen unbekannte Phantasie-Wort "twen" sollte signalisieren, dass man sich an Leser "so etwa ab 20" richtete. Man dachte dabei vielleicht an junge Grafiker und Werkschüler des Jahrgangs 1940, Leute im Alter der Beatles.
Aber die Macher waren Leute, die sich sowas wie "twen" vielleicht schon 1950 gewünscht hätten. Das Blatt wirkte also immer etwas altgvatterisch — oder sonstwie etepetete (verwöhnt, zimperlich, übertrieben fein). Es war ein Magazin zum Durchblättern, nicht eigentlich zum Lesen: Eine Grafiker-Postille.
In Amerika pickte ein Mann namens Jan Wenner ein paar Jahre später (1967) die Idee von "twen" auf und machte eine Zeitschrift daraus, bei der die Leser jede Zeile — auch wirklich lasen. Studierten, begehrlich aufsaugten. Wenners Magazin hieß "Rolling Stone". Seine Leser waren die amerikanischen "twenty-somethings", ein Lesepublikum, das "twen" in Deutschland nie wirklich erreicht hatte. Auch die sehr exklusive "twen"-Schallplatten-Edition kam erst mit ihrer allerletzten Scheibe irgendwann mal in Kontakt mit dem Erdboden. (1971, Rolling Stones, "Sticky Fingers".)
Ob Wenner jemals wirklich ein Heft von "twen" gesehen hat, sei dahingestellt. Aber er kannte die VW-Werbung, die circa 1967 auch mal — erstmals — in Farbe erschien, in knalligem Kodachrome. Doch damals, am Anfang, hatte VW zunächst noch seinen ersten richtigen Knaller anzubieten.
Es war ja nicht so, als ob dieser Volkswagen soeben erst von einem überdimensionalen Storch abgesetzt worden wäre. Da gab es den langen Vorlauf, die Wiese von Wolfsburg,1938 Adolf Hitler, und dazu Ferdinand Porsche, den Ingenieur, der das Modell seines "Kraft durch Freude"-Automobils beim "Führer" vorstellte. "Ja und sehen Sie, mein Herr Führer," so (können wir uns vorstellen) befleißigte sich Porsche, "und hier ist der Motor." Er macht die Klappe auf vorne, und — es ist kein Motor drin. — "Ja, was ist denn da passiert? Schweinerei! Der Motor fehlt!"— Der Führer, der nicht sonderlich viel von der Materie versteht, steht kurz vor dem Ausraster. Man wagt es, ihm, dem Großen Vergaser, ein defektes Modell seines Wunsch-Automobils für das deutsche Volk zu päsentieren? "Aber nein, mein Herr Führer, schauen Sie, da ist er ja, der Motor. Er ist im Heck. Es ist ein Auto mit Heckantrieb. Direkt auf die Räder hinten geht der Antrieb, dort, wo er hingehört. Ideal, etwas ganz Neues!" — Ja, und der Führer freut sich wie ein Kind, was für ein gelungener Scherz, der Motor ist hinten drin, vor lauter Freude muss er fast schon die Backen am eigenen Hintern zusammen kneifen, da hinten ist der Motor drin. Und es gibt ein Foto davon.
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