Die AfD und Tabus in der Debatte: Warum die politische Mitte versagt

Seite 2: Die AfD schweigt zum Rechtsextremismus

In den rechten und konservativen Kreisen übt man sich derweil in mühevollen Verrenkungen, die Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem Potsdamer "Geheimtreffen" von sich zu weisen oder kleinzureden.

Offenbar scheitert man lieber bei dem Versuch, die Fassade lupenreiner Demokraten in der AfD aufrechtzuerhalten, statt rechtsextreme Positionen als Problem zu benennen. Beispielhaft sei das jüngste Gespräch von Tino Chrupalla (AfD) mit Sandra Maischberger und dem grenzwertig-aktivistischen RBB-Journalisten Olaf Sundermayer genannt.

Der CDU, obwohl in Potsdam gegenüber der AfD an Mitgliedern überzählig vertreten, gelingt es indessen, sich den Anti-Rechts-Demos anzuschließen, ohne sich ihrerseits dem Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit auszusetzen. Das mag an der Distanzierung durch die angedrohten Parteiausschlussverfahren gegen die Teilnehmer der Potsdam-Konferenz liegen.

Und möglicherweise auch daran, dass eine Koalition mit den zuvor gemeinsam gescholtenen Grünen – plötzlich doch – nicht mehr ausgeschlossen wird.

Die Gleichführung von "rechts" und "Staatsfeind"

Beim Aufruf der Regierungsparteien zum Protest haben rechte Kreise überdies schnell Vergleiche zu autoritären Staatsformen wie der DDR und dem kommunistischen Regime unter Mao Zedong gezogen.

So etwa zur "Anti-Rechts-Kampagne", bei der im kommunistischen China der 1950er Jahre Staatsbürger willkürlich zu Staatsfeinden erklärt wurden, um sie als Kritiker mundtot zu machen – oder mehr.

Auch wenn eine direkte Gleichsetzung sich hier ebenso verbietet, ist die eingangs genannte Gleichführung von "rechts" und "staatsfeindlich" doch unübersehbar.

Wohl, weil solche Gleichführungen auch die CDU träfen, fühlte sich der schwarzgrüne Landesvater Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann (Grüne) – einst selbst überzeugter Anhänger Maos – jüngst zu einer Richtigstellung berufen. "Rechts darf man sein", ließ er die Öffentlichkeit wissen.

Die Tabulücke der deliberative Demokratie

Allein, dass es dieser Klarstellung bedurft haben soll, wirft kein gutes Licht auf die dialogverpflichtete "deliberative Demokratie", wie sie Jürgen Habermas zur Norm erhoben hat.

Was hier passiert, lässt sich vulgär-diskurstheoretisch aber so beschreiben: Das nahezu totale Tabu über dem Thema Migration hat dazu beigetragen, dass nur die politischen Randkräfte sich noch über den Horizont des gesellschaftlich Sanktionierten wagen. Die Rechten ergründen sozusagen im strammen Alleingang das Niemandsland hinter den Gedankenverboten.

Potsdam ist nicht mit der Wannseekonferenz gleichzusetzen, wie es in der Correctiv-Recherche mit unseriösen Stilmitteln ("Womöglich ist es auch Zufall, dass...") nahegelegt wird. Eher schauten die Gäste des Landhauses Adlon durch ein ziemlich verstaubtes Overton-Fenster.