Die AfD und Tabus in der Debatte: Warum die politische Mitte versagt
Seite 3: Die Realität rückt näher
Die von Correctiv unsauber zwischen den Zeilen versteckten Vergleiche zum Völkermord der Nationalsozialisten konzentrieren sich auf eine Gruppe von Akteuren, statt darauf, warum deren Forderungen immer näher an der "umzingelnden Wirklichkeit" sind, um mit dem Wirtschaftsminister zu reden.
Und wenn drängende Themen verdrängt werden, kehren sie früher oder später in problematischer – oder eben: extremistischer – Form zurück. Es gibt genügend Beispiele für solche Diskursverschiebungen unter Zwang.
Diskursverschiebungen
Mit dem Bundestags-Beschluss zur entsprechenden Verfahrenserleichterung konnten die Sozialdemokraten jüngst das Kanzler-Versprechen einer Abschiebung "im großen Stil" einlösen, das an der Parteibasis für reichlich Unmut gesorgt hatte.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits im vergangenen Jahr erklärt, Barrieren zur Abschiebung von Angehörigen krimineller Clans abzubauen. Die Radikalität hinter diesem Vorstoß wird allerdings dadurch konterkariert, dass Schätzungen zufolge zwei Drittel jener Angehörigen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Wenn es nach der Regierungskoalition aus CDU, FDP und Faesers SPD in Sachsen-Anhalt, respektive um die Anerkennung des Staates Israel geht, wird die deutsche Staatsbürgerschaft dagegen zur politischen Verhandlungsmasse.
Auch eine Übersiedlung ausreisepflichtiger Asylbewerber in afrikanische Exilregionen ist längst nicht mehr nur eine reaktionäre Fantasie der Rechten und Rechtsextremen. Das zeigte das Vereinigte Königreich bereits im vergangenen Jahr mit seinem umstrittenen "Ruanda-Pakt", dem das Unterhaus im Januar seinen Segen erteilte.
Großbritanniens unrühmliche Vergangenheit im Zusammenhang mit dem "Uganda-Programm", das unter Billigung antisemitischer und rassistischer Politiker eine endgültige Ausweisung aller jüdischer Mitbürger vorsah, konnte Premier Rishi Sunak nicht davon abhalten.
Es gibt keine Alternative
Die entscheidende Frage dürfte bei alledem aber lauten: Wie viel kognitive Dissonanz verträgt auch der wohlmeinendste Teil der deutschen Bevölkerung?
Wie lange kann der zum politischen Code verdinglichte Nazi-Begriff noch gegen Strömungen mobilisiert werden, die "völkische" Ideen als letzten Ausweg aus einer Notlage empfinden? Und vielleicht gar nicht einmal deshalb, weil die betreffenden Personen zutiefst "völkisch" denken, sondern, weil sie keine anderen Auswege mehr sehen?
Je unerbittlicher das Bündnis gegen rechts, desto weniger wird Jan Fleischhauers "Nazis rein" im Sinne einer Radikalisierungsprävention noch funktionieren.
Denn bei allem "nie wieder" verteidigen die Gegner der "Alternative für Deutschland" doch – willentlich oder nicht – eine gesellschaftspolitische Konstante, die gerade unter Linken als neoliberales Mantra bekannt sein müsste: There is no alternative.