Die CIA, das FBI und der Unantastbare
Seite 2: David Sánchez Morales
Wo sich David Morales am Tag des Attentats aufhielt, ist unklar. Der US-Amerikaner mit mexikanisch-kubanischen Wurzeln arbeitete seit den frühen 1950er Jahren als Harveys Handlanger bei verdeckten Operationen wie dem Regierungsumsturz in Guatemala.
Er galt als führender Killer in Lateinamerika. Morales hatte zwischenzeitlich für den kubanischen Diktator Batista gearbeitet und leitete seit 1961 verdeckte Operationen der CIA-Station in Miami gegen Castro.
Morales hasste die Kennedys mit Inbrunst, da er persönlich rekrutierte Kubaner in der Schweinebucht hatte sterben sehen, und machte Andeutungen, dass die CIA-Leute sich des "Hurensohns" (JFK) angenommen hätten.
Zeugen wollen Morales auf einem Foto im Ambassador Hotel beim Mord an Robert Kennedy identifizieren. Morales arbeitete später auch für den rechtsgerichteten chilenischen Diktator Pinochet. Als sein Kollege David Attlee Phillips zu Morales befragt wurde, spielte der Morales Rolle herunter und behauptete fälschlicherweise, er sei tot.
Edward Lansdale
Nach dem Versagen der CIA in der Schweinebucht suchten die Kennedys neues Führungspersonal für Subversion gegen Kuba. Aus dem Militär wurde General Edward Lansdale empfohlen, der für unkonventionelle Methoden bekannte war. Lansdale konzipierte Subversion gegen Kuba, die obskure Desinformations- und Terrorkampagnen vorsahen, sowie Flugzettel mit Belohnungsversprechen für Mord und eigene Anschläge.
Die Verständigung zwischen Kennedy und Chruschtschow während der Kubakrise beendete jedoch das Programm faktisch. Lansdale quittierte Wochen vor dem Attentat seine Mitarbeit.
Lansdales Untergebener, Air Force-Geheimdienstler Fletcher L. Prouty, war Verbindungsmann zur CIA gewesen und hatte eng mit Dulles und LeMay gearbeitet. Prouty beteuerte, Lansdale auf einen Foto eines Verdächtigen wiederzukennen, der an der Daeley Plaza vorrübergehend festgenommen wurde.
James Jesus Angeleton
Der verhinderte Literat James Angleton war seit dem Zweiten Weltkrieg mit Gegenspionage, führte mit der inneren Revision eine "CIA innerhalb der CIA" und war über die delikatesten Geheimnisse der CIA informiert.
Zu Zeiten des Warren-Berichts hatte die CIA eine Beobachtung Oswalds abgestritten. Tatsächlich jedoch ließ sich der ranghöchste CIA-Mann für das Spiel mit Doppelagenten bereits seit 1959 persönlich berichten, was auf ein besonders hohes Interesse schließen lässt. Naheliegend ist auch eine Verwendung Oswalds als Doppelagent im Inland, denn Angleton kannte insoweit keine Scheu.
Unter Johnson etwa setzte Angleton die für das Ausland konzipierten aggressiven Methoden wie psychologische Kriegsführung auch gegen die eigene Bevölkerung zur Zersetzung der Proteste gegen den Vietnamkrieg ein. Für Bush leitete er 1976 das Team B, das im Sinne der Falken die militärischen Fähigkeiten der Sowjetunion maßlos übertrieb.
1985 gestand Angleton dem Historiker Joseph Trento, dass die Gründerväter des US-Geheimdienstes Lügner gewesen seien und nach absoluter Macht gestrebt hätten. Die CIA habe Zehntausende anständiger Menschen getötet und mit Menschenleben gespielt, als ob sie ihnen gehört hätten. Zu den Namen, die Angleton nannte, gehörte Allen Dulles.
Earle Cabell
Der beim Attentat amtierende Bürgermeister von Dallas Earle Cabell war Bruder von Air Force-General Charles P. Cabell gewesen, der seit 1954 ein Vizedirektor der CIA war, bis Kennedy dessen Karriere nach dem Schweinebuchtdesaster beendete. Charles hatte die illegalen U2-Überflüge zu verantworten und damit auch den inkaufgenommenen Abschuss der U2, mit dem Allen Dulles die Friedensgespräche Eisenhowers mit Chruschtschow sabotierte.
Bis 2017 wurde zurückgehalten, dass auch Earle Cabell selbst zur CIA gehörte. Außerdem war Cabell Mitglied in der CIA-Frontorganisation "Texas Crusade for Freedom".
Earle Cabell unterstand die Polizei in Dallas, mit welcher die Fahrtroute des Präsidenten abgestimmt wurde. Diese machte einen überflüssigen Schlenker über die Elmstreet, die den Fahrer vor einer Kurve zum Drosseln des Tempos veranlasste. Dann führte die Route an einem Grashügel vorbei. Die Elmstreet auf der Dealey-Plaza bot ein perfektes Schussfeld etwa für Positionen aus den Hochhäusern, vom Grashügel und von der Brücke des Triple Underpass.
Alfred Ulmer
George H. W. Bush hatte nachweislich am Vorabend des Attentats in Dallas eine Rede gehalten. Neutrale Zeugen dafür, dass Bush während den Schüssen die Stadt wirklich verlassen hatte, sind nicht bekannt.
Barbara Bush lancierte einen angeblich am 22.11.1963 geschriebenen, auffallend geschwätzigen Brief ohne klaren Empfänger, demzufolge das Ehepaar Bush am Tag des Attentats das Ehepaar Ulmer im texanischen Tyler besucht haben will. Die Umstände der angeblichen An- und Abreise am selben Tag aus und nach Dallas enthalten zahlreiche Ungereimtheiten.
Auch das Alibi ist spannend. OSS-Veteran Alfred Ulmer war Mitglied der CIA-Abteilung für verdeckte Staatsstreiche etc. gewesen und hatte eng mit Allen Dulles sowie Desinformationsspezialist Robert Maheu gearbeitet. Ulmer gehörte zu den 1961 von Kennedy gemeinsam mit Dulles entlassenen CIA-Leuten, arbeitete danach jedoch für eine Firma, die in Wirklichkeit der CIA gehörte.
Das FBI notierte auch einen angeblichen Anruf von Bush aus Tyler, der an diesem Tag einen hitzköpfigen Republikaner wegen einer Mittäterschaft am Kennedy-Mord anschwärzte. Der Verdacht erwies sich als haltlos, führte jedoch zu einer Notiz, Bush sei während des Attentats in Tyler gewesen. Es stellte sich heraus, dass der FBI-Agent, mit dem Bush telefonierte, ein alter Freund von Bush gewesen war.
Clarence Douglas Dillon
Investmentbanker Clarence Dillon war eng mit den Gebrüdern Dulles und den Rockefellers befreundet. John Foster Dulles, der in den 1950er-Jahren die Regierung Eisenhower kontrollierte, hatte von Krankheit gezeichnet seinen Lebensabend auf Dillons Anwesen verbracht.
Als Finanzminister unterstand Dillon der Secret Service, der neben dem Schutz für die Währung auch für die Sicherheit des Präsidenten und dessen Familie zuständig ist. In das Ressort des Dillon fielen die Entscheidungen, das kugelsichere Verdeck der Präsidentenlimousine abzunehmen, die Personenschützer von den Trittsteigen auf dem Präsidentenauto abzuziehen und auf die seitliche Motorradeskorte zu verzichten.
Die laxen Sicherheitsmaßnahmen waren unverständlich, weil der Secret Service Tage zuvor mehrere Exilkubaner festgenommen hatte, die Kennedy von Häusern aus mit einem Präzisionsgewehr hatten töten wollen. Der Fahrer, der zu langsam fuhr und nach dem ersten Schuss entgegen seines Trainings nicht beschleunigte, sondern abbremste, wurde hierzu nicht befragt. Bevor man im Wagen Spuren sichern konnte, wurde dieser gereinigt und repariert.
Der Secret Service verweigerte dem Pathologen in Dallas unter Androhung von Waffengewalt den Zugriff auf die Leiche, stattdessen ließ man diese eigenmächtig in ein Militärkrankenhaus in Maryland zu einer unprofessionellen Obduktion ausfliegen, bei der etliche Beweismittel verschwanden.
Ausgerechnet Dillon, dessen Secret Service auf mehreren Ebenen versagt hatte, wurde später Mitglied der Rockefeller-Kommission, welche die angeblich so hohe Qualität des Warren-Report bestätigte.
Desinformation
Mit welchen Methoden die CIA die Öffentlichkeit mit Halbwahrheiten fütterte, erklärte 1977 der ehemals für Desinformation zuständige Frank Snepp. Allen Dulles allerdings standen zur Manipulation von Gate Keepern direktere Wege zur Verfügung. Mit dem Medienzar Henry Luce war Dulles so eng befreundet, dass beide Frauentausch praktizierten.
Luce war Herausgeber des Time Life Magazins gewesen, das 1938 Hitler als "Mann des Jahres" gepriesen und 1963 den Zapruder-Film kaufte, um ihn über Jahre hinweg im Tresor zu verstecken. Zur Bekämpfung des Kommunismus hatte die CIA unter der Code-Bezeichung Mockingbird (Spottdrossel) Kontakte in Redaktionen gehalten, um entsprechende Berichterstattung zu kontrollieren.
Die CIA-Leute hatten definitiv die Mentalität und die Fähigkeit, um einen Staatsstreich wie ein Attentat eines politischen Gegners oder Verwirrten aussehen zu lassen.
Doch auch Geheimdienste sind nur Werkzeuge der Macht, nicht die Entscheidungsträger. Selbst Intrigant Allen Dulles, der seine Präsidenten zu hintergehen pflegte, handelte im Interesse und Auftrag anderer, etwa seines mächtigen Bruders, seiner Mandanten und Unternehmerfreunde. Zudem spielte Dulles auch eher Schach als Poker.
Für den Entschluss zum Staatsstreich im eigenen Land in einer traditionellen Demokratie jedoch brauchte man einen rustikalen Draufgänger, der seinen fanatischen Willen ohne Rücksicht auf Grenzen oder Verluste risikofreudig durchsetzte, Bedenkenträger verachtete, Präsidenten kürte, über beste Kontakte in den Staatsapparat verfügte und sich aufgrund seiner Macht für unantastbar hielt.
Einen solchen Mann gab es.