Die CIA, das FBI und der Unantastbare

Seite 4: Kill the killer

1962 wünschte Hunt ein Treffen mit Joe Civello, dem Oberhaupt der Mafia-Familie in Dallas, und ließ sich dessen Strategien erklären. Civello empfahl, mit einem Mord am besten jemand Unbeteiligtes zu beauftragen, dann aber den Mörder zu beseitigen. Wenn dies nicht möglich sei, müsse ein Festgenommener dazu gebracht werden, auf "schuldig" zu plädieren, um weitere Untersuchungen zu verhindern.

Hunt erkundigte sich, welche Bank Mafia-Kreise in Chicago bevorzugten und eröffnete dort ohne für Curington erkennbaren Sinn ein Konto, auf dem er einen hohen Betrag einzahlte. Hunt bezeichnete Civello fortan als "the man".

Chicago war das Revier von Sam Giancana, der damals bereits in die CIA-Operation Mongoose involviert war und Castro ermorden sollte.

Wilde Maus

Auf der jährlichen Texas-Ausstellung in Dallas war auch Hunt mit einem großen Stand für sein Life Line-Programm vertreten, wo attraktive junge Texanerinnen für Hunts Rechtspopulismus mit Freigetränken warben. Seinen Kreuzzug für ein konservatives Amerika wollte Hunt auch auf der Weltausstellung 1964 in New York angemessen zur Geltung bringen.

Mit dem Ausstellungsleiter wurde Hunt 1963 handelseinig. Um Fläche auch für seine Propaganda zu bekommen, sollte Hunt für die Messe einen kompletten Vergnügungspark stellen. Hunt sandte Curington nach Deutschland, um dort sowohl ein Karussell als auch eine moderne Achterbahn mit dem Namen "Wilde Maus" einzukaufen. Vizepräsident Johnson ließ auf Zuruf binnen Stunden hierzu einen Reisepass organisieren.

Als Hunt bereits einen zweistelligen Millionenbetrag in das Projekt investiert hatte, teilte ihm der Messeleiter mit, dass seine politische Propaganda nun doch unerwünscht sei. Die Schwarzen würden Hunt nicht mögen, ebenso wenig die (von Hunt ebenfalls attackierten) Juden, und er im Übrigen auch nicht. Die Kündigung käme von ganz oben. Hunt schloss auf Kennedy.

I've about got a belly-full of those Kennedy boys. They both need to go.

H.L. Hunt

Bobby Baker

Handfester als gekränkte Eitelkeit war allerdings die fatale Aussicht, mit Johnson seinen Mann im Weißen Haus zu verlieren. Dass die Kennedys ihren ungeliebten Vizepräsidenten zur kommenden Wahl fallen lassen würden, war eine ausgemachte Sache, denn Robert Kennedys Justizministerium ermittelte gegen Johnson und dessen engsten Mitarbeiter Bobby Baker wegen des Korruption.

Pikanterweise hatte Baker John F. Kennedy in seinem Hostessen-Club etwa Ellen Rometsch zugeführt, die wegen ihrer Herkunft aus der DDR den Präsidenten mit Kommunismus kontaminierte.

Baker wurde tatsächlich angeklagt und zu einer Haftstrafe verurteilt, Johnson allerdings blieb solches erspart – denn der war plötzlich Präsident.

08.11.1963

Lee Harvey Oswald, der auf Vermittlung des mit Hunt langjährig befreundeten de Mohrenschildt nach Dallas gezogen war, schrieb an Hunt einen kurzen, konspirativ wirkenden Brief, in dem er sich nach Information über seine Position erkundigte. Curington bestätigte, dass er das Schreiben für Hunt empfangen hatte.

Der dem FBI vorliegende Brief wurde in den 1970er Jahren bekannt und von de Mohrenschildt sogar mit einer Andeutung kommentiert.

21.11.1963

Am Vorabend des Mords waren neben Kennedy und Johnson auch andere spannende Gäste in Dallas. Nixon hielt eine Rede bei Pepsi Cola, George H. W. Bush sprach vor Ölmännern, CIA-Agent E. Howard Hunt dürfte auch bereits eingetroffen sein. Allen dreien gemeinsam ist, dass sie später die Behörden ohne Not über ihre Anwesenheit am 22.11.1963 in Dallas belogen.

Curington hatte wenig Zeit auf die Thesen zum Kennedy-Mord verwendet, sondern glaubte sogar an Oswald als Alleintäter. Eine Story jedoch störte ihn. So behauptete 1997 Johnsons Geliebte Madeleine Brown, Johnson habe ihr 1964 verraten, dass die CIA und die Ölleute in den Mord involviert gewesen seien. Sie schmückte ihre Kolportage mit einer Legende von einer Party bei Murchison aus, bei der Millionäre um Hunt, Politiker, Mafiosi und sogar Hoover persönlich am Vorabend den Mord abgesegnet hätten.

Curington bestreitet eine solche Party vehement. Als Hunts rechte Hand sei Curington stets über dessen Aufenthalt informiert gewesen und hätte im Vorfeld erfahren, wenn Freunde in der Stadt gewesen wären.

Auch Zeugen sprechen dagegen, dass sich die von Brown beschuldigten Personen an diesem Abend bei Murchison trafen. Allerdings pflegten die Genannten durchaus enge Kontakte und teilten Interessen.

22.11.1963

Johnson hatte Kennedy zu einem Besuch nach Dallas eingeladen. Beim Autokorso zum Dallas Trade Mart machte Gouverneur Conally beim Passieren des Mercantile National Bank Buildings an der Main Street Kennedy auf Hunts Büro im siebten Stock aufmerksam. Wie Curington berichtet, winkte der Präsident sogar zum reichsten Mann des Landes herauf. Als Curington Minuten später telefonisch von den Schüssen erfuhr und seinem Chef berichtete, zeigte Hunt keine Reaktion.

23.11.1963

Hunt beauftragte Curington am Samstag nachmittag, auszukundschaften, wie gut Oswald im Polizeipräsidium bewacht werde. Curington betrat das Polizeirevier ungehindert und begegnete im Fahrstuhl sogar zufällig dem abgeführten Oswald und dem ihm bekannten Captain Will Fritz.

Jeder hätte Oswald problemlos lynchen können. Um 1.30 Uhr nachts traf Curington in Hunts Haus ein und berichtete ihm von den fehlenden Sicherheitsmaßnahmen. Hunt ließ Curington noch um 2 Uhr nachts "the man" anrufen und für 7 Uhr morgens auf seine Ranch bestellen. Über den Gesprächsinhalt mit Civello hat Curington keine Information.

24.11.1963

Sonntags in der Kirche wurde Hunt ein Zettel mit der Nachricht gereicht, dass Ruby Oswald getötet hatte. Curington kannte Ruby, denn er hatte den Club häufig dienstlich aufgesucht, um Firmenkunden, die er im Hotel einquartiert hatte, Stripperinnen als Callgirls zuzuführen. Noch am Vortag des Kennedy-Mords hatte Ruby eine Frau zum Vorstellungsgespräch bei Sohn Lamar Hunt chauffiert.

Inzwischen ist bekannt, dass Ruby nicht einmal selbst Besitzer "seines" Nachtclubs war, sondern dieser dem Südstaaten-Paten Carlos Marcello gehörte. Die Mafia-Verbindungen von Ruby und damit seine Eigenschaft als Befehlsempfänger waren im Warren-Report verschwiegen worden. Dort war er einfach nur ein "Nachtclubbesitzer".

Als Civello 1970 starb, fungierte ein hoher Mitarbeiter von Hunt als offizieller Sargträger, ohne dass Curington einen Bezug Civellos zur Firma erkennen konnte.

Als Ruby Oswald in der Tiefgarage auflauerte, soll für den ungesicherten Transfer des Gefangenen Lieutenant George Butler zuständig gewesen sein. Butler war regelmäßig zu Gast in Hunts Büro und ein enger Vertrauter, mit dem man Dinge auf dem kurzen Dienstweg erledigen konnte.

Unantastbar

Hätte Oswald beim Verhör einen Kontakt mit dem mächtigsten Mann der Stadt oder dessen Freunden wie etwa de Mohrenschildt oder gar die CIA erwähnt, hätte der mit Hunt gut befreundete Captain Will Fritz vermutlich das Verhör abgebrochen und Aufzeichnungen jeglicher Art verschwinden lassen. Genau dies passierte. Polizist Roger Craig sagte aus, Oswald habe sich verhalten wie jemand, der Sorge um seine Tarnung hätte.

Obwohl jeder seinen Hass auf die Kennedys kannte, wurde Hunt nie von den Behörden zum Kennedy-Mord befragt.

Der mit Hunt konspirierende FBI-Chef Hoover sorgte sich, wie man heute weiß, vielmehr darüber, ob er die Oswald-Story verkaufen konnte. Ruby plädierte für den Mord an Oswald auf schuldig, so dass auch dieser Fall erledigt war. Auch Captain Fritz hatte Besseres zu tun, als den wichtigsten Steuerzahler und Arbeitgeber der Stadt und die Elite der texanischen Ölmilliardäre zu belästigen. Ebenso wenig interessierte sich die Warren-Kommission für Hunt, obwohl dessen Name immer wieder fiel.

Selbst Bezirksstaatsanwalt Jim Garrison aus New Orleans tauchte eines Tages in Hunts Büro nicht zum Verhör auf, sondern bat ihn um Spenden ausgerechnet zur Finanzierung seiner Ermittlungen zum JFK-Fall. Auch Curington wurde nicht einmal Mitte der 1970er Jahre befragt, als man die Attentate genauer unter die Lupe nahm.

Die Medien ließen Hunt nahezu ungeschoren.

Marina

Etwa einen Monat nach dem Attentat verlangte Hunt an einem Wochenende, die Tür des Mercantile National Bank Buildings zu einem Nebengebäude zu verriegeln und anwesende sowie eintreffende Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Wenn eine Frau in der Lobby erscheine, solle Curington diese weder ansehen noch ansprechen.

Tatsächlich wurde mit Fahrzeugen, die Curington dem FBI oder dem Secret Service zuordnete, eine Frau vorgefahren. Obwohl sie einander ignorierten, konnte er nicht übersehen, dass es sich um die in den Medien dauerpräsente Marina Oswald handelte. Vor einem Ausschuss bestritt sie später, Hunt jemals getroffen zu haben.

Die einzige Person, die Curington während des Besuchs im Gebäude sah, war allerdings Hunt gewesen. Bereits Stunden nach dem Attentat hatte Hunts Freund Jack Crighton Marina Oswald einen Übersetzer geschickt und sie dadurch unter seine Kontrolle gebracht.

Regierung Johnson

Nach den Morden hatte Hunt wieder einen Präsidenten im Weißen Haus, den er ebenso wie Hoover jederzeit direkt anrufen konnte, etwa wenn er für arabische Geschäftspartner eine US-Staatsbürgerschaft benötigte. Die Oil Depletion Allowance wurde nicht aufgegeben.

Johnson revidierte unverzüglich Kennedys PolitikY und gab Rüstungsindustrie, Kommunismus-Paranoikern und Militärs wie General leMay den Vietnamkrieg. Auch über den Anlass hierzu und dessen Verlauf belog Johnson die Öffentlichkeit von vorne bis hinten.

Johnson hatte die Untersuchung des Mords zunächst dem von Hoover kontrollierten FBI und den texanischen Behörden überlassen wollen. Nach der Ermordung von Oswald ausgerechnet im Polizeipräsidium schwand jedoch das Vertrauen in die Polizei von Dallas.

Einer Meinungsumfrage nach glaubten damals nur 29 Prozent an Oswald als Alleintäter. Daher stellte Johnson eilig nun doch eine politische Kommission mit Gewährsleuten zusammen. Kommissionsmitglied Gerald Ford berichtete über den Ermittlungsstand heimlich an Hoover.

Die prominente Journalistin Dorothy Kilgallen, die den Warren-Bericht 1964 vehement kritisiert hatte, verstummte 1965 unerwartet für immer, ohne dass ihr Notizbuch mit den Recherchen und Informanten gefunden wurde. Der Prozess von Garrison wurde 1967 von der Presse attackiert und misslang. Warren, eigentlich auf Lebenszeit gewählt, ging 1968 in den Ruhestand.