Die CIA, das FBI und der Unantastbare
Seite 3: Der Spieler
Haroldson Lafayette Hunt (1889-1974) pflegte einen bescheidenen Lebensstil. Seinen Lunch nahm er in einer Papiertüte zur Arbeit mit. Seine Anzüge kaufte er von der Stange und trug eine Fliege, so dass man ihn im Hotel einmal mit dem Personal verwechselte. Er besaß keine teuren Autos, Jachten oder Paläste.
Obwohl er als größter Grundbesitzer der Welt über ansehnliche Ländereien, Fischteiche und riesige Viehbestände verfügte, wurde er nie beim Jagen, Angeln oder Reiten gesehen. Er interessierte sich weder für Kunst noch Kultur, ins Kino zogen ihn einzig die James-Bond-Filme.
Der seit den 1940er Jahren reichste Mann der Welt war sich nicht dafür zu schade, um im Regen stehend mit einem New Yorker Taxifahrer um sechs Cent Trinkgeld zu streiten, die er wegen Undank zurückforderte. Hunts private Leidenschaft galt neben seinen drei Familien und dem Glücksspiel mit Freunden vor allem seiner Obsession für Konservativismus.
Seit den 1950er-Jahren interessierte sich Hunt für Politik, und diese für sein Geld. Selbst zog es den ungebildeten Unternehmer nicht in die Politik, jedoch war Hunts Ranch dem Haus von George Washington nachempfunden. Als Mitglied der Suite 8F-Loge der texanischen Ölmillionäre nahm Hunt Einfluss auf die politische Elite in Texas und Washington DC. Politikern, die ihm nützlich erschienen, finanzierte er über Parteigrenzen hinweg Wahlkämpfe, darunter McArthur, Eisenhower, Johnson, Goldwater, Walker, Wallace, Nixon, Ford und Bush.
Seine konservative Weltsicht propagierte er mit seiner Stiftung Facts Forum, die etwa Bücher von Hexenjäger Joseph McCarthy verbreitete. Er produzierte die rechtspopulistische Radiosendung Life Line, in der er tägliche landesweit 15 Minuten auf über 500 Radiostationen gegen Kommunismus agitieren ließ.
Hunts Tiraden gegen politische Gegner erreichten sieben Mal die Woche fünf Millionen Hörer. Den konservativen Baptistenprediger W. A. Criswell machte Hunt in Dallas zum reichsten Kirchenfürst des Landes.
Hunt pflegte ausgiebige politische Freundschaft mit dem gleichermaßen rechtskonservativen FBI-Direktor J. Edgar Hoover, der ihn für Life Line mit Kolportagen über gemeinsame Feinde wie etwa Martin Luther King versorgte, die Hoover rechtswidrig abhören ließ. Wegen seinem umfangreichen Kompromat überlebte Hoover im Amt acht Präsidenten und galt als unantastbar.
Wie aus dem Nachruf von 1975 ersichtlich, wurde H. L. Hunt wegen seiner Tiraden gegen Kennedy häufig mit dem Attentat in seiner Stadt assoziiert.
John Curington
Nach einem halben Jahrhundert beschloss 2018 Hunts einstiger Sachwalter John Curington, dass es an der Zeit sei, seine Memoiren zu veröffentlichen. Praktisch alle, die es betraf, waren inzwischen verstorben, auch die meisten von Hunts rechtsextremen Söhnen.
Der einfache Anwalt Curington hatte unverhofft einen Job als persönlicher Assistent von Hunt bekommen und behalten, weil er Dinge erledigte, ohne zu fragen, zu kommentieren oder mit Small Talk zu belästigen. Hunt übertrug dem verschwiegenen Curington Aufgaben, weil dieser von vielen Geschäften keine Ahnung hatte, Hunt sich aber genau davon schnellere Entscheidungen als von Bedenkenträgern versprach.
Curington begleitete seinen Chef zwölf Jahre lang, trug Geldkoffer durch die Welt und bekam wegen der stets offenen Bürotür von Hunt jede Menge Einsicht in die Welt des exzentrischen Multimilliardärs.
Oberhalb von Hunt gab es niemanden. Seine Pläne allerdings besprach Hunt nicht einmal mit seinem vertrautesten Mitarbeiter Curington, der lediglich Aufträge auszuführen hatte. Wenn Curington Geldkoffer in der Schweiz abholte oder an Geschäfts- und Glücksspielpartner oder dubiose Anwälte ablieferte, hatten ihn die Gründe nicht zu interessieren. Auch seinem engsten Mitarbeiter hinterließ Hunt viele Rätsel.
Der betagte Curington will Hunt weder glorifizieren noch ihm etwas unterstellen, sondern der Nachwelt seine Eindrücke korrekt hinterlassen. Der prominente Pathologe Dr. Cyril Wecht, der schon den Film "JFK" fachlich beriet, überzeugte sich von Curingtons Authentizität und lieferte das Vorwort zu dessen Buch, in dem auch etliche Dokumente Hunts abgebildet sind.
Erstaunlicherweise löste die Publikation kaum Medienresonanz aus. Auch, wenn Curington keine smoking gun verspricht, sind seine Informationen höchst aufschlussreich und zeichnen ein Bild eines bauernschlauen Falschspielers, der seine Präsidenten kaufte und abservierte wie einst die Fuggers ihre Kaiser.
Parteitag 1960
Hunt besuchte stets die Parteitage beider Großparteien. Auf dem Parteitag der Demokraten 1960 wollte Hunt seinen Lobbyisten Lyndon B.Johnson als Präsidentschaftskandidat platzieren, spürte aber, dass Kennedy das Rennen machen würde.
Weder wollten die Kennedys Johnson als Running Mate noch wollte dieser Vizepräsident der Kennedys sein. Um seinen Einfluss im Weißen Haus zu wahren, überzeugte Hunt Johnson mit dem Hinweis, dass ja vieles passieren könne. So habe Kennedy eine schwache Gesundheit und etliche Frauen-Geschichten, sodass Johnson ja vielleicht nachrücken könne.
Bereits damals sinnierten Hunt und dessen rechtsextremer Sohn Nelson Bunker Hunt über eine "Removal Gruppe", die ungeliebte Politiker abservierte, wollten etwa kommunistische Diktatoren töteten. Curington nannte sie scherzhaft "Kill Squad".
Wahlkampftricks
Der Stratege machte 1960 dem Kennedy/Johnson-Team ein bis 2018 nicht als solches erkanntes Wahlkampfgeschenk. Hunt provozierte seinen reaktionären Hausprediger Criswell zu fanatischen Äußerungen über Kennedys katholischen Glauben.
In Spanien etwa hätten die Katholiken die Protestanten verdrängt, so wie auch Mittel- und Südamerika. Kennedy werde seine Anweisungen vom Papst beziehen und sei eine Gefahr für amerikanische Bürgerrechte wie Religionsfreiheit.
Hunt ließ eine Abschrift dieser Tirade anonym an 200.000 Prediger verschicken. Das reaktionär-dümmliche Pamphlet stieß die Leser ab und provozierte im Gegenteil eine Solidarisierung mit Kennedy. Wie erstmals Curington nun enthüllte, war genau dies der Effekt, auf den es der bauernschlaue Hunt abgesehen hatte, um Johnson in die Regierung zu spielen.
Hunt ließ außerdem einen schmeichelhaften Brief über Johnson landesweit an Personen mit dem Nachnamen "Johnson" versenden. Bei Kennedys hauchdünner Mehrheit konnte der Wahlkämpfer jeden Spin gebrauchen.
Sehr zur Verärgerung Hunts sprach sich Kennedy allerdings bereits im Wahlkampf für eine Überprüfung der Oil Depletion Allowence aus. Auch seine Kuba-Politik fand in texanischen Ölkreisen wenig Anklang. Auch für Unentschlossenheit gegen Castro hatte man in Dallas kein Verständnis.
Doomsday Plan
Der für seinen fanatischen Hass auf Kommunismus bekannte Hunt sprach sich dafür aus, die Sowjetunion präventiv nuklear zu vernichten, bevor diese Zweitschlagskapazität aufgebaut habe. Bereits die Auftraggeber des Manhattan-Projekts wie General Lesley Grooves hatten die Auslöschung des Kommunismus durch Nuklearenergie im Sinn.
Auch der rustikale Air Force-Chef Curtis LeMay forderte dies öffentlich seit 1947. Der mit Hunt befreundete Verleger der Dallas Morning News Edward Dealey hatte die Kennedys bei einem Dinner im Weißen Haus als "Schwestern" beleidigt, weil diese zu feige für einen Atomkrieg seien.