Die Freude des Gebens

Mediengigant Ted Turner und seine Milliardenspende

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Ted Turner, Verkörperung des amerikanischen Traums vom selfmade man, der es bis an die Spitze geschafft hat und nun zu den mächtigsten und reichsten Männern der Welt gehört, verkündete während eines Treffens in New York am 18.9.1997, daß er der UN für humanitäre Aufgaben eine Milliarde Dollar in Raten von 100 Millionen pro Jahr spenden will. Den Entschluß habe er erst am Dienstag ziemlich spontan getroffen und sich über die genaueren Einzelheiten noch keine Gedanken gemacht. Nie sei er glücklicher oder mit sich selbst zufriedener gewesen, sagte Turner: "Es ist die Freude des Gebens." Und recht viel ärmer werde er dadurch auch nicht, denn die Milliarde sei gerade einmal der Gewinn durch den Anstieg der Time Warner Aktien während der letzten neun Monate.

Gerade eben hatte UNCTAD verkündet, daß die Schere zwischen den Reichen und Armen immer weiter steige. (Die Forbes-Liste der Milliardäre) Ted Turner besitzt als einzelner mehr, als der Haushalt mancher armen Länder umfaßt. Sein Vermögen ist so groß wie der diesjährige Haushalt der UN, der die USA noch immer 1,5 Milliarden schuldig sind. Die aber sollen, wenn überhaupt, nur zum Teil beglichen werden, sofern die UN viele Auflagen erfüllt. Wahrscheinlich eher scherzhaft sagte Turner, daß er sich überlegt hatte, die Schulden zu zahlen und dann zu Jesse Helmes, dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des Senats, zu gehen und ihn zur Zahlung aufzufordern.

Natürlich fragt man sich zunächst einmal, was hinter dieser Laune eines Milliardärs steckt, der in der Medienindustrie als Gründer des CNN und jetzt als Vizepräsident von Time Warner die globalen Fäden zieht. 1991 wurde er von Time zum Mann des Jahres gekürt und als "Prinz des Globalen Dorfs" bezeichnet. Schon länger unterstützt er die UN und finanziert mit der "Turner Foundation" ökologische Projekte. Will er endgültig als guter Menschen in den Medienhimmel eingehen oder endlich in Konkurrenz etwa mit dem anderen Menschenfreund, George Soros (Onkel Soros; Das Netzreich von Soros), treten, der mittlerweile auch bereits eine Milliarde Dollar vor allem für Projekte in Osteuropa gespendet hatte?

In den USA ist die Bereitschaft zum Spenden für alle möglichen Dinge an der Tagesordnung. Auch das Hauptgebäude der UN wurde von John D. Rockefeller gespendet. Bill Gates freilich, der reichste Mensch der Erde, trennt sich nicht so gern von seinem Geld. Dieses Jahr verkündete er, daß er gerade einmal 200 Millionen Dollar spenden werde, um in Bibliotheken Computer aufzustellen - ein recht durchsichtiger geschäftlicher Akt für die künftige eigene Geldvermehrung. Die deutschen Millionäre und Milliardäre könnten sich daran zweifellos, wenn sie denn immer das Loblied auf die amerikanische Wirtschaft singen und den Sozialstaat verdammen, etwas abschneiden. Wo also bleiben die deutschen Kirchs?

Turner hofft, mit seiner Geste weitere Geber anzustecken und in einen "Wettlauf des Spendens" einzutreten. Wird es bald neben der Liste der reichsten Menschen auch eine solche der freizügigsten Spender geben? Geplant ist sie jedenfalls bereits, und Slate führt bereits eine Liste der Wohltätigen der USA. Daneben gibt es auch schon ein Magazin der Philanthropen. Natürlich hat Turner recht, wenn er sagt, daß die Reichen doch alles Geld weggeben könnten, wenn sie keine Idee haben, wozu sie es verwenden sollen. Ob aber dieses Mem wirklich viele anstecken wird? Der mediale Hintergrund freilich könnte dazu beitragen, denn auch die Reichen sind gerne Stars und sonnen sich in medialer Aufmerksamkeit.

Es gibt freilich einen Unterton hinter der Spende, der mit seiner Düpierung der amerikanischen Regierung zu tun haben könnte. Turner sagt, seine Spende dürfe nicht in die Organisation der UN gehen, sondern nur in eine Stiftung für konkrete Projekte. Und wenn der Aktienwert sinke, dann werde halt auch seine Spende geringer, aber sie werde nicht größer, wenn dieser steigt. "Demokratie und freies Unternehmertum gewinnen überall auf der Welt", verkündete er. "Alles sieht wirklich besser aus."

Will er uns sagen, daß alles in Ordnung ist, daß der freie Markt mit den global herrschenden Unternehmen alles viel besser regeln könne als staatliche Organisationen, daß diese mehr oder weniger in deren Nachfolge treten? Daß man sich also keine Sorgen machen müsse, wenn die Staaten ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, weil die Reichen mit ihrem wachsenden Vermögen schließlich dieses selbst umverteilen und den Armen helfen? Soll also alles am besten, wie die Liberalen meinen, dem freien Markt und den Launen der Geldgeber überlassen werden? Soll und kann man aber öffentliche Aufgaben, zu denen auch die der UN gehören, von den philanthropischen Neigungen, der spontanen Freizügigkeit oder dem medialen Aufmerksamkeitswettbewerb abhängig machen?

Feste und langfristige Zusagen werden sich private Geldgeber nicht abtrotzen lassen, die aber für eine kontinuierliche Arbeit notwendig sind. Und die Armut der Welt ist wohl nicht auch ganz unabhängig von eben jenen globalen Unternehmen und den Eigentumsverhältnissen, aus denen die neuen Philanthropen ihr Vermögen beziehen. Bei Soros findet man wenigstens Momente des Zweifels am gegenwärtigen System, weswegen er mitunter auch schon als Verräter unter den Reichen gilt.