Die Globalisierung der immateriellen Produktion und ihre lokalen Konsequenzen
- Die Globalisierung der immateriellen Produktion und ihre lokalen Konsequenzen
- Globales Dorf oder Globale Stadt?
- Der prekäre Erfolg der Metropolen
- Die modernen Städte werden zu 'Dual Cities'
- Dezentralisierung als Ausweg aus der dualen Stadt
- Auswege aus dem ökologischen Kollaps der Metropolen
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Die Abwanderung vieler Funktionen, die sich bislang in den Städten konzentrierte, verstärkt den seit dem letzten Jahrhundert vorherrschenden Prozeß des Sprawling und führt über die damit einhergehende Restrukturierung der Wirtschaft zu neuen sozialen Spannungen und Migrationen. Aus ökologischer Sicht jedoch könnte der Prozeß der telematischen Suburbanisierung auch zu einer längst notwendigen Wende der Stadtplanung führen. Franz Nahrada ist Leiter der Organisation GIVE und Veranstalter mehrerer Symposien und Ausstellungen zum Thema Stadtentwicklung.
Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien und die 'Informatisierung' der Gesellschaft verändern nicht nur den Bereich der materiellen und geistigen Produktion. Sie beeinflussen auch Lebenswelten, Lebensräume, Machtverhältnisse und Gesellschaftsstrukturen. Die informationstechnologische Vernetzung führt zu Veränderungen von Raum und Zeit, den fundamentalsten Kategorien des menschlichen Lebens. Die gekoppelte Entwicklung von Computertechnik und Datenfernübertragung zur Überwindung raumzeitlicher Barrieren macht vor kaum einem Bereich menschlichen Lebens halt.
Mediziner diskutieren heute bereits ernsthaft computerunterstützte Ferndiagnostik, die ersten reinen Telephonbanken werden eröffnet, und in den Vereinigten Staaten kann man an der 'America Online University' bereits akademische Grade britischer Universitäten erwerben. Die wahre Bedeutung dieser Enträumlichung wird erst dann klar, wenn man sich vor Augen führt, daß dadurch keineswegs 'bloß' Informationen übertragen, sondern auch materielle Prozesse vermittelt werden.
Die Entwicklung der Technologie ist keineswegs beschränkt auf die informationsverarbeitenden Berufe. Sie entfaltet ihre Relevanz in allen Sphären menschlicher Aktivität und verändert daher die raumzeitlichen Lebensmuster tiefgreifend. Ein (ferner) Controller eines Handelskonzerns kann besser über das Sortiment einer Filiale Bescheid wissen als der (anwesende) Filialleiter; ein Gebäude kann von einer spezialisierten Firma ferngewartet oder ein Schiff via Satelliten ferngesteuert werden, und in der Medizin wird schon mit Telemonitoring-Systemen und Fernoperationen experimentiert.
Diese Dienste und Möglichkeiten entwickeln sich auf der Grundlage einer industriellen Gesellschaft, die weitgehend von beruflicher Mobilität und der funktionellen Trennung von Lebensräumen geprägt ist. In der Tendenz aber sind sie im Zunehmen und nähern sich einer 'kritischen Masse' an, von der diese Trennung in Frage gestellt wird. Auf dem Boden des industriellen Zeitalters und aus seiner immanenten Dynamik wachsen neue Vergesellschaftungsformen, die Fragen der zukünftigen Gestalt der Arbeitswelt, der Wohnorte, der Versorgung und/oder der regionalen Identität aufwerfen. Es ist absehbar, daß die Summe dieser Entwicklungen letztlich drastischere Folgen für die Gestaltung unserer - städtischen wie ländlichen - Lebensräume haben wird, als dies bei der Einführung des Autoverkehrs der Fall war.