Die Hoffnung, dass der Krieg vorüber zieht

Seite 2: Man ist froh, die Golanhöhen nicht an Syrien zurückgegeben zu haben

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Noch kurz vor Kriegsausbruch hatte die Türkei 2009 eine letzte Verhandlungsinitiative gestartet, deren Ziel eine Annäherung Syriens und Israels, und letztendlich die Rückgabe der Golanhöhen war. Im Grunde war damals eigentlich alles schon klar: Nach mindestens zwölf verschiedenen Verhandlungsrunden im Verlauf von immerhin 15 Jahren, sei im Grunde alles in trockenen Tüchern gewesen, erinnert sich ein türkischer Diplomat.

Für sein Land ging es damals vor allem darum, die Partnerschaft mit Israel, die damals, vor den Ereignissen 2010 um die israelische Stürmung des Gaza-Hilfsschiffs Mavi Marmara, bei der mehrere türkische Staatsbürger getötet wurden, noch felsenfest schien (Türkei: Zeichen der Versöhnung mit Israel). Außerdem hätte man die traditionell eher passiv-aggressiven Beziehungen zu Syrien therapiert und international an Statur gewonnen. Am Ende scheiterte auch diese Initiative am Widerstand von Netanjahus eigener Partei, dem Likud.

Quneitra im September 2001; Bild: Christian Koehn/CC BY-SA 3.0

"Einige von uns haben 1967 und 1973 selbst dort gekämpft, oder haben Verwandte oder Freunde, die dabei waren. Manche haben auch die Zeit davor miterlebt, als ständig vom Golan aus auf Israel geschossen wurde," sagt Michael Eitan, der bis 2013 für den Likud im Parlament saß: "So etwas will gut überlegt sein: Was bringt es uns? Was könnten die Nachteile sein?"

Heute sagen deshalb auch Politiker der Opposition, Befürworter von Friedensverhandlungen und -verträgen, dass sie froh sind, dass die Golanhöhen noch unter israelischer Kontrolle sind. Denn die eigentliche internationale Grenze zwischen Syrien und Israel verläuft meist genau unterhalb der Golanhöhen; von oben befindet sich nahezu der gesamte Norden Israels im Schussfeld.

"Wenn man mit einrechnet, dass niemand sagen kann, welche Milizen die Region kontrollieren, und zu welchen Waffen sie Zugang haben, muss man mit dem Schlimmsten rechnen", sagt Jitzhak Herzog, Vorsitzender der Zionistischen Union, einem Parteibündnis aus der sozialdemokratischen Arbeitspartei und der zentristischen HaTnuah der ehemaligen Außenministerin Zippi Livni.

Aber: Sowohl Linke als auch Zentrum als auch viele Abgeordnete von Netanjahus Likud wollen die Option von künftigen Golan-Verhandlungen explizit offen halten: Wenn in Syrien irgendwann Frieden, ein gemäßigtes, dauerhaft gefestigtes System herrschen, dann könne man wieder darüber reden. Aber erst dann.

Bis dann: Raushalten

So lautet das amtliche Endergebnis der Diskussionen, die Jahre lang in Israel Politik, im Sicherheitsapparat, zwischen israelischen und ausländischen Diplomaten und in den Medien abgehalten wurden. Es waren vielschichtige Debatten, in denen es auf der einen Seite um das aktuelle Ziel ging, nämlich dass der Krieg an Israel vorüber gehen möge. Und in denen andererseits langfristige Visionen für Syrien thematisiert würden.

Vor allem die Geheimdienste brachten immer wieder ins Spiel, dass nun die Zeit sei, um auf ein langfristiges, für Israel möglichst positives Syrien hin zu arbeiten. Politiker brachten Szenarien ins Spiel, in denen der Mossad diese Gruppe unterstützt, die dann gegen jene Gruppe was macht, und damit einer ganz anderen Gruppe das Feld freiräumt, und am Ende kam dann stets genau der eine an die Macht, der ganz genau das macht, was man von ihm will.

Doch lange vor allen anderen Erwägungen scheiterten diese Vorschläge an diesem Punkt: Man konnte sich schlicht nicht darauf einigen, auf wen man setzen soll. Über die Jahre hinweg gab und gibt es jene, die Baschar al-Assad favorisieren. "Den Teufel, den man kennt, kann man einschätzen," sagte Regierungschef Netanjahu vor einem Jahr. Doch Benny Gantz, der von 2011 bis 2015 Generalstabschef war, widerspricht dem.

Es sei absolut nicht sicher, wie viel Einfluss al-Assad noch habe: "Er ist der Präsident, doch strategisch haben Militär und Geheimdienste das Sagen. Man muss also damit rechnen, dass die tatsächlichen Machthaber ganz andere Leute sind." Gleichzeitig sei zu befürchten, dass die syrische Regierung nach einem für sie siegreichen Krieg versuchen werde, die Bevölkerung durch eine Konfrontation mit Israel auf ihre Seite zu ziehen.

Aus Sicht von Oppositionsführer Herzog, der seinen Militärdienst beim israelischen Äquivalent der NSA absolvierte, ist vor allem die Nähe al-Assads zur Hisbollah ein Ausschlusskriterium:

Die Hisbollah hat ihre ganz eigenen Ziele, die sich vor allem auf den Libanon und auf den Kampf gegen Israel konzentrieren. Sie kämpft aber auch an der Seite der syrischen Regierung. Irgendwann wird sie dafür etwas haben wollen. Man sollte also nicht davon ausgehen, dass wir einschätzen können, was al Assad in Zukunft tun würde.

Jitzhak Herzog

Ein weiterer wichtiger Grund: "Israel gilt in Syrien als toxisch", sagt Ja‘alon: "Jede Gruppe, die wir unterstützen, würde sofort an Unterstützung verlieren. Das macht solche Versuche bestenfalls zum Risiko. Schlimmstenfalls sind sie völlig kontraproduktiv."

Beispiel al Nusra-Front

Immer wieder machen Berichte die Runde, Israel unterstütze al-Nusra im Krieg. Tatsächlich kommt der Gruppe in der israelischen Passivitätsstrategie eine wichtige Rolle zu. Bislang hat sie sich noch nicht gegen Israel gewandt, und wird deshalb auch bisher nicht als Gefahr gesehen - anders als die Fraktion des "Islamischen Staats", die in der Nähe Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht hat.

Eine andere Gruppe aus dem Umfeld des IS hat nun mehrmals aus dem Gazastreifen (Der IS auf dem Weg nach Gaza) Raketen auf Israel abgefeuert, auch von der Sinai-Halbinsel aus wurde schon auf Israel geschossen. Deshalb will Israel unbedingt verhindern, dass sich die Walid-Brigaden weiter entlang der Waffenstillstandslinie ausbreiten, und al-Nusra wird als geeigneter Gegenpol gesehen.

Aber auch hier gilt: Unterstützen würde man al-Nusra nicht. Man will auch nicht, dass al-Nusra selbst sich zu sehr ausbreitet. Wenn man sich umhört, dann wird immer wieder gesagt, dass der Status Quo vor dem Hintergrund der aktuellen diplomatischen Situation das Beste sei, was man bekommen könne.