Die NSA geht wegen Echelon an die Öffentlichkeit
Ein Fernsehinterview mit einem ehemaligen kanadischen Geheimdienstmitarbeiter und die STOA-Berichte für das Europäische Parlament beunruhigen den Geheimdienst, der weiterhin jede Stellungnahme zu Echelon ablehnt
Nicht nur in Europa sorgt das globale Lauschsystem Echelon und damit auch der militärische US-Geheimdienst NSA - scherzhaft auch "No Such Agency" wegen seiner Geheimnistuerei genannt - für Schlagzeilen. In den USA wurde aufgrund der STOA-Berichte, die Duncan Campbell letzte Woche einem Ausschuss des Europäischen Parlaments vorgestellt hatte (Die Echelon-Debatte geht jetzt erst richtig los), von der Bürgerrechtsorganisation ACLU die Website www.echelonwatch.org/ eingerichtet und von EPIC die Veröffentlichung von Dokumenten über die Lauschtätigkeiten der NSA verlangt, aber auch der amerikanische Kongress fordert von der NSA, darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, ob nicht mit Echelon auch amerikanische Bürger gesetzeswidrig abgehört worden seien.
Eigentlich ist, wie Duncan Campbell in einem von Cryptome veröffentlichten Artikel schreibt, die Existenz von Echelon schon seit 1988 bekannt. In diesem Jahr hatte die ehemalige NSA-Mitarbeiterin Margaret Newsham dem House Permanent Select Committee on Intelligence mitgeteilt, dass Echelon oder P-415, wie das System intern genannt wurde, nicht nur massiv erweitert werde, sondern dass auch ein Telefonanruf des Senators Strom Thurmond abgehört worden sei, was ganz klar ein Gesetzesverstoß gewesen wäre. Der Vorfall wurde damals nicht weiter untersucht, obwohl er von den Medien, unter anderem auch durch einen Artikel von Campbell selbst im New Statesman, der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde. Der Großteil der Medien aber schien damals nicht an Informationen über das Lauschsystem interessiert gewesen zu sein (zu Margaret Newsham siehe auch: Neues von Echelon).
Erst durch das Buch Secret Power, das Nicky Hager 1996 veröffentlicht hatte (Der Große Bruder hört mit), kam allmählich die Diskussion über das Lauschsystem in Gang, auch wenn es oft genug noch als Gerücht abgetan wurde. Hager hatte in dem Buch Interviews mit neuseeländischen Geheimdienstmitarbeitern über Echelon verarbeitet und ist auf das System gestoßen, nachdem 1989 ein neuer Lauschposten auf Neuseeland in Betrieb gegangen ist. Nachdem sich die Hinweise auf die Existenz von Echelon weiter durch Äußerungen von Geheimdienstmitarbeitern verdichteten, konnte schließlich Jeff Richelson vor kurzem (Erste offizielle Bestätigung für Echelon) Dokumente der NSA über den Freedom of Information Act einsehen und veröffentlichen, die erstmals die Existenz eines Lauschsystems unter diesen Namen bestätigen. Rätselraten herrscht allerdings weiterhin darüber, wie genau Echelon arbeitet, selbst wenn mittlerweile einige Patente (NSA-Patent für Echelon?) zum Vorschein kamen, die die Vermutungen zu bestätigen scheinen, dass mit dem System die gesamte, über Satelliten laufende Kommunikation von Faxsendungen über Telefongesprächen bis hin zu EMails nach Schlüsselbegriffen durchsucht und ausgewertet wird.
Campbell will mit seinem Artikel auf den Mut von Newsham hinweisen und herausstellen, dass sie die erste war, die auf Echelon aufmerksam gemacht hat. Am Sonntag, dem 27.2. 2000, strahlt CBS nun ein einstündiges Gespräch mit einem kanadischen Geheimdienstmitarbeiter aus, bei dem es auch um die Rolle von Newsham geht. Schon im Vorfeld scheint das Gespräch die NSA zu beunruhigen. CBS hat es folgendermaßen angekündigt: "Everywhere in the world, every day, people's phone calls, emails and faxes are monitored by Echelon, a secret government surveillance network. No, it's not fiction straight out of George Orwell's 1984. It's reality, says former spy Mike Frost in an interview with Steve Kroft to be broadcast on 60 Minutes on Sunday, Feb. 27. "
Kenneth Heath von der NSA sah sich jedenfalls genötigt, am 24.2. einen von der FAS veröffentlichten Brief an die amerikanischen Kongressabgeordneten zu schreiben, weil durch das Interview "falsche Informationen" über den Geheimdienst an die Öffentlichkeit kommen könnten. Zudem seien viele Beschuldigungen gegen die Aktivitäten der NSA in letzter Zeit erhoben worden: "Wir sehen eine Fortsetzung, wenn nicht eine Zunahme dieser Beschuldigungen für die nächste Zukunft voraus." Von amerikanischer Seite gehen die Vorwürfe vor allem dahin, dass auch amerikanische Bürger direkt von der NSA oder über den Umweg der am Echelon-System beteiligten Geheimdienste Großbritanniens, Kanadas, Neuseelands oder Australiens abgehört werden.
Heath versichert, dass die Aktivitäten der NSA in Übereinstimmung mit den "höchsten Verfassungs-, Rechts- und Moralstandards" und gemäß den Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre der amerikanischen Bürger ausgeführt würden. Ein Kontrollsystem würde darüber wachen, dass nur fremde Mächte oder deren Mitarbeiter, ausländische Organisationen und ausländische Personen belauscht werden, aber keine amerikanischen Bürger. Seit 1978 gäbe es auch die Vorschrift, dass die NSA keine andere Person oder keinen anderen Geheimdienst damit beauftragen dürfe, etwas zu machen, was der NSA selbst untersagt ist. Für die Kontrolle der NSA seien nicht nur der National Security Council, das Verteidigungsministerium, das Justizministerium und das President's Intelligence Oversight Board zuständig, sondern auch das House Permanent Select Committee on Intelligence (HPSCI) sowie das Senate Select Committee on Intelligence (SSCI). Offenbar ist der Einblick der Ausschüsse nicht allzutief, denn zumindest die Mitglieder des House Judiciary and Government Reform Committees, forderten die NSA dazu auf, einen Bericht für den Kongress vorzulegen (Amerikanischer Kongress verlangt Aufklärung über Echelon), durch den Klarheit geschaffen werden soll, ob der Geheimdienst amerikanischen Bürger direkt oder indirekt abhört. Der vom Ausschussmitglied Bob Barr gestellte Antrag, der bewilligt wurde, nachdem sich NSA letztes Jahr geweigert hatte, dem House Select Committee on Intelligence Einsicht in Dokumente über das Echelon-Programm zu gewähren, verwies dabei auf Informationen, die aus den STOA-Berichten stammen. Allzuweit her mit der politischen Kontrolle scheint es also nicht zu sein.
Die NSA bleibt natürlich auch in diesem Brief die No Such Agency und kann die Vermutungen vermutlich dadurch nicht entkräften. Der Brief könnte schon eher als Indiz dafür gesehen werden, dass der Geheimdienst sich in Nöten sieht. Die Kongressabgeordneten werden nur gebeten, sich doch die Informationen anzusehen, die die NSA auf ihrer Website veröffentlicht hat, oder den Bericht für den Kongressausschuss anzufordern. Ansonsten heißt es: "Nach der lange praktizierten Politik der Geheimdienste der USA müssen wir uns enthalten, zu den wirklichen oder vermuteten Geheimdiensttätigkeiten Stellung zu beziehen. Daher können wir die Existenz bestimmter Operationen weder bestätigen noch widerlegen."