"Die Rechten sind einfach viel besser im Nutzen sozialer Medien"

Seite 6: Dirty Campaigning und falsche Bilder

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Zum Abschluss noch eine Frage: Eine gewisse Erzählung ist teuflisch gut in Österreich verankert, jene vom legendären muslimischen Familienvater, der der Grundschullehrerin nicht die Hand geben will. Ohne hier mit einem Wort in Frage zu stellen, dass es widerliche Patriarchen gibt, fällt in diesem Zusammenhang auf, wie eng diese Geschichte an die sogenannte "Naivität der Grünen" gebunden ist. Die würden nämlich nicht kapieren, wie gefährlich diese Männer seien. Dank solcher Geschichten beginnen viele, sich vor dem Islam zu fürchten und niemand mehr vor der ungleich wahrscheinlicheren Machtergreifung durch rechtsradikale Kräfte.

Karl Öllinger: (lacht) Offensichtlich ist das eine viel realere Gefahr. Tja, das ist ganz schwer für die Grünen. Das hängt ein wenig mit dieser dichotomen Struktur im Denken und Handeln zusammen. Wenn so massiert Angriffe kommen oder gewisse Positionen vertreten werden, wie der Islam ist dieses oder jenes, dann kann man nur dagegen halten, weil für Differenzierung kein Raum da ist und auch keiner mehr geboten wird.

Natürlich haben wir immer mal wieder versucht zu diskutieren, intern und auch schon vor vielen Jahren, was sind denn für uns Grüne bei der Integration an den Schulen die wichtigen Punkte. Das war nie das Kopftuch, aber schon gemeinsamer Schwimmunterricht und die Koedukation, an der nichts vorbeiführen darf. Das sind Werte, die man pflegen und leben sollte. Hier ist es egal, wen es betrifft, denn es ist ja eine Verlogenheit, dass dies nur den Islam betreffen würde.

Als ich in Wien anfing politisch aktiv zu werden, war ich es zunächst im zweiten Bezirk. Es gab hervorragende jüdische Schulen und es gab diese eine, sehr orthodoxe, die als Handelsschule für Mädchen mit 15 oder 16 das Ende der Ausbildung bedeutet hat. Die Mädchen durften uns Besucher nicht berühren und nie in die Augen schauen. Wir kennen ähnliche Phänomene aus der Vergangenheit auch aus christlichen, sektenartigen Gruppierungen in oder rund um die großen Kirchen. Es ist aber leider nie der Raum, um dies sichtbar zu machen.

Wir haben schon unter vielen Schmerzen ein wirklich differenziertes Zuwanderungsmodell erarbeitet. Zuwanderung anders zu steuern und nicht nur den Rahm von der Suppe abschöpfen. Also nicht dieses, nur die besten dürfen herein, die zwanzig Test machen und von den Firmen gebraucht werden. Seit zwanzig Jahren gibt es diese Konzepte, es interessiert niemanden, auch die Medien nicht. Programmatiken werden kaum wahrgenommen. Es zählt nur, wer mit wem und wie oft.

Wenn sich diese politische Kultur nicht ändert, dann haben Gruppierungen wie die Grünen kaum Chancen. Natürlich muss man sich fragen, ob man bestimmten Sachen zu lange zugeschaut hat und sich nicht genügend dagegen gewehrt hat.

Dazu fällt mir noch ein sehr gutes Beispiel ein. Das Dirty Campaigning ist nicht eine Erfindung der letzten Jahre, sondern das hat es gerade von der ÖVP schon vor gut einem Jahrzehnt sehr massiv den Grünen gegenüber gegeben. Die Grünen haben völlig inadäquat reagiert und haben gesagt: "Vergesst es, das ist so doof, da fällt doch niemand drauf rein." Das Ergebnis war bei der Wahl 2002, dass wir am Land bei den kleinen Gemeinden überall abgestunken haben. In den Städten haben wir leicht dazugewonnen. In den Gemeinden und den Vereinen, in denen die Geschichten kursiert sind, da haben wir nicht gegensteuern können und uns nicht gewehrt. Es gab eine Undercover-Kampagne, die schon seit langem rennt, die Grünen seien eine Kinderfickerpartei.

Wie bitte?

Karl Öllinger: Daniel Cohn-Bendit war hier immer die Einstiegsdroge. Unzählige Male bin ich das gefragt worden und irgendwann habe ich mich gewehrt und gesagt, wer noch mal so eine Frage stellt, den zeige ich an. Dann war zwar Sendepause, aber an anderer Stelle und anderem Ort ging es weiter. Natürlich kann man niemanden wegen einer Frage anzeigen, aber die war immer verbunden mit den entsprechenden Bildern.

Ich habe den Grünen vorgeschlagen, etwas zu machen, denn es gab unerträgliche Bilder Eva Glawischnig betreffend. Die Eva hat dann später geklagt. Eigenartigerweise war das immer gegen die Frauen bei den Grünen. Das ist sehr massiv und lange Zeit gelaufen. Sowohl auf der Ebene Undercover und Dirty Campaigning als auch auf der Oberflächenebene mit der "Gutmenschengeschichte" oder die "Verbotspartei" ist da viel gelaufen, und diese Bilder aufzudröseln und sich dagegen zu wehren, das haben die Grünen kaum verstanden. Da glaube ich schon, dass die Grünen sich ungeschickt verhalten haben.

Es gab Werbebilder dazu, die Grünen waren mit weißer Weste und weißen Handschuhen abgebildet. Ich habe das nie für sonderlich geschickt gehalten. Nicht weil es nicht gestimmt hätte, nur die weiße Weste ist den Leuten vollkommen wurscht. Sonst hätten weder Berlusconi noch Karl-Heinz Grasser es so weit gebracht. Nun soll man sich nicht so aufführen wie die, nur man muss dahinter kommen, was die Menschen dazu bringt, dass sie einem Kriminellen oder einem Strizzi eher vertrauen als jemandem, der sagt, er habe mit all dem nichts zu tun. Eine spannende und nicht leicht zu beantwortende Frage, wenn wir quer durch Europa sehen, wie die Milliardäre mittlerweile den Kontinent unter sich aufteilen. Und fast alle haben Dreck am Stecken.

Wie wird man denn auch sonst so reich?

Karl Öllinger: Ganz richtig.

Müsste Alexander Van der Bellen jetzt mehr machen? War sein Verhalten ein wenig zu lauwarm?

Karl Öllinger: Das traue ich mich jetzt nicht so zu beurteilen, weil es sicher schwierig ist. Er hat den Akzent aber falsch gesetzt. Er hat gewisse Personen nicht haben wollen, und er hat gesagt, Justiz und Innenministerium sollen nicht in eine Partei. Das war falsch meiner Ansicht nach. Innen und Verteidigung ist viel schlimmer wegen der Geheimdienste. Wahrscheinlich hätte sich die FPÖ nicht getraut, einen Hardliner wie den Dieter Böhmdorfer in das Justizministerium zu bringen. Davon hätte man sie abbringen können.

Natürlich kann nicht ad Infinitum weiter verhindert werden, das ist ja klar. Dass er heute das gute Arbeitsverhältnis betont hat, das ist mir dann schon zu weit gegangen. Und dass er dabei so richtig "happy Peppi" gespielt haben muss, das geht nicht. Er muss nicht die Leichenbittermine des Bundespräsidenten Thomas Klestil von 2000 wiederholen - keine Frage, aber ihnen ans Herz zu legen, sie sollen sich für die Ärmsten einsetzen, das ging zu weit.

Er kennt sicher das Programm und das glaubt er ja selber nicht. Dass er die Regierung nicht verhindern kann und personell nur bedingt Einspruch erheben kann, das war alles klar. Aber die lustige Partie und dieses "wir pflegen das beste Einvernehmen", nur weil der Kurz so treuherzig schauen kann…

Das Hunderl hat er gestreichelt. Die Kita vom Bundespräsidenten.

Karl Öllinger: Ja, das auch noch. Allein die Bilder, die damit erzeugt werden. Ich würde mich gegen diese Bilder verwehren.

Einen Hund besorgen, der zubeißt?

Karl Öllinger: (lacht) Das ginge auch, aber dann hätten wir wieder ein Opfer. Das wollen wir nicht, soll er dem Kanzler tüchtig übers Gesicht schlecken der Hund. Das hätte schon gepasst, aber nicht solche Bilder. Die Ikonografie von Menschen und Hunden ist - ich weiß nicht.

Der Hund hätte schon nicht aufs Bundespräsidenten-Wahlplakat gedurft.

Karl Öllinger: Ja, ganz richtig.

Vielen Dank für dieses Gespräch!