"Die Rechten sind einfach viel besser im Nutzen sozialer Medien"

Seite 5: Wir sind der rechten Medienmacht hoffnungslos unterlegen

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Wer "Karl Öllinger" und "Stoppt die Rechten" in eine Suchmaschine eintippt, bekommt zunächst nur Triumpfgejohle rechter Seiten zu sehen, die sich über die Einstellung der Seite freuen.

Karl Öllinger: Nun, wir sind schon auch von anderen beachtet worden, aber man muss sagen, die Rechten sind einfach viel besser im Nutzen sozialer Medien. Das hängt auch mit dem anders strukturierten Denken von linken Organisationen zusammen.

Hierfür ein Beispiel. Der HC Strache stellt ein von einer rechtsextremen Seite stammendes Rechenbeispiel ins Netz: die Einkünfte einer Asylwerberfamilie mit sechs Kindern gegenüber denen einer österreichischen Arbeiterfamilie mit drei Kindern. Zuerst war der Vergleich mit sechs und drei, dann hat er das geändert, weil auch wir da interveniert haben.

Bei diesem Beispiel war es eher nebensächlich, dass es von einer rechtsextremen Seite kam, mir schien aber zweierlei dabei wichtig. Erstens, die meisten haben das so kommentiert, dass Strache die Migrantenfamilie mit einer österreichischen Familie vergleicht. Punkt. Sicherlich hinkt der Vergleich, aber entscheidend ist: die österreichische Arbeiterfamilie hat tatsächlich wenig Geld. Das ist so und darüber muss geredet werden.

Das Zweite war, dass wir dann selber Beispiele vorgerechnet haben und die Reaktion auf Facebook war: "Nenne mir bitte die Quellen, ich glaube Du hast Dich verrechnet" und so weiter. Und das waren keine Rechten. Wir erleben also eine sehr gut nachvollziehbare, kritische und individualistische Haltung bei linken Lesern und Kommentatoren. Die Rechten aber sind hingegangen und haben das Beispiel von Strache tausendfach geteilt und es hat sich explosionsartig weiterverteilt. Wir habe dann unsere Leute aufgefordert unser Beispiel zu verbreiten und das hat dann dreißig oder vierzig Teilungen gebracht. Mehr ist da nicht drinnen. So kommt man nur schwer weiter.

Ich verstehe das Verhalten einerseits, dass jemand nochmals nachrechnet und das ist auch gut. Aber andererseits gegenüber dem Modus operandi der Rechten sind wir hoffnungslos unterlegen.

Abgesehen davon, dass die FPÖ über diese unterschiedliche Denke verfügt und damit viel besser in sozialen Medien vorankommt, beherrschen sie diese auch, weil sie sich die sozialen Medien systematisch erobert haben. Strache folgen bis zu 800 000, auch wenn wir hier ein Drittel von den Klickfarmen abziehen müssen, und zwar auch deshalb, weil die hier sehr viel Geld investiert haben. Die FPÖ hat einen TV-Kanal, der jede Woche eine halbe Stunde Propaganda macht, die haben das "Unzensuriert", die haben das "Info-Direkt", die haben unzählige Medien in ihrem Umfeld, die alle zur gleichen Zeit den gleichen Scheiß bringen. Die haben "Zur Zeit", die haben ihre Parteizeitung "Neue Freiheit", sie bedienen damit traditionelle und neue Medien gleichermaßen geschickt.

Und vor allem im Unterschied, wie linke oder grüne mit solchen Mediengebilden umgehen würden, haben sie einen einzigen Mann, der dahinter steht. Der rennt immer beim HC Strache hinten nach, der Herr Höferl. Er ist der Kommunikationschef der FPÖ, er ist der Chef von "Unzensuriert", von "FPÖ-TV", der hat alle Medienkanäle unter Kontrolle. Man soll nicht in historischen Vergleichen schwelgen, aber das ist schon heftig.

Und diese Medienmacht der FPÖ wird dann noch durch einen Boulevard gestützt, der gerne mit ins Horn bläst.

Karl Öllinger: Absolut. Es gibt nirgendwo so einen Anteil an Boulevardmedien am Zeitungsmarkt wie in Österreich. Es gibt drei, die sich gegenseitig kannibalisieren: "Krone", "Heute" und "Österreich". Die überbieten sich gegenseitig in Bösartigkeit. Und, es wird nicht lange dauern, dann haben sie den größten Medienkonzern in ihren Händen, den ORF.

Das war die gewaltige Drohung bei der ersten Pressekonferenz der neuen Regierung auf dem Wiener Kahlenberg, der ORF müsse jetzt "objektiver" werden.

Karl Öllinger: Die Vorleistungen haben bereits begonnen. Das ist bereits spürbar.

Alle werden jetzt vorsichtig.

Karl Öllinger: Ja. Ich habe eine noch sehr frische Erinnerung, wie das war, als in den späten 1990ger Jahren die FPÖ noch nicht an der Regierung war, aber der Ewald Stadler bereits Klubobmann und man bereits spüren konnte, dass die FPÖ auf dem Weg an die Macht ist. Da hat es die Zuträger im ORF gegeben.

Der verstorbene "News"-Journalist Kurt Koch hat mir eines Tages eine CD gegeben. Er hatte ein Abbild von Stadlers Computer gehabt, auf dem die Festplatte zum überwiegenden Teil gelöscht worden war, aber einzelne Dateien waren noch aufrufbar. Diese wenigen Dateien allein haben ein erschreckendes Bild ergeben, was Stadler und seinen Mitarbeitern wichtig war. Zum Beispiel dutzende Dateien über alle Holocaustleugner-Prozesse. Aber was noch verblüffender war, es sind in den Dateien die Leute aus dem ORF aufgetaucht, die ihm rapportiert haben. Die Mitarbeiter Stadlers haben Protokoll geführt, beispielsweise: "18.12.-16:30, Uwe Sowieso aus dem ORF berichtet, es gibt in der Abteilung XX eine Mitarbeiterin die sich als links-grüne bekennt. Also macht etwas!"

Systematische Vernaderung ist da betrieben worden. Nicht nur im ORF, auch in anderen Bereichen, wie der Polizei. Damals haben Haider und Co über ihre Leute im Polizeiapparat und die Gewerkschaft AUF Einsicht genommen in Ekis-Daten (Elektronisches Kriminalpolizeiliches Informationssystem), um sich ihre Kandidaten abzuchecken. Die haben geschaut, ob nicht jemand schon eine Vorstrafe hat. Es muss nicht sein, ob das heute so funktioniert, aber was den ORF betrifft, da habe ich größte Bedenken, dass da schon längst wieder was im Laufen ist. Ein paar werden sich etwas von ihren Zuträgerdiensten erhoffen.

Die FPÖ hat aus der Vergangenheit gelernt

Während ÖVP und FPÖ selbst diesmal bei den Koalitionsverhandlungen unglaublich gut dichtgehalten haben. Nichts ist durchgesickert und es wird ja sicherlich Streit gegeben haben.

Karl Öllinger: Das war in der Vergangenheit immer ÖVP-Position gewesen. Das haben sie uns auch, als wir Regierungsverhandlungen mit ihnen geführt haben, eingetrichert, nur ja nichts nach außen dringen lassen. Der Unterschied war, bei uns sollte alles innerhalb einer Woche abgeschlossen werden, und das hat jetzt doch mit der FPÖ erheblich länger gedauert.

Dass es so funktioniert hat, schreibe ich auch dem zu, dass die FPÖ aus der Vergangenheit gelernt hat. Sie sind was ihr eigenes Personal betrifft, anders als der Haider, viel vorsichtiger. Mit Ausnahme von Karin Kneissl gibt es keine Quereinsteiger. Und die Kneissl haben sie in den letzten zwei Jahren durch Burschenschaftlerlokale geführt. Die wurde systematisch beschnuppert. Die hat bei den Burschis referieren dürfen oder müssen und dann hat man mal die Gelegenheit gehabt zu schauen: Hat die unseren Stallgeruch oder kann sie den annehmen? Ansonsten aber nur Personal, das Stammpersonal ist. Es gibt nicht mehr die Haidersche Masche, für Bewegung im Umfeld zu sorgen. Der HC Strache setzt auf seine bewährte Mannschaft.

Das heißt die Regierung wird jetzt länger halten?

Karl Öllinger: Es kann so sein. Das hängt ja auch vom Widerstand ab. Die SPÖ wird zwei, drei Jahre brauchen, bis sie wieder auf Oppositionsschiene ist. Das ist nicht nur die Frage des Christian Kerns. 2000 haben sie lange gebraucht, bis sie kapiert haben, dass sie weg sind. Das war damals die große Leistung von Alfred Gusenbauer, die zwar zu Verwerfungen geführt hat, aber ob das der Kern schafft, da bin ich skeptisch. Nicht weil ich ihn nicht schätze, aber was die Führung einer Partei betrifft, da muss er noch einiges lernen.

In seinen engsten Mitarbeiterstab rund um die Wahlen hat er sich Leute von den NEOs und abtrünnige ÖVPler reingeholt, die nachher alles an die ÖVP verpfiffen haben. Naja. Letztlich wird die Liste Pilz nicht die Opposition darstellen können und die NEOs sowieso nicht.

Die NEOs drängen einzig aufs Tempo.

Karl Öllinger: Ja, sehr richtig. Wer soll die Opposition in den nächsten Jahren machen? Das wird bedeuten, es muss viel von außen kommen müssen. Es wird heißen, die Gewerkschaften werden sich anstrengen müssen oder sie werden untergehen. Die glauben immer noch, es ließe sich ein Arrangement finden. Ich hoffe sie merken, dass dies aussichtslos ist, mit dem was die Regierung mit Lohndrücken und so weiter vorhat. Es wäre eine Hoffnung, dass die Gewerkschaften aufwachen, aber überzeugt bin ich davon nicht. Die Grünen, die sehe ich noch überhaupt nicht. Es wird eindeutig politische Neuformierungen geben müssen.

Es herrscht ein dichotomes Denken vor

Darf man die Hoffnung haben, dass im Tagesgeschäft bei der neuen Bundesregierung die Verwerfungslinien aufbrechen werden? Sie haben ja schließlich kein Projekt angeleiert, das ihnen viel begeisterte Resonanz bringen wird.

Karl Öllinger: Der Duktus ist, wir müssen das machen, damit wir die Ausländer weiterhin finanzieren können. Tut uns leid, aber die Ausländer, das kostet alles so viel und wir müssen da jetzt überall einsparen. Wie lange das geht, wie lange die Leute sich so etwas sagen lassen und wie lange man mit Symbolprojekten wie Rückkehr zur Ziffernnote in der Volksschule und Aufhebung des Rauchverbotes unterhalten kann, das weiß ich nicht.

Breitspurschienen nach Moskau legen.

Karl Öllinger: (lacht) Na, das wäre ja noch ein Projekt. Dann gibt es noch die Sache mit der direkten Demokratie. Bei der Debatte über die Aufhebung des Rauchverbotes kontert die SPÖ, indem sie zu dieser Frage als erstes eine Volksabstimmung machen wollte. Das ist eine Doppelmühle für die FPÖ. Die gewinnen, wenn sie es schaffen, das Rauchverbot aufzuheben, und sie gewinnen, weil es überhaupt zur Volksabstimmung kommt und diese damit etabliert wird, selbst wenn diese erste nicht im Sinn der FPÖ ausgeht. Das war kein genialer Streich der SPÖ.

Die letzte Nationalratswahl hat gezeigt, dass in Österreich eine rechtsautoritäre Mehrheit von fast 60 Prozent der Bevölkerung konstatiert werden muss. Welche Volksabstimmung soll da, bei geschickt gestellter Frage, verloren gehen?

Karl Öllinger: Ja leider auch das. Da ist ein weiterer Aspekt, diese starke Zunahme von autoritären Haltungen und deren Unterstützung von autoritären Strukturen und Personen, weil die Entscheidungen bringen. Da meine ich, dass hat sich die österreichische Politik in den letzten Jahren selbst zuzuschreiben.

Erstens dieses dichotome Denken, das immer gepflegt wurde: Regierung gegen Opposition. Da ist kein Dialog oder ein Eingehen von Ideen, egal von wem - von mir aus auch von der FPÖ - zugelassen worden. Regierung ist gut und Opposition ist schlecht. Das geht bis in die Zeitungsredaktionen. Wenn man einem Redakteur sagt, das was die SPÖ da mache sei zwar nicht gut, aber... da schläft dem Redakteur schon das Gesicht ein und er fragt: "Sind sie dafür oder dagegen?" Ja oder nein. Daumen rauf, Daumen runter.

Das zweite ist, dass das Parlament sich selbst überflüssig macht bis hin jetzt zur Entscheidung, dass eine Parlamentspräsidentin sagt, ich werde doch lieber Landwirtschaftsministerin. Bist du deppart! In der deutschen parlamentarischen Kultur wäre das in der Form, glaube ich, nicht vorstellbar, aber vielleicht überhöhe ich da etwas.

Mit der schlechten Wertigkeit, die das österreichische Parlament hat, das sich keine Zeit nimmt, sich zu beraten, zu entscheiden, zu diskutieren, sondern nur durchwinkt, damit macht sich der Parlamentarismus überflüssig. Der schlecht gepflegte Parlamentarismus und die spezifisch dichotome Kultur scheinen mir schon anders als in Deutschland zu sein.

Den Talkquatsch in Deutschland, den kann man leicht für Scheiße halten, aber dieses Miteinander-Redenkönnen und klare Argumente vorbringen, das ist gut. Bei uns gibt es nur dieses Verschwurbelte und das ist katastrophal. In so einer Kultur setzt sich ein Denken durch das sagt, "der macht wenigstens etwas". So wie beim Sebastian Kurz. Der ist ein Entscheider, der zieht das jetzt durch. (lacht) Jemand der sich alles von der Industriellenvereinigung vorschreiben lässt, gilt dann als ein Entscheider.

Und jung ist er.

Karl Öllinger: (lacht) Das kommt noch dazu! - Es ist jetzt viel zu tun.

Wie steht es mit internationaler Vernetzung bei "Stoppt die Rechten", beispielsweise mit LICRA, ist da etwas angedacht?

Karl Öllinger: Ja die Kooperationen gibt es. Es gab einige wunderbare Geschichten, zum Niederknien. Ich habe einen Artikel über einen deutschen Mitarbeiter der FPÖ verfasst und habe einen Fehler gemacht. Ich hatte etwas ungenau geschrieben, nur ein einziges Wort. Und genau an dem Punkt ging die FPÖ dann her und hat geklagt. Mir wurde nach genauem Hinsehen klar, das kann ich tatsächlich nicht beweisen. Dann habe ich mir die Quelle angeschaut und die hatten dieses eine Wort nicht verwendet, sondern ich hatte es falsch dazugeschrieben. Also wäre alles an mir gelegen.

Daraufhin habe ich einen Rundruf gestartet bei deutschen Initiativen und die meisten sagen, der Herr sagt uns nichts und dann kam wirklich von einem Antifa-Archivar aus Nordrhein-Westfalen die Nachricht: "Beruhige dich, ich habe da ein schönes Dokument für dich." Der werte Herr hatte bestritten jemals bei der jungen Landsmannschaft Ostdeutschland JLO gewesen zu sein. Er hat bestritten, mit der Dresdner Nazi-Demo etwas zu tun gehabt zu haben, die immer im Februar stattfindet wegen der alliierten Bombardierung. Ein großer Aufmarsch und die JLO hat diese Demo organisiert. Eine Mitgliedschaft hatte er also bestritten und genau das Dokument hatte die Antifa.

In Deutschland ist es offenbar üblich, dass die Vereine in ein zentrales Archiv auch Sitzungsprotokolle einspeisen und die braven JLOler haben das gemacht und damit war belegt, der Herr war ein Vorstandsmitglied. Mir gegenüber hat er es bestritten, weil er nicht dachte, dass wir zu dem Dokument kommen.

Archive sind wichtig.

Karl Öllinger: Enorm! Solche Sachen sind gut, bei denen man dann merkt, das funktioniert. Ich bemerke dass, abgesehen von "Blick nach Rechts", "Endstation Rechts" und der "Amadeo Antonio Stiftung", diese Arbeit außerhalb der professionellen Strukturen auch in Deutschland stark zurückgeht. Vielleicht trügt der Eindruck, aber es könnte besser sein.

In Österreich haben wir das "Dokumentationsarchiv für den Widerstand", mit dem wir sehr eng kooperieren. Und ich hoffe auch, dass es gelingt nach Deutschland Kontakte zu pflegen. Oder auch nach Schweden, zur dortigen "Expo-Stiftung", da wäre Kontakt manchmal nötig gewesen, aber die rühren sich leider überhaupt nicht. Sehr enttäuschend. Da hat es in der Vergangenheit die Schwedendemokraten gegeben, die eine gemeinsame Vergangenheit mit der FPÖ hatten.