"Die Rechten sind einfach viel besser im Nutzen sozialer Medien"

Seite 4: Die Zukunft von "Stoppt die Rechten"

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Wie geht es jetzt weiter mit "Stoppt die Rechten"? Die Seite wurde eingestellt, aber warum eigentlich, man hätte die alten Artikel doch online lassen können?

Karl Öllinger: Nein. Zum einen nicht, weil die Produktion von "Stoppt die Rechten", wie wir es betrieben haben, Geld kostet. Redaktionell habe ich das meiste gemacht und das ging, so lange ich noch Nationalratsabgeordneter war. Immer an der Erschöpfungsgrenze entlang.

Wenn ich das vergleiche mit anderen Infoportalen, wie "Blick nach Rechts" und ähnlichen, dann braucht man entweder ein Modell, in dem Journalisten als Freelancer arbeiten, oder es gibt eine fixe Redaktion, die aus mehreren Leuten bestehen muss. Es gab zwar eine Abschwächung während meiner Krebserkrankung, aber die meiste Zeit habe ich das bis zu 95 Prozent solo gemacht. Das geht aber nicht mehr. Ich habe immer schon gedroht, ihr müsst euch was anderes einfallen lassen, habe mich dann aber immer wieder hinreißen lassen und gesagt, bis zur Wahl mache ich das noch.

Es war also klar für die Grünen, nach der Wahl muss das anders aufgesetzt werden. Dann kam die Phase, wo zumindest einigen schon klar wurde, dass es nicht 15 Prozent werden, sondern höchstens die Hälfte. Aber auch da war man noch positiv und sagte, wir wollen das schon irgendwie machen. Ja und dann hatten wir das Ergebnis der Nationalratswahl. Das hat bedeutet die Halbtagskraft ist nicht mehr finanziert, die sich hauptsächlich mit dem technischen Aspekten, dem Einspeisen, der Fotoredaktion und der Verwaltung beschäftigt hat. Ohne solche Ressourcen ist dann nur mehr ein ehrenamtlicher Betrieb denkbar. Allerdings hätte der wiederum das erhebliche Risiko, dass die FPÖ dann gegen jeden zweiten Artikel klagt, weil es dann niemanden gibt, der, so wie ich, genau weiß, was er schreiben kann.

Ein falsches Wort reicht.

Karl Öllinger: So ist es! Die haben uns wirklich durchgescannt. Und immer dann, wenn die Grünen öffentlich größere Auseinandersetzungen mit der FPÖ gehabt haben, dann haben sie irgendeinen in ihren Reihen beauftragt, "Stoppt die Rechten" nach Klagefähigem zu durchsuchen. Innerhalb von ein bis zwei Wochen sind drei bis vier Klagen von verschiedenen Leuten eingegangen. Keine der Klagen war wirklich erfolgreich, aber trotzdem ist es eine Klage, und wenn es nur um eine Verletzung der Abgeltung von Bildrechten geht, dann sind das schnell einmal 5000 oder 10000 Euro.

Kurz bevor wir heruntergefahren sind, hatten wir eine Auseinandersetzung mit einem Leipziger Rechtsextremen, der in den 1980er und 1990er Jahren eine nicht geringe Bedeutung in der deutschen Szene hatte. Große deutsche Medien hat dieser Leipziger auch geklagt, die haben dann alle mit Unterlassungsverpflichtung, die zwei oder drei Tausend Euro kostet, klein beigegeben. Das Risiko und die Kosten waren ihnen einfach zu hoch. Dieses Risiko ist jederzeit gegeben, auch bei einem Artikel, der schon vier oder fünf Jahre auf der Seite steht.

Jetzt gibt es mehrere Varianten: Entweder wir machen im Vollbetrieb weiter und suchen einen Weg, uns breiter politisch abzusichern, also Unterstützung nicht nur von den Grünen, sondern auch von der Liste Pilz und der SPÖ zu bekommen. Wir müssen schauen, gibt es dort die finanzielle und politische Unterstützung - und wann, wenn nicht jetzt? Das ist also die erste Variante, die Wiederaufnahme eines redaktionellen Betriebs und da bin ich deswegen relativ optimistisch, weil es aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich gute Signale gibt.

Die andere Variante wäre ein öffentliches Archiv ohne neue Einträge wieder online zustellen mit nur geringen Kosten, aber mit dem Risiko einer Klage. Und die dritte Variante ist ein Archiv nur für Personen mit Zugangscode. Momentan sind wir bei der ersten Variante, und die möchte ich verfolgen. Jetzt haben wir erstmal versucht, ein Statut fertig zu schreiben, das ungefähr unsere Vorstellungen abbildet. Das wichtigste ist hier die Unabhängigkeit der redaktionellen Arbeit.

Gibt es ein wenig die Hoffnung auf eine Art dialektischen Umschlag? Wir haben so oft gesehen, dass links-liberale Regierungen enttäuschen und dass nun gerade bei einer rechts-rechten Regierung vielleicht hier etwas Gutes entsteht? Ein erneuerter Bürgersinn, der sagt, gerade jetzt brauchen wir "Stoppt die Rechten".

Karl Öllinger: Einen Beitrag werden wir versuchen zu leisten, und wir fühlen uns dazu verpflichtet. Ich habe gerade in den letzten Tagen in meinen haptischen Zeitungsarchiven geblättert und die sind sehr nützlich, vieles was in den Ganglien schon verschoben ist, taucht wieder auf. Artikel über eine Feuerrede von HC Strache und du denkst, das gibt es ja alles eigentlich gar nicht.

Ich hoffe, dass wir mit dem, was wir da haben, auch mit einer neuen Qualität werden weitermachen können. Es haben sich jetzt Leute gemeldet, die etwas tun möchten, die schreiben möchten. Das ist ein schwieriger Prozess, weil ich dies wertschätzen möchte, aber gleichzeitig heißt das auch, die Leute müssen ein wenig ausgebildet werden, Dass es diese Menschen gibt, ist aber großartig.

Ich möchte ein Beispiel geben, das gar nicht den Kernbereich der Auseinandersetzung mit der FPÖ oder mit dieser neuen Bundesregierung betrifft, sondern uns ist aufgefallen. dass die großen Medien, insbesondere die Tageszeitungen, kaum mehr Berichterstattung über Wiederbetätigungsprozesse machen. Man muss schon froh sein, wenn die APA (Austria Presse Agentur) dahin kommt. Dafür gibt es einen ganz banalen Grund: Ein Wiederbetätigungsprozess ist sehr zeitintensiv. Genauso Verhetzungsprozesse. Wenn nicht mehr berichtet wird, fällt die ganze Generalprävention durch Strafandrohung weg - wie sinnvoll diese auch immer sein mag. Den Richtern ist dies mittlerweile schon klar.

Hier ist nicht nur Bösartigkeit dahinter, sondern Sparsamkeit der Redaktionen. Es wäre aber wichtig für uns, wenn da jemand im Saal sitzt, der sich das alles anhört, denn selbst wenn die Anklageschriften nicht gut abgesichert sind, dann bleibt doch viel mehr an Wissen hängen, als durch einen knappen Zeitungsartikel vermittelt wird. Dieses Wissen ist für uns wieder nützlich, weil wir erkennen, dass sich der Verfassungsschutz beispielsweise für diese Anklage gar nichts angeschaut hat oder dass da noch andere Personen mit drinhängen. Wir versuchen ja viel mehr auf Zusammenhänge hinzuschauen und Strukturen zu erkennen, die für ein Medium wie eine Tageszeitung mit ihren Drei- oder Vierzeilern nicht das wichtigste sind.