Die Unabhängigkeitserklärung und die Göttliche Vorhersehung

George Bush sucht nach neuen Wegen, um die Unterstützung für seine Politik in den USA zu halten

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In seiner wöchentlichen Radioansprache am Tag nach dem Independence Day suchte US-Präsident Bush wie schon in seiner Rede zum 4. Juli, die Politik seiner Regierung in die Geschichte und den Auftrag Amerikas einzubetten. Mit wachsender Kritik in den USA, zunehmenden Schwierigkeiten im Irak sowie in Afghanistan und immer noch fehlenden Beweisen für die Existenz von Massenvernichtungswaffen will Bush den immer noch vorhandenen Patriotismus der Amerikaner weiterhin auf seine Seite ziehen, was alleine mit Angst und Sicherheit nicht auf Dauer zu machen ist. Bush zieht die Notbremse und schlägt eine neue Richtung ein: "Diese Nation handelt, um unsere Sicherheit zu verteidigen, doch unsere Aufgabe in der Welt ist größer."

US-Präsident Bush hält seine Rede am Unabhängigkeitstag vor seinem liebsten Publikum: dem Militär im Air Force Museum in Dayton, Ohio

Lange Zeit ist es nach dem 11.9. für die US-Regierung gut gelaufen. Mit der Mobilisierung der Angst und der Suche nach Sicherheit vor einem irrationalen, fanatisch von Hass auf Amerika als Hort der Freiheit und der Zivilisation angetriebenem Bösen ließ sich innen- und auch außenpolitisch vieles durchsetzen. Gegen den wirtschaftlichen und militärischen Koloss wagte sich niemand direkt aufzulehnen. Die Kriege, geführt aus der Position einer absoluten Überlegenheit, konnten denn auch als mediengeeignete Spektakel durchgeführt werden. Der Irak-Krieg wurde in der Tat zum globalen Blockbuster, was den kriegsführenden Parteien zugute kam.

Doch jetzt liegen die Anschläge bald zwei Jahre zurück, waren die beiden Kriege zwar militärisch erfolgreich, aber haben keine demokratischen Gesellschaften zur Folge gehabt und demonstrieren eher die Fragwürdigkeit des Vorgehens, werden die innenpolitischen Folgen der Antiterrorgesetze spürbar und kommt zudem die Wirtschaft nicht recht in Gang, während Arbeitslosigkeit und Verschuldung steigen.

Allmählich zieht die Angst nicht mehr, zumal man den Grund für den Irak-Krieg schuldig geblieben ist. Ein neuer Anschlag in den USA wäre fatal für die Regierung, ein neuer Krieg in der misstrauischer werdenden Stimmung gegenüber den Aussagen der Regierung, aber auch im Blick auf die Schwierigkeiten im Irak, wo die Invasoren keineswegs nur und noch immer als willkommene Befreier betrachtet werden, wohl politisch (noch) nicht möglich. Doch die Wahlen rücken heran, die Kassen müssen gefüllt werden.

Meanwhile, the tyranny of terrorism continues, and so must the global was on terror -- until tyranny has been defeated wherever it threatens free men and women. As President Bush has said, the threat may be new, but American's duty is familiar: to defend the safety and security of our people and the hopes of all mankind.

US-Verteidigungsminister Rumsfeld am 4. Juli

Daher bietet der Blick zurück auf den Ursprung der Nation eine Gelegenheit, die Politik der Bush-Regierung als die Einlösung des weltgeschichtlichen Auftrags zu verstehen. "Die Unabhängigkeitserklärung enthält ein Versprechen für die gesamte Menschheit." Das ist in der Tat so, trifft aber auch auf die Französische Revolution zu. Doch in der Unabhängigkeitserklärung wird nicht gesagt, dass die Vereinigten Staaten für die gesamte Welt das Versprechen der universellen Menschenrechte einlösen und sie stellvertretend für diese seien. Doch wegen dieser von Bush in Tradition übernommenen Patenschaft für die Freiheit, so versichert er den Amerikanern, müsste der Rest der Welt eigentlich den Amerikanern dankbar sein, zudem ist das Wohlergehen vieler Menschen auf die Amerikaner angewiesen, die, wie Bush sagt, noch immer "Vertrauen in die Göttliche Vorsehung" setzen.

Auf der Website der Republikaner ist man noch ein wenig hintendran

Die erste Generation der Amerikaner habe verzweifelt darum gekämpft, "die Tyrannei zu überwinden und in Freiheit zu leben". Das ist gelungen, weswegen "heute alle, die in einer Tyrannei leben und sich nach Freiheit sehnen, ihre Hoffnung in die USA setzen". Mehr als zwei Jahrhunderte seien die Amerikaner hätten die Amerikaner den Idealen der Gründungsväter gedient und sich für sie geopfert. Gemeint sind damit vornehmlich die Soldaten und deren Leistungen, dass irgendwann Fehler begangen worden seien, scheint in God's own country nicht vorzukommen:

Und die Männer und Frauen unseres Militärs haben uns niemals scheitern lassen. Sie haben auf ihrem Weg viele Monumente hinterlassen: eine ungeteilte Nation, ein befreites Europa, den Aufstieg der Demokratie in Asien und den Fall eines bösen Reichs. Millionen auf der ganzen Welt sind heute wegen des selbstlosen Muts der amerikanischen Veteranen frei.

Die Rhetorik, dass die Vereinten Staaten der Anfang und der Inbegriff von Freiheit und Demokratie sind und selbstlos für deren Durchsetzung auf der Welt sorgen, so dass den USA alle dankbar sein sollten, ist keineswegs neu (Der amerikanische Traum). Gleichwohl steht die beanspruchte Führungs- und Vorbildrolle in einem anderem Licht, seitdem die US-Regierung auch militärisch weltweit ihre Ansicht von einer Weltordnung durchsetzt und bei Zuwiderhandlung schon auch mit Angriff droht. Stärker als zuvor setzt Bush aber nun auch auf den positiven Sendungsauftrag, um die Bürger zu gewinnen. Zunächst stand bis zum Irak-Krieg ganz die Gefahrenabwehr im Vordergrund, die deswegen in den Hintergrund treten musste, weil man schon vor dem Krieg nicht wirklich beweisen konnte, dass der Irak eine nationale Bedrohung und eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt. Man wechselte also immer stärker zur Befreiungsrhetorik und taufte den Krieg auch dementsprechend, auch wenn der Sturz einer Tyrannei, so gut er an sich ist, von der UN-Resolution keineswegs gefordert war.

Um die für Bush nach dem 11.9. erfolgreiche Politik fortsetzen zu können, werden also die militärischen Unternehmungen weniger als Verteidigung beschrieben, denn als Umsetzung einer von den Amerikanern auch militärisch umzusetzenden Vision einer freien Welt. Bush hätte diese Umdeutung des Kriegs gegen den Terrorismus als Krieg für die Freiheit gerne bruchlos verbunden mit seinen beiden Kriegen. Der Krieg gegen das Böse wird primär zum Krieg der Guten und für das Gute.

Lt. Col. Matt Meloy mit US-Flagge für (noch) Defend America auf der Mission

Und auch für die Freiheit und im Kampf gegen die Tyrannen dieser Welt kann man weiterhin sagen, was Bush erst am 4. Juli erneut den Amerikanern und der Welt versichert hat: "Unsere Nation ist noch immer im Krieg." Zumindest scheinen Bush und seine Berater davon auszugehen, dass er am ehesten nächstes Jahr wieder gewählt werden wird, wenn er weiterhin auf Krieg setzt und damit Patriotismus evoziert.

Ohne Amerikas aktives Eingreifen in die Welt würde den Ambitionen der Tyrannen kein Widerstand entgegen gesetzt werden und würde das Leben von Millionen von der Gnade der Terroristen abhängen. Mit Amerikas Eingreifen in die Welt haben die Tyrannen das Fürchten gelernt und sind die Terroristen auf der Flucht.

Die Botschaft ist dieselbe, der Ton ein wenig anders, die Entschlossenheit weiter groß, die innenpolitischen Probleme mit Krieg und Außenpolitik und Göttlicher Vorsehung zu überdecken. Man darf gespannt sein, wohin die Reise in der nächsten Zeit gehen wird. Sicher scheint jedoch zu sein, dass Bush weiterhin auch nur jeden Hauch einer Selbstkritik meidet, um den Eindruck der Entschlossenheit zu wahren. Aber genau das könnte auch sehr schnell zu einem Rohkrepierer werden, wenn die Sicherheits- und Militärmaschinerie trotz der Herbeirufung der Göttlichen Vorhersehung unübersehbar ins Stottern gerät.