Die Verdichtung der Landschaft
Seite 3: Follies im Verdichtungsgestrüpp
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Da sich die mit Sky Gardens erschlossenen Freiräume über mehrere Etagen erstrecken können, liegt für WOHA die Inszenierung ganzer Fels-, Pflanzen und Wasserlandschaften nahe. Welcher Art, welcher Natur sollen diese Landschaften sein? Am häufigsten und sicher auch treffendsten werden die pflanzlichen Arrangements, die sich an die baulichen Elemente anschmiegen, als "Garten-Follies" bezeichnet. Das sind exzentrische Narreteien, kulissenhafte Scheinarchitekturen wie künstliche Ruinen und Grotten, die zur Romantisierung englischer Landschaftsparks beigetragen hatten. Die kontinentaleuropäische Moderne machte mit jenen Romantizismen Schluss. Die Landschaftsarchitektur entwickelte im 20. Jahrhundert neue nüchterne Gartenformen auf der Grundlage strenger Systematisierungen wie französisch = barock und englisch = landschaftlich.
"Follies" dürften noch heute bei der Landschaftsarchitektur-Zunft in Europa ein latentes Unbehagen auslösen, und vielleicht steckt hierin ein unausgesprochener Vorwurf an WOHA. Ihre Garten-Follies lassen sich keiner Stilrichtung zuordnen, sind höchst artifiziell, obwohl doch die Rückkehr zur Natur, zu einer einfachen, selbstgenügsamen Lebensweise postuliert wird. Hier lauert Illusionismus. Gerät trotz aller positiven Kennziffern und Messwerte diese Ökologie zu einer architektonischen Geste, zur Attitüde?
Auf der anderen Seite beziehen sich Hassell und Wong Mun Soom bewusst auf die europäische Moderne, indem sie die Gartenstadt-Idee neu beleben. Im heutigen Europa ist diese Idee zum bloßen Marketing-Gag für Neubaublocks und -viertel verkommen, in denen gerade die Grünanlagen zum Bestandteil von Gated communities werden, zu Bannmeilen gleichsam. In den Gartenstädten der Wende zum 20. Jahrhundert war das Grün hingegen die Klammer der privaten, halböffentlichen und öffentlichen Bereiche. Es hatte den wesentlichen Anteil an der Vergemeinschaftung der Menschen in Licht, Luft und Sonne.
Sind die "tropischen Gemeinschaften", die WOHA entwirft, auf Europa übertragbar? Sie können zumindest in unsere Breitengrade "übersetzt" werden. Bescheidene Ansätze gibt es. Das bekannteste Beispiel eines bioklimatischen Hochhauses ist der "Bosco Verticale" in Mailand. Dem Architekten, Stefano Boeri, schwebt ähnlich wie WOHA vor, dieses Modell sukzessive auf die ganze Stadt auszudehnen, die zu einem lichten Wald würde.
Als Hassell und Wong Mun Somm letzten Monat ihre Projekte2 in Berlin vorstellten, fragte sie der moderierende Architekt Matthias Sauerbruch konkret nach der Akzeptanz der gemeinschaftlichen Grünflächen und Räume. Wer verweilt wo wie lange? Er verwies auf europäische Fälle, wo es mit der Sozialisierung von Nachbarschaften nicht geklappt hatte, so bei den "Robin Hood Gardens" im London der 70er Jahre.
Es wird auf die Art der Anreize ankommen, und diese sollten die Mentalität der jeweiligen Bevölkerungsgruppen berücksichtigen, aus denen sich die Nutzer rekrutieren. Die psychologische Frage, welche sozialen Prädispositionen die Klientel mitbringt, geht demnach auch die Architekten an, die "Commons", Gemeindeland, in ihre Objekte einbauen.
Der mittelfristige Erfolg einer sozialen Emanzipation in den WOHA-Hochhäusern bleibt abzuwarten. Vorauseilende Bedenken aus europäischer Sicht wären jedoch Wasser auf die Mühlen der hiesigen Hochhaus-Entwickler, die das Schlagwort von der "Verdichtung" zur Drohkulisse aufbauen. Bei ihnen stehen die Rendite-Erwartungen pro Grundfläche im Vordergrund. Wie solche Häuser mit der Stadt interagieren, ist ihnen gleich.
Die beiden Singapurer Architekten möchten mit ihren grünen und durchlässigen Hochhäusern eine neue soziale Form schaffen unter Auswertung historischer Elemente. Diese ökologische Architektur gibt einen Impuls zur Befreiung der Megastädte aus der Zwangsläufigkeit von Explosion und sozialem Kollaps. Hassell und Wong Mun Somm stellen sich der Vernichtung von Freiraum und der zunehmenden Abschottung. Sie stellen sich sich dem Kampfbegriff der Verdichtung, indem sie ihn umdrehen. Die Verdichtung der Landschaft in der Vertikalität macht das Haus porös. In den Poren bildet sich Gemeinschaft. Diese Verdichtung ist eine Vergemeinschaftung.