Die fünften spanischen Wahlen in vier Jahren rücken näher
Die Basis der Republikanischen Linken Kataloniens stellt hohe Hürden für die Unterstützung von Pedro Sánchez auf
Der spanische Sozialdemokrat Pedro Sánchez hätte es nach den vorgezogenen Neuwahlen im April einfach haben können, um erneut Regierungschef zu werden. Denn nach diesen Wahlen hätten die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und ihr baskischer Partner EH Bildu (Baskenland Vereinen) Sánchez ganz ohne Gegenleistung und Dialog zum Regierungschef gemacht, wie das ERC-Führungsmitglied Joan Tardà und das EH-Bildu Führungsmitglied Jon Inarritu in Telepolis-Gesprächen versichert hatten.
Doch Sánchez fiel durch, weil er auch nicht wirklich mit der spanischen Linkskoalition Unidas Podemos (Gemeinsam können wir es/UP) verhandelt hat, deren Mitglieder er nicht in seiner Regierung sitzen haben wollte, die ihn deshalb nicht unterstützt hatte. Deshalb musste im November neu gewählt werden.
Statt gestärkt aus den Wahlen hervorzugehen, wie Sánchez Sozialdemokraten (PSOE) erwartet hatte, wurde er geschwächt. Deshalb ist eine mögliche Regierungsbildung nun noch deutlich komplizierter für ihn, da auch UP unter Pablo Iglesias wegen einer Abspaltung Federn lassen musste.
Statt auf 165 Sitze zu kommen, können Sánchez und Iglesias nun nur noch auf 155 von 350 Abgeordneten im spanischen Parlament bauen und bleiben damit weit entfernt von der Mehrheit von 176 Sitzen. Daran ändert nichts, dass sich die "Genies" plötzlich nur 48 Stunden nach den Wahlen auf eine Koalition geeinigt haben, die mehr als ein halbes Jahr unmöglich war.
Wie an dieser Stelle ausgeführt wurde, haben sie wieder einmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn nun sind sie auf noch mehr Fremdstimmen angewiesen und die ERC-Tolerierung ist praktisch unabdingbar, da die rechten Ciudadanos zu Gunsten der rechtsradikalen VOX abgestürzt ist. Dank der erratischen Strategie von Sánchez ist diese nun sogar drittstärkste Kraft und hat mit 52 Sitzen die Möglichkeit, aus eigener Kraft alle Gesetze vor dem Verfassungsgericht anzufechten.
ERC will Verhandlungen auf Augenhöhe
Statt Sánchez gratis durch Enthaltung im zweiten Wahlgang zum Regierungschef zu machen, stellt die ERC nun klare Bedingungen. Diesen Kurs haben am Montag 95% der Mitglieder bestätigt.. Dass die PSOE gerade gerichtsfest in einen großen Korruptionsskandal verwickelt wurde, hat die Lage nicht gerade vereinfacht.
Zudem mussten die Republikaner bei den Wahlen vor zwei Wochen feststellen, dass ihre Basis ihren bisherigen Kurs nicht goutiert. Sie verlor Stimmen und Sitze gegenüber der linksradikalen CUP und der offenen Liste von Ex-Regierungschef und Exilpräsident Carles Puigdemont. Dessen Partei Gemeinsam für Katalonien (JxCat) hatte für eine Unterstützung stets klargestellt, dass dafür im Gegenzug Verhandlungen über ein verbindliches Referendum über die Unabhängigkeit nach schottischem Vorbild geführt werden müssen.
Soweit geht die ERC nicht, wie der Parlamentspräsident Roger Torrent im Telepolis-Gespräch schon dargelegt hatte. Er forderte nur, dass sich "die spanische Regierung an den Verhandlungstisch setzen muss". Die Frage an die ERC-Mitglieder war aber tendenziell auf ein Nein angelegt, um Sánchez zu zeigen, dass er nun entweder seine Verhandlungsverweigerung aufgibt oder erneut nicht Regierungschef wird.
"Sind Sie damit einverstanden, die Amtseinführung von Pedro Sanchez abzulehnen, wenn es zuvor keine Vereinbarung gibt, um den politischen Konflikt mit dem Staat an einem Verhandlungstisch zu behandeln?", wurde die ERC-Basis gefragt.
Vier Forderungen
Inzwischen haben ERC-Anführer wie Pere Aragonès die Forderungen präzisiert. Der heimliche ERC-Chef-Parteiführer Oriol Junqueras ist seit zwei Jahren inhaftiert und wurde in einem absurden Prozess zu 13 Jahren Haft wegen Aufruhrs verurteilt. Aragonès hat in einem Zeitungsartikel vier Bedingungen aufgestellt: Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen der katalanischen und spanischen Regierung, ein ernsthafter Dialog ohne Bedingungen und Beschränkungen, in dem die Katalanen das Selbstbestimmungsrecht auf den Tisch legen können, was sie immer verteidigt haben, und schließlich eine klare Roadmap und eine Garantie für die Umsetzung eines getroffenen Abkommens, über das per Referendum in Katalonien abgestimmt werden muss.
Am Dienstag legte der ERC-Sprecher im Madrider Parlament nach und forderte zudem einen klaren Zeitplan ohne den ERC mit Nein stimmen werde. Gabriel Rufián machte klar, dass man keinerlei Vertrauen mehr in einen Sánchez hat, der bisher "das katalanische Bildungssystem, die katalanischen Kommunikationsmedien und mehr als zwei Millionen Menschen beleidigt und kriminalisiert hat", die am Referendum vor zwei Jahren für die Unabhängigkeit gestimmt haben.
"Nur weil er jetzt Pablo Iglesias umarmt", bleibt er "weiter der, der er ist". Es sei weiter der Sánchez, der gewöhnlich Versprechen bricht. "Wir haben Regierungen an die Macht gebracht und wieder gestürzt", erklärte Rufián in Bezug darauf, dass sie Sánchez erst über einen Misstrauensantrag gegen den rechten Mariano Rajoy an die Macht gebracht und ihn dann über Verweigerung seines Haushalts zu vorgezogenen Neuwahlen gezwungen hat.
Sánchez und der Kurs der Parteigranden
Die Frage ist, ob Sánchez nun den Stier bei den Hörnern greift und sich auf wirkliche Verhandlungen einlässt, wogegen die Parteibarone sind. Sie wollen, wie auch der frühere Parteichef Felipe Gonzalez, nicht einmal etwas von einer Koalition mit Podemos wissen. Immer offener wirbt die Parteirechte für eine große Koalition mit der rechten Volkspartei (PP), die dafür aber den Kopf von Sánchez fordert, was die Parteirechte nicht stört, die ihn schon einmal weggeputscht hatte.
So ist eigentlich eines sicher. Eine schnelle Regierungsbildung wird es nicht geben. Am Donnerstag werden sich Vertreter von PSOE und ERC an einen Tisch setzen, um mit einem Dialog zu beginnen. Dass Sánchez auf die Forderungen der ERC eingeht, ist eher unwahrscheinlich, wie es auch unwahrscheinlich ist, dass er abtritt, um einen Weg für eine große Koalition mit der rechten PP freizumachen.
So ist derzeit am wahrscheinlichsten, dass Spanien erneut keine Regierung bilden kann, der König möglicherweise Sánchez damit auch nicht beauftragt und es die fünften Neuwahlen in nur vier Jahren gibt. Denn eines ist auch sicher, dem rechten König gefällt es ebenfalls nicht, dass Sánchez mit Podemos koalieren will und mit der Unterstützung von Katalanen einer Regierung vorstehen will.