Die strategische Wahl der Nato: Warum Mark Rutte favorisiert wird

Seite 2: Ruttes Werdegang zwischen Nato und US-Thinktanks

Ruttes Loyalitätsbekundungen gegenüber den Sicherheitsinteressen der USA und der damit verbundenen EU- und Ostpolitik reichen mindestens zurück auf einen Vortrag beim neokonservativen Thinktank Chicago Council on Global Affairs von 2012, in dem Rutte die enge Verbindung von Europa – und speziell der Niederlande – mit den USA betont.

Die ökonomische und militärische Zusammenarbeit stellt er schon damals als eng miteinander verwoben und alternativlos dar.

2013 verleiht der Atlantic Council (s. oben, "eine der einflussreichsten…") Mark Rutte den "Global Citizen Award" für "seine Konzentration auf die Bewahrung der globalen Sicherheit und seinen festen Glauben an die transatlantischen Beziehungen und seine Unterstützung für diese".

Bei seiner Rede schneidet Rutte zentrale Punkte der anglo-amerikanischen Geopolitik an, die heute aktueller denn je sind:

Angesichts der wachsenden Bedrohung durch die geopolitische Konkurrenz aus Russland und China sowie durch globale Herausforderungen wie den Klimawandel "liegt es in unserem eigenen [nationalen] Interesse und in unserem gemeinsamen Interesse, das transatlantische Band stark und lebendig zu halten", so der Premierminister.

Atlantic Council

In enger Abstimmung mit der Nato und Jens Stoltenberg zeigte sich Rutte der Öffentlichkeit auch 2014 bei dem Abschuss des malaysischen Flugs MH-17, bei dem 298 Personen starben, darunter 192 Niederländer.

Erst im Januar dieses Jahres urteilte der Europäische Gerichtshof, dass die niederländische Regierung Informationen zum Abschuss nicht veröffentlichen muss. Rutte hatte noch im Februar 2023 bekräftigt, Russland weiterhin für den Abschuss verantwortlich zu machen.

Gegen eine europäische Armee: "Die Nato ist unsere Sicherheitsgarantie"

Im gleichen Jahr bekannte sich Rutte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato und unterstrich die Rolle der USA bei der Sicherung des Friedens in Europa. Dabei betonte er erneut, dass es für die EU keine Alternative zur Nato geben könne:

Ich bin gegen eine europäische Armee, die Nato ist unsere Sicherheitsgarantie. Dass sich Europa seit 1945 so gut entwickeln konnte, lag doch daran, dass wir uns unter dem Schutzschirm von der Nato und der Pax Americana aufs Geldverdienen konzentrieren konnten.

Nun müssen die europäischen Nato-Mitglieder mehr zusammenarbeiten, wir Niederländer bringen sowohl in der Nato als auch in der EU die militärische Mobilität voran. Unser Bekenntnis von 2014 zum Zwei-Prozent-Ziel gilt.

Wir sollten den USA aber klarmachen, dass die Nato nicht nur dazu da ist, Europa vor Russland oder anderen Bedrohungen zu schützen - es ist im geopolitischen Interesse Washingtons, wenn dieser Teil der Welt frei, stolz und unabhängig ist.

Süddeutsche

2015 engagiert sich Rutte energisch dafür, ein weiteres Narrativ der US-amerikanischen Sicherheitskreise in Europa zu verbreiten. Mit seiner dezidierten Rhetorik eines "War on Terror" heizt er die Diskussion darüber an, ob die Anschläge auf das Satiremagazin Charlie Hebdo den Nato-Bündnisfall rechtfertigen.

2017 sprach sich Rutte bei einem Panel des Atlantic Council zusammen mit dem kanadischen Premier Justin Trudeau dagegen aus, Russland wieder in die G8 aufzunehmen.

Am 24. Februar 2022, heute vor fast genau zwei Jahren, erklärte Rutte, Russlands Invasion der Ukraine sei der "mit Abstand der größte Völkerrechtsbruch seit 1945" und "ein Angriff auf alles, was wir nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben".

Ob der ehemalige niederländische Premier auf Jens Stoltenberg folgt, soll sich noch vor dem Gipfel zum 75-jährigen Bestehen der Nato im Juli entscheiden.